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DAVID HUME
Eine Abhandlung über
die menschliche Natur

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"Die abstrakte Vorstellung eines Menschen repräsentiert Menschen von allen möglichen Größen und sonstigen Eigenschaften. Man schloß, daß dies nur möglich ist, wenn sie entweder alle möglichen Größen und Eigenschaften zugleich oder aber überhaupt keine bestimmte Eigenschaft repräsentiert. Da man es nun für ungereimt hielt, die erstere Annahme zu machen, weil dieselbe ein unbegrenztes geistiges Vermögen voraussetzen würde, so hat man sich gewöhnlich für die letztere entschieden. Man nahm also an, daß unsere abstrakten Vorstellungen überhaupt keinen bestimmten Grad, weder der Quantität, noch der Qualität, in sich schließen."


Zweiter Abschnitt
Einteilung des Gegenstandes

Nachdem sich gezeigt hat, daß unsere eincachen Eindrücke den ihnen entsprechenden Vorstellungen vorausgehen und Ausnahmen nur selten zu finden sind, so könnte es als eine Forderung der Methode erscheinen, daß wir erst unsere Eindrücke untersuchten, ehe wir an die Betrachtung unserer Vorstellungen gehen. Dabei ist indessen zu bedenken, daß Eindrücke in zwei Arten eingeteilt werden können, in Eindrücke der  Sinneswahrnehmung  und Eindrücke der  Selbstwahrnehmung. (20) Die erstere Art entsteht in der Seele ursprünglich aus unbekannten Ursachen; die zweite dagegen beruth zum großen Teil auf unseren  Vorstellungen;  und zwar in folgender Weise:

Ein Eindruck wirkt zunächst auf die Sinne ein und läßt uns Hitze oder Kälte, Hunger oder Durst, Lust oder Unlust der einen oder anderen Art empfinden. Von diesem Eindruck erzeugt der Geist ein Abbild, welches bleibt, nachdem der Eindruck aufgehört hat; dieses Abbild nennen wir eine Vorstellung. Die Vorstellung der Lust oder Unlust ruft aber weiterhin, wenn sie in der Seele von neuem entsteht, neue Eindrücke - des Verlangens und der Abneigung, der Hoffnung und Furcht - hervor, welche im eigentlichen Sinne Eindrücke der Selbstwahrnehmung (Reflexion) genannt werden können, weil sie (unmittelbar) in derselben entstanden sind. Diese werden wieder von der Erinnerung (21) und der Einbildungskraft nachgebildet, werden also zu Vorstellungen, welche vielleicht ihrerseits wiederum andere Eindrücke und Vorstellungen hervorrufen. Die Eindrücke der Selbstwahrnehmung gehen danach (vielfach) nur den ihnen entsprechenden Vorstellungen voran, während sie Vorstellungen der Sinneswahrnehmung nachfolgen und in ihnen ihren Ursprung haben.

Die Untersuchung unserer Sinneswahrnehmung (22) fällt nun mehr den Anatomen und denen, die sich mit Naturwissenschaften beschäftigen, anheim als den Männern der Geisteswissenschaft; deshalb will ich hier nicht darauf eingehen. Andererseits müssen wir, da die Eindrücke der Selbstwahrnehmung, die Affekte, Begierden und Gefühlserregungen, die hauptsächlich verdienen, daß wir ihnen unsere Aufmerksamkeit zuwenden, meist in Vorstellungen ihren Grund haben, die Methode, welche uns oben auf den ersten Blick als die natürlichste erschien, umkehren und zwecks Erklärung der Natur und Prinzipien des menschlichen Geistes von den Vorstellungen Spezielleres berichten, ehe wir zu den Eindrücken übergehen. Dies ist der Grund, aus dem ich es für gut gehalten habe, hier mit den Vorstellungen zu beginnen.


Dritter Abschnitt
Von den Vorstellungen der Erinnerung
und der Einbildungskraft

Die Erfahrung lehrt uns, daß ein Eindruck, welcher dem Geist gegenwärtig gewesen ist, als Vorstellung von neuem auftritt; uns zwar kann er dies auf zweierlei Weise tun: entweder er behält bei seinem neuen Auftreten einen beträchtlichen Grad seiner ursprünglichen Lebhaftigkeit, ist also eine Art von Mittelding zwischen einem Eindruck und einer Vorstellung, oder er verliert jene Lebhaftigkeit ganz und ist eine reine Vorstellung. Das Vermögen, unsere Eindrücke in der ersteren Weise zu wiederholen, wird Erinnerungsvermögen genannt, das andere Einbildungskraft. Es erhellt sich in der Tat auf den ersten Blick, daß die Vorstellungen der Erinnerung viel lebhafter und stärker sind, als die der Einbildungskraft, daß die erstere ihre Gegenstände in deutlicheren Farben malt als die letztere. Wenn wir uns an ein vergangenes Ereignis erinnern, so dringt die Vorstellung desselben in zwingender Weise auf den Geist ein; wogegen in der Einbildungskraft die Perzeption schwach und matt ist und nicht ohne Schwierigkeit eine irgendwie längere Zeit hindurch unverändert und gleichförmig vom Geist festgehalten wird. Hier liegt also ein merklicher Unterschied zwischen beiden Arten von Vorstellungen vor. Genaueres hierüber später im III. Teil, Abschnitt 5.

Es besteht aber noch ein anderer Unterschied zwischen jenen beiden Arten von Vorstellungen, der nicht weniger einleuchtend ist. Weder die Vorstellungen der Erinnerung, noch die der Einbildungskraft, also weder die lebhaften noch die schwachen Vorstellungen können im Geist auftreten, ohne daß ihnen entsprechende Eindrücke vorausgegangen sind und ihr Auftreten möglich gemacht haben. Zugleich ista ber die Einbildungskraft nicht an die Reihenfolge und Form der ursprünglichen Eindrücke gebunden, während die Erinnerung in dieser Beziehung gewissermaßen gefesselt und zu Änderungen unfähig ist.

Es ist kein Zweifel, die Erinnerung behält die Form, in welcher die Gegenstände ursprünglich auftraten, bei; wo wir in unserer Erinnerung von derselben abweichen, beruth dies jederzeit auf irgendeinem Mangel oder einer Ungenauigkeit in der Funktion dieses Vermögens. Ein Geschichtsschreiber mag wohl, um eine Erzählung passender fortzuführen, ein Ereignis vor einem anderen erzählen, während es ihm in der tat erst folgte, aber dann nimmt er, wenn er genau ist, von dieser Abweichung Notiz und stellt dadurch die richtige Ordnung der Vorstellungen wieder her. Genauso liegt der Fall auch bei unseren Erinnerungen an Örtlichkeiten und Personen, die wir früher kennengelernt haben. Die hauptsächliche Leistung der Erinnerung besteht überhaupt nicht im Festhalten einfacher Vorstellungen, sondern im Festhalten ihrer Ordnung und wechselseitigen Stellung. Ich denke, das aufgestellte Prinzip beruth auf einer solchen Anzahl von allgemein bekannten und geläufigen Tatsachen, daß wir uns die Mühe sparen können, länger dabei zu verweilen.

Ebenso einleuchtend erscheint unser zweites Prinzip, d. h. das Prinzip  von der Freiheit der Einbildungskraft ihre Vorstellungen umzustellen und zu ändern.  Die Fabeln, denen wir in Gedichten und Märchen begegnen, stellen dasselbe vollständig außer Frage. Die Natur ist hier vollkommen verwandelt. Von nichts ist die Rede als von geflügelten Rossen, feurigen Drachen und ungeheuren Riesen. Diese Freiheit kann auch nicht seltsam erscheinen, wenn wir bedenken, daß alle unsere Vorstellungen unseren Eindrücken nachgebildet sind und daß es keine zwei vollständig untrennbaren Eindrücke gibt. Ich brauche nicht zu erwähnen, daß dies unmittelbar aus der Einteilung der Vorstellungen in einfache und zusammengesetzte folgt. Wo irgendeine Einbildungskraft einen Unterschied zwischen Vorstellungen entdeckt, kann sie auch leicht eine Trennung derselben herbeiführen.


Vierter Abschnitt
Über die Verknüpfung oder Assoziation
der Vorstellungen
(23)

Da alle einfachen Vorstellungen durch die Einbildungskraft getrennt und in einer beliebigen Form wieder vereint werden können, so würde nichts unerklärlicher sein als die Art, wie dieses Vermögen tatsächlich zu wirken pflegt, wenn dasselbe nicht zugleich von einigen allgemeinen Prinzipien beherrscht wäre, welche es befähigen, immer und überall in gewissem Maße mit sich selbst in Übereinstimmung zu erscheinen. Beständen die Vorstellungen vollkommen lose und zusammenhangslos nebeneinander, so würde nur der Zufall sie verbinden können; es könnte nicht immer wieder die nämlichen einfachen Vorstellungen sich zu zusammengesetzten Vorstellungen zusammenfinden, wie es doch zu geschehen pflegt, ohne ein Band der Vereinigung zwischen ihnen, ohne irgendeinen assoziierenden Faktor, vermöge dessen eine Vorstellung einen assoziierenden Faktor, vermöge dessen eine Vorstellung von selbst eine andere nach sich ziehen kann.

Doch darf dieses die Vorstellungen vereinigende Prinzip nicht als die Vorstellungen  untrennbar  verknüpfend gedacht werden; dies verträgt sich, wie wir schon sahen, nicht mit der Natur der Einbildungskraft. Wir dürfen auch nicht ohne weiteres den Schluß ziehen, daß der Geist nicht (spontan, d. h.) ohne von diesem Prinzip geleitet zu sein, zwei Vorstellungen vereinigen könnte; denn nichts ist freier als jenes Vermögen; vielmehr dürfen wir das fragliche Prinzip nur als eine sanfte Macht ansehen, welche für gewöhnlich die Herrschaft hat und unter anderem der Grund dafür ist, daß Sprachen einander so genau entsprechen; wir müssen annehmen, daß die Natur gleichsam jeden immer auf diejenigen unter den einfachen Vorstellungen hinweist, welche sich am meisten dazu eignen, zu einer zusammengesetzten Vorstellung vereint zu werden.

Der Faktoren nun, aus denen eine solche Assoziation entsteht, und durch welche der Geist in solcher Weise von einer Vorstellung zu einer anderen hingeleitet wird, gibt es drei, nämlich  Ähnlichkeit unmittelbarer zeitlicher und räumlicher  Zusammenhang,  (24) und  Ursache  und  Wirkung. 

Ich glaube, es wird nicht vonnöten sein, den Beweis zu führen, daß diese Faktoren in der Tat eine Assoziation der Vorstellungen begründen, also machen, daß das Auftreten einer Vorstellung von selsbt eine andere nach sich zieht. Es ist klar, daß die Einbildungskraft im Verlauf, den unsere Gedanken nehmen und in dem beständigen Durcheinanderwogen unserer Vorstellungen leicht von einer Vorstellung zu einer beliebigen anderen, die ihr  ähnlich  ist, übergeht, ja daß dieser Faktor für sich allein der Einbildungskraft eine genügende Verbindung (25) und Assoziation schaffen würde. Ebenso ist es einleuchtend, daß, da die Sinne genötigt sind, beim Wechsel ihrer Gegenstände einer bestimmten Ordnung sich fügen, d. h. die Gegenstände so aufzunehmen, wie sie sich (räumlich und zeitlich) aneinanderfügen, auch die Einbildungskraft aufgrund langer Gewöhnung diese Weise Objekte sich zu vergegenwärtigen, sich aneignen, also bei der Auffassung ihrer Gegenstände gleichfalls dem Zusammenhang der Teile des Raums und der Zeit folgen muß. Die dritte Art der Verknüpfung schließlich, die durch die Beziehung von Ursache und Wirkung hervorgebracht wird, werden wir später Gelegenheit haben, gründlich zu untersuchen, und uns deshalb jetzt nicht damit aufhalten. Es genügt zu bemerken, daß es keine Beziehung gibt, welche eine stärkere Verknüpfung in der Einbildungskraft hervorruft und bereitwilliger eine Vorstellung eine andere in die Erinnerung rufen läßt, als die Beziehung von Ursache und Wirkung dies bei ihren Objekten tut.

Um die volle Tragweite dieser Beziehungen verstehen zu lernen, müssen wir noch in Betracht ziehen, daß zwei Gegenstände nicht nur dann in der Einbildungskraft miteinander verknüpft sind, wenn einer dem anderen unmittelbar gleicht, mit ihm zeitlich oder räumlich unmittelbar zusammenhängt, oder die Ursache derselben ist, sondern auch dann, wenn ein dritter Gegenstand zwischen sie eingeschoben ist, welcher zu beiden in einer der genannten Beziehungen steht. Diese Mittelbarkeit der Beziehungen kann ziemlich weit gehen. Freilich zeigt sich dabei zugleich, daß jede Einschiebung eines neuen Mittelgliedes die Beziehung wesentlich schwächt. Vettern im vierten Grad sind, wenn ich den Ausdruck brauchen darf, durch "Kausation" miteinander verknüpft, aber nicht so eng wie Brüder, viel weniger als Kinder und Eltern. Die Beziehungen der Blutsverwandtschaft beruhen allgemein auf einer ursächlichen Beziehung; immer aber werden dieselben je nach der Anzahl verknüpfender Ursachen, die zwischen die Personen in die Mitte treten, für nah oder entfernt gehalten.

Von den oben erwähnten drei Beziehungen hat die der Ursächlichkeit das weiteste Gebiet. Wir dürfen zwei Gegenstände als in dieser Beziehung stehend bezeichnen, sowohl wenn der eine die Ursache irgendwelcher Tätigkeiten oder Bewegungen des anderen, als auch wenn jener die Ursache des  Vorhandenseins  dieser ist. Da die Tätigkeit oder Bewegung eines Gegenstandes nichts ist als der Gegenstand selbst, nur in einem bestimmten Licht betrachtet, dieser Gegenstand aber in allen seinen verschiedenen Zuständlichkeiten derselbe bleibt, so ist leicht zu verstehen, wie auch jene erstere Art der Wirkung von Gegenständen aufeinander diese Gegenstände in der Einbildungskraft verknüpfen kann.

Wir können diese Betrachtung noch weiterführen und hinzufügen, daß zwei Gegenstände nicht nur dann miteinander durch die Beziehung von Ursache und Wirkung verknüpft sind, wenn der eine eine Bewegung oder Tätigkeit irgendeiner Art am anderen hervorruft, sondern auch schon, wenn er imstande ist, dies zu tun. Die letztere Art der kausalen Beziehung ist die Quelle aller Beziehungen des Interesses und der Pflicht, durch welche sich Menschen in der Gesellschaft gegenseitig beeinflussen und zueinander in ein Verhältnis von Herrschaft und Abhängigkeit treten. Ein Herr ist derjenige, der durch seine Stellung, die entweder in Gewalt oder Übereinkommen ihren Ursprung hat, die Macht besitzt, in gewissen Fällen das Tun eines anderen, den wir dann Diener nennen, zu bestimmen. Richter ist derjenige, der in beliebigen streitigen Fällen in der Lage ist, durch seine Meinung über den Besitz oder das Eigentumsrecht an einer Sache irgendwelchen Gliedern der Gesellschaft gegenüber zu entscheiden. Wenn ein Mensch irgendeine Macht besitzt, so ist nichts weiter als sein Wille erforderlich, sie in Tätigkeit umzuwandeln; und  dies  wird in jedem Fall als möglich, in vielen Fällen als wahrscheinlich angesehen; besonders in Fällen, in denen ein Verhältnis der Autorität obwaltet und der Gehorsam eines Untergebenen dem Vorgesetzten Annehmlichkeit und Vorteil gewährt.

Hiermit sind die Prinzipien der Vereinigung oder des Zusammenhangs (26) unserer einfachen Vorstellungen bezeichnet; sie treten in der Einbildungskraft an die Stelle jener unlösbaren Verknüpfung, durch die die Vorstellungen in unserer  Erinnerung  verbunden sind. Es liegt hier eine Art Anziehung vor, welche, wie wir sehen werden, in der geistigen Welt ebenso außerordentliche Wirkungen hat, wie in der natürlichen und sich in ebenso vielen und ebenso verschiedenen Formen darstellt. Ihre Wirkungen liegen überall klar zutage, aber ihre Ursachen sind der Hauptsache nach unbekannt; sie müssen auf  ursprüngliche  Eigenschaften der menschlichen Natur zurückgeführt werden, die zu erklären ich keinen Anspruch erhebe.

Es gibt ja eben keine wichtigere Forderung für einen wahren Philosophen als die, daß er das ungezügelte Verlangen nach Ursachen zu forschen unterdrückt und, wenn er eine Lehre auf eine genügende Anzahl von Beobachtungen aufgebaut hat, sich damit zufrieden gibt, sobald er sieht, daß eine weitere Untersuchung ihn in dunkle und ungewisse Spekulationen führen würde. Im letzteren Fall verwendet er seinen Scharfsinn viel besser darauf, die Wirkungen seines Prinzips zu prüfen als seine Ursachen.

Unter den Wirkungen dieser Vereinigung oder Assoziation (27) von Vorstellungen gibt es nun keine, die bemerkenswerter wäre, als die Entstehung der zusammengesetzten Vorstellungen, welche die gewöhnlichen Gegenstände unseres Vorstellens und Urteilens sind und irgendeinem der Prinzipien der Vereinigung einfacher Vorstellungen ihr Dasein zu verdanken pflegen. Diese zusammengesetzten Vorstellungen können in  Relationen, Modi  und  Substanzen  eingeteilt werden. Wir weden sie alle nacheinander kurz untersuchen und einige Beobachtungen über  allgemeine  und Einzelvorstellungen hinzufügen, ehe wir mit dem vorliegenden Gegenstand, der als die Grundlage dieser philosophischen Untersuchung angesehen werden kann, abschließen.


Fünfter Abschnitt
Von den Relationen.

Das Wort  Relation  (oder Beziehung) pflegt in zwei Bedeutungen gebracht zu werden, die sich wesentlich voneinander unterscheiden; einmal als Name für den Faktor, vermöge dessen Vorstellungen in der Einbildungskraft miteinander verknüpft erscheinen, so daß in der oben dargelegten Weise die eine die andere  ohne weiteres mit sich zieht;  oder aber zur Bezeichnung des Momentes, hinsichtlich dessen wir, auch bei  willkürlicher  Vereinigung zweier Vorstellungen in der Einbildungskraft, sie zufällig miteinander vergleichen (28). In der gewöhnlichen Sprache gebrauchen wir das Wort immer im ersteren Sinn und nur im philosophischen Sprachgebrauch dient es zugleich zur Bezeichnung des Erlebnisses (29) irgendeines Vergleichs ohne Rücksicht auf das Dasein eines verknüpfenden Prinzips. So werden die Philosophen Entfernung als eine Beziehung gelten lassen, weil wir durch einen Vergleich von Gegenständen eine Vorstellung von ihr erhalten; während wir in der Sprache des gewöhnlichen Lebens von Dingen sagen, sie seien voneinander so weit wie möglich entfernt, hätten also eine möglichst geringe Beziehung zueinander; als ob Entfernung und Beziehung einander widersprechen würden.

Man könnte es nun für eine zwecklose Bemühung halten, alle Eigenschaften aufzuzählen, welche einen Vergleich von Gegenständen ermöglichen und die Vorstellung philosophischer Beziehungen hervorrufen. Wenn wir sie aber sorgfältig betrachten, so finden wir, daß wir sie ohne Mühe in sieben allgemeine Klassen zusammenfassen können, die man als die Quellen aller philosophischen Beziehungen ansehen darf.

1. Die erste ist die  Ähnlichkeit  und zwar ist dies diejenige Beziehung, ohne welche überhaupt keine philosophische Beziehung bestehen kann, weil Gegenstände ohne einen gewissen Grad an Ähnlichkeit gar nicht vergleichbar sein würden. So gewiß bei jeder philosophischen Beziehung Ähnlichkeit vorausgesetzt ist, so gewiß muß dieselbe nicht immer eine Verknüpfung oder Assoziation von Vorstellungen begründen. (30) Wenn eine Eigenschaft sehr allgemein und sehr vielen Einzeldingen gemeinsam ist, so weist sie den Geist nicht unmittelbar auf eines von diesen (Einzeldingen) hin. Indem sie zwischen zu vielen gleichzeitig die Wahl läßt, hindert sie vielmehr die Einbildungskraft, sich einem bestimmten Gegenstand zuzuwenden.

2.  Identität  kann als eine zweite Art der Beziehung angesehen werden. Ich nehme sie hier im engsten Sinn als Identität konstanter und unveränderlicher Gegenstände, ohne dabei die Natur und Grundlage der persönlichen Identität zu prüfen, welche später ihren Platz finden wird. Unter allen Beziehungen ist die der Identität die allgemeinste, da sie allem Seienden eigen ist, dessen Vorhandensein irgendeine Dauer hat (31).

3. Nächst der Identität sind die allgemeinsten und umfassendsten Beziehungen die des  Raums  und der  Zeit,  welche die Grundlage einer unendlichen Anzahl von Vergleichsbegriffen sind, wie  entfernt, angrenzend, über, unter, vor, nach  usw.

4. Alle Gegenstände, welche den Begriff der  Quantität  oder  Zahl  zulassen, können mit Rücksicht hierauf verglichen werden; dies ist eine weitere fruchtbare Quelle von Beziehungen.

5. Wenn zwei Gegenstände dieselbe  Eigenschaft  gemeinsam haben, so bilden die  Grade,  in denen sie dieselbe besitzen, eine fünfte Art der Beziehung. So kann von zwei Gegenständen, welche beide schwer sind, der eine ein größeres oder geringeres Gewicht besitzen als der andere. Zwei Farben derselben Art können verschiedene Abstufungen haben und in dieser Hinsicht einen Vergleich gestatten.

6. Die Beziehung des  Widerstreites (32) könnte auf den ersten Blick als eine Ausnahme von der Regel,  "daß keine Beziehung irgendeiner Art ohne einen gewissen Grad der Ähnlichkeit bestehen",  angesehen werden. Wir müssen jedoch berücksichtigen, daß keine zwei Vorstellungen an und für sich einander widerstreiten, ausgenommen die der Existenz und Nichtexistenz. Diese aber sind einander deutlich ähnlich, da beide die Vorstellung des Gegenstandes in sich enthalten, obgleich die letztere den Gegenstand von all den Zeiten und Orten, in welchen er als nicht existierend gedacht wird, ausschließt.

7. Alle anderen Gegenstände, wie Feuer und Wasser, Hitze und Kälte stellen sich nur aufgrund der Erfahrung und vermöge des Widerstreites ihrer  Ursachen  und  Wirkungen  als einander widerstreitend dar. Diese Beziehung - zwischen Ursache und Wirkung - ist eine siebte philosophische Beziehung; sie ist zugleich eine natürliche Beziehung. Was für eine Ähnlichkeit diese Beziehung einschließt, soll später dargelegt werden.

Man könnte nicht ohne Grund erwarten, daß ich die  Verschiedenheit  den eben bezeichneten Relationen hinzufügen sollte. Ich sehe sie aber eher als die Verneinung einer Beziehung an, als daß ich sie für etwas Wirkliches oder Positives halte. Es gibt zwei Arten der Verschiedenheit, eine solche, die zur Identität und eine solche, die zur Ähnlichkeit den Gegensatz bildet. Die erstere wird numerische Verschiedenheit, die andere Verschiedenheit der Art (33) genannt.


Sechster Abschnitt
Über Modi und Substanzen

Ich möchte wohl an die Philosophen, die sich in ihren Schlüssen so vielfach auf den Unterschied zwischen Substanzen und Akzidenzien [Merkmalen - wp] stützen und offenbar meinen, wir hätten von beiden klare Vorstellungen, die Frage richten, ob die Vorstellung der  Substanz  aus den Eindrücken der Sinneswahrnehmung oder den Eindrücken der Selbstwahrnehmung abgeleitet ist? Wenn sie uns durch unsere Sinne zugeführt wird, so frage ich, durch welchen und in welcher Weise? Wird sie durch die Augen wahrgenommen, so muß sie eine Farbe sein; wenn durch Ohren, ein Ton; wenn durch den Gaumen, ein Geschmack, und entsprechend, wenn wir die anderen Sinne zur Wahl stellen. Nun glaube ich, daß niemand behaupten wird, Substanz sei eine Farbe oder ein Ton oder ein Geschmack. Die Vorstellung der Substanz muß daher, wenn sie wirklich vorhanden ist, aus einem Eindruck der Selbstwahrnehmung bestehen aber in unseren Affekten und Gefühlserregungen; und daß eine von diesen eine Substanz darstellt, ist ausgeschlossen. So bleibt uns keine Vorstellung der Substanz, die etwas anderes wäre als die Vorstellung eines Zusammen bestimmt gearteter Eigenschaften. Wir meinen dann auch nichts anderes, wenn wir von einer Substanz reden oder über die Substanz irgendwelche Urteile fällen.

Die Vorstellung einer Substanz und ebenso die eines Modus ist nichts als ein Zusammen einfacher Vorstellungen (34), die durch die Einbildungskraft vereinigt worden sind, und einen besonderen Namen erhalten haben, durch welchen wir dieses Zusammen uns oder anderen ins Gedächtnis zurückrufen können. Der Unterschied zwischen beiden Vorstellungen besteht darin, daß die bestimmten Eigenschaften, die das Wesen einer  Substanz  ausmachen, gewöhnlich auf ein unbekanntes  Etwas  bezogen werden, an dem sie, wie man meint, "haften". (35) Oder, falls man diese Fiktion nicht macht, so werden sie zumindest durch die Beziehungen der Kontiguität (36) und der Ursächlichkeit eng und untrennbar verbunden gedacht. Die Folge davon ist, daß wir jede beliebige einfache Eigenschaft, von der wir entdecken, daß sie mit anderen, bereits zur Einheit einer Substanz verknüpften Eigenschaften in derselben Weise verknüpft ist, diesen sofort einverleiben, auch wenn sie in unserer ersten Vorstellung (37) dieser Substanz nicht enthalten war. So kann unsere Vorstellung des Goldes zuerst "gelbe Farbe, Gewicht, Hämmerbarkeit, Schmelzbarkeit" sein; nach der Entdeckung seiner Lösbarkeit in Königswassesr fügen wir dann auch diese jenen anderen Eigenschaften hinzu und nehmen an, daß sie ebensogut zur Substanz gehört, als wenn ihre Vorstellung von Anfang an einen Teil jener zusammengesetzten Vorstellung ausgemacht hätte. Daß das vereinigende Prinzip als die Hauptsache an der zusammengesetzten Vorstellung angesehen wird, bewirkt, daß jede Eigenschaft in sie mit aufgenommen wird, die uns später auffällt und in gleicher Weise wie die anderen, die sich zuerst darboten, von jenem vereinigenden Prinzip umfaßt wird.

Daß dies bei den Modi nicht der Fall sein kann, erhellt sich aus der Betrachtung ihrer Natur. Die einfachen Vorstellungen, aus denen die Modi gebildet sind, stellen entweder Eigenschaften dar, welche nicht durch einen zeiträumlichen Zusammenhang (Kontiguität) und Ursächlichkeit untereinander verbunden, sondern auf verschiedene Gegenstände verteilt sind; oder aber, wenn sie alle miteinander vereinigt sind, so wird doch bei ihnen nicht das vereinigende Prinzip als die Basis der zusammengesetzten Vorstellung angesehen.

Die Vorstellung des Tanzes ist ein Beispiel der ersten, die der Schönheit ein Beispiel der zweiten Art der Modi (38). Der Grund, weshalb solche zusammengesetzte Vorstellungen keine neuen Vorstellungsinhalte in sich aufnehmen können, ohne daß der Name, der den Modus von anderen unterscheidet, sich ändert, ist einleuchtend (39).


Siebter Abschnitt
Über abstrakte Vorstellungen

Eine sehr wichtige Frage ist betreffs unserer abstrakten oder allgemeinen Vorstellungen aufgeworfen worden: die Frage nämlich,  ob sie, so wie sie vom menschlichen Geist vollzogen werden, allgemein oder individuell sind.  Ein großer Philosoph (BERKELEY) hat die herkömmliche Meinung in diesem Punkt bekämpft und behauptet, alle allgemeinen Vorstellungen seien nichts als individuelle Vorstellungen, verknüpft mit einem bestimmten Namen, der ihnen eine umfassendere Bedeutung gibt und bewirkt, daß im gegebenen Fall andere ähnliche Einzelvorstellungen in die Erinnerung gerufen werden. Ich sehe in dieser Einsicht eine der größten und schätzenswertesten Entdeckungen, die in den letzten Jahren im Reich der Wissenschaft gemacht worden sind. Ich will aber versuchen, sie noch durch einige Argumente zu bestätigen, die sie, wie ich hoffe, über jeden Zweifel und jede Anfeindung erheben sollen.

Es besteht kein Zweifel, daß wir bei der Bildung der meisten, wenn nicht aller allgemeinen Vorstellungen, von bestimmten Graden der Quantität oder Qualität absehen, so daß ein Gegenstand bei einer geringen Veränderung in seiner Ausdehnung, seiner Dauer und seinen sonstigen Besonderheiten nicht aufhört, einer bestimmten (40) Art anzugehören. Es kann dann wohl durch ein einfaches Dilemma über die Natur unserer abstrakten Vorstellungen, welche die Philosophen zu so vielen Spekulationen veranlaßt haben, entschieden werden. Die abstrakte Vorstellung eines Menschen repräsentiert Menschen von allen möglichen Größen und sonstigen Eigenschaften. Man schloß, daß dies nur möglich ist, wenn sie entweder alle möglichen Größen und Eigenschaften zugleich oder aber überhaupt keine bestimmte Eigenschaft repräsentiert. Da man es nun für ungereimt hielt, die erstere Annahme zu machen, weil dieselbe ein unbegrenztes geistiges Vermögen voraussetzen würde, so hat man sich gewöhnlich für die letztere entschieden. Man nahm also an, daß unsere abstrakten Vorstellungen überhaupt keinen bestimmten Grad, weder der Quantität, noch der Qualität, in sich schließen. Daß nun aber diese Schlußfolgerung irrig ist, werde ich darzulegen suchen, indem ich  erstens  beweise, daß es gänzlich unmöglich ist, sich von einer Quantität oder Qualität eine Vorstellung (41) zu machen, ohne daß man sich zugleich die Vorstellung (42) eines ganz bestimmten Grades derselben macht, und indem ich  zweitens  zeige, daß wir, obgleich unser geistiges Vermögen nicht unbegrenzt ist, doch eine Vorstellung von allen möglichen Graden der Quantität und Qualität zugleich haben können, in einer Weise zumindest, die allen Zwecken des Denkens und der Mitteilung zu genügen imstande ist, so unvollkommen sie im übrigen sein mag.

Um mit der ersten Behauptung zu beginnen, der Behauptung also, daß der Geist  sich keine Vorstellung von einer Quantität oder Qualität machen kann, ohne sich eine ganz bestimmte Vorstellung von ihrem Grad zu machen,  so können wir sie durch folgende drei Argumente beweisen. Zu erst haben wir schon im I. Teil, Abschnitt 3 bemerkt, daß Gegenstände, die verschieden sind, unterscheidbar und daß Gegenstände, die unterscheidbar sind, durch das Denken und die Einbildungskraft trennbar sind. (43) Wir können hier hinzufügen, daß diese Behauptungen auch wahr bleiben in der  Umkehrung,  daß also trennbare Gegenstände auch unterscheidbar und unterscheidbare Gegenstände auch verschieden sind. Denn wie wäre es möglich, daß wir trennen, was nicht unterscheidbar ist oder unterschieden, was nicht verschieden ist? Um daher zu erfahren, ob Abstraktion Trennung in sich schließt, brauchen wir sie nur von diesem Gesichtspunkt aus zu betrachten, d. h. zu prüfen, ob alle jene besonderen Bestimmungen, von welchen wir in unseren allgemeinen Vorstellungen absehen, von denjenigen unterscheidbar und verschieden sind, welche wir als wesentliche Bestandteile derselben festhalten. Es ist aber auf den ersten Blick ersichtlich, daß die bestimmte Länge einer Linie nicht verschieden oder unterscheidbar ist von der Linie selbst, noch der bestimmte Grad einer Eigenschaft von der Eigenschaft. Diese Vorstellungen lassen also auch keine Trennung zu. Sie werden verbunden aufgefaßt; die Allgemeinvorstellung einer Linie hat trotz aller Abstraktion und (vermeintlichen besonderen) Feinheit des (abstrahierenden) Vorstellens bei ihrem Auftreten im Geist einen bestimmten Grad der Quantität und Qualität, mag sie auch zugleich zum Stellvertreter anderer gemacht werden, welche einen anderen Grad der Quantität und Qualität besitzen.

Zweitens ist zugestanden, daß kein Objekt den Sinnen erscheinen kann, oder mit anderen Worten, daß kein Eindruck dem Geist gegenwärtig werden kann ohne Bestimmtheit des Grades sowohl seiner Quantität wie auch seiner Qualität. Wenn Eindrücke bisweilen verworren erscheinen, so beruth dies nur auf ihrer Kraftlosigkeit und Unbeständigkeit, nicht auf einer Fähigkeit des Geistes einen Eindruck aufzunehmen, dem, so wie er an sich ist, kein bestimmter Grad oder kein bestimmtes Größenverhältnis zukäme. Dies wäre eine  contradictio in adjecto  [Widerspruch in sich - wp]; es läge darin der offenkundigste aller Widersprüche, daß nämlich ein Ding sowohl sein als auch nicht sein kann.

Da nun alle Vorstellungen aus Eindrücken abgeleitet und lediglich Nachbildungen und Repräsentanten derselben sind, so muß, was immer für die einen gilt, auch betreffs der anderen zugestanden werden. Eindrücke und Vorstellungen unterscheiden sich nur hinsichtlich ihrer Stärke und Lebhaftigkeit. Die eben gezogene Folgerung setzt aber keinen bestimmten Grad der Lebhaftigkeit voraus. Sie wird deshalb von einer Änderung in diesem Punkt nicht berührt. Eine Vorstellung ist ein schwächerer Eindruck, und da dem starken Eindruck notwendigerweise eine bestimmte Quantität und Qualität zukommt, so muß dasselbe bei seinem Nachbild oder Repräsentanten der Fall sein.

Drittens belehrt uns ein in der Philosophie allgemein angenommener Grundsatz, alles in der Natur sei individuell, es sei also vollständig ungereimt, ein Dreieck als wirklich vorhanden zu denken, das nicht ein genau bestimmtes Verhältnis der Seiten und Winkel hat. Wenn dies nun in der  Wirklichkeit  ungereimt ist, so muß es auch in der  Vorstellung  ungereimt sein, wie umgekehrt nichts, wovon wir uns eine klare und deutliche Vorstellung machen können, (in der Wirklichkeit) ungereimt und unmöglich sein kann. Sich eine Vorstellung von einem (wirklichen) Gegenstand machen und sich einfach eine Vorstellung machen, ist dasselbe, da die Beziehung einer Vorstellung auf einen (wirklichen) Gegenstand eine außerhalb der Vorstellung liegende Bestimmung ist, von der die Vorstellung keine Spuren oder Merkmale an sich trägt. Da es nun unmöglich ist, sich eine Vorstellung von einem (wirklichen) Gegenstand zu machen, der Quantität und Qualität, aber keinen bestimmten Grad derselben besäße, so folgt, daß der Vollzug einer Vorstellung, die nicht in diesen beiden Punkten bestimmt und abgegrenzt wäre, überhaupt unmöglich ist (44). Abstrakte Vorstellungen sind demnach in sich individuell, so sehr sie auch hinsichtlich dessen, was sie repräsentieren, allgemein sein mögen. Das Bild in unserem Geist ist lediglich das Bild eines einzelnen Gegenstandes, wenn auch seine Verwendung in unseren Urteilen so sein mag, alsob das Bild allgemein wäre.

Diese Verwendung von Vorstellungen über ihre eigene Natur hinaus beruth nun darauf, daß wir alle möglichen Grade der Quantität und Qualität in einer unvollkommenen Weise, die aber den Zwecken des Lebens entspricht, in unserem Geist zusammenfassen können. Dies ist die zweite Behauptun, die ich mir zu beweisen vornahm. Wenn wir gefunden haben, daß mehrere Gegenstände, die uns oft begegneten, Ähnlichkeit haben, so brauchen wir für alle denselben Namen, was wir auch für Unterschiede in den Graden ihrer Quantität und Qualität wahrnehmen und was für Unterschiede sonst an ihnen hervortreten mögen. Wenn dies nun für uns Sache der Gewohnheit geworden ist, so erweckt der Klang jenes Namens zunächst die Vorstellung eines jener Gegenstände und bewirkt, daß die Einbildungskraft diesen mit allen seinen bestimmten Eigenschaften und Größenverhältnissen erfaßt. Wir wir voraussetzen, ist aber dasselbe Wort häufig auch auf andere Einzeldinge angewandt worden, die in manchen Beziehungen von jener dem Geiste unmittelbar gegenwärtigen Vorstellung verschieden sind. Die Vorstellungen all dieser Einzeldinge nun vermag das Wort nicht wachzurufen. Es  berührt  aber, wenn ich so sagen darf, die Seele, und ruft jene Gewöhnung wach, welche wir bei der Betrachtung derselben erworben haben. Die Einzeldinge sind nicht wirklich und tatsächlich dem Geist gegenwärtig, sondern nur potentiell; wir heben sie nicht alle in unserer Einbildungskraft heraus, sondern halten uns nur bereit, beliebige von ihnen ins Auge zu fassen, wie es uns eben in einem gegebenen Augenblick Absicht oder Notwendigkeit eingeben mögen. Das Wort ruft eine Einzelvorstellung hervor und mit ihr zugleich eine gewisse gewohnheitsmäßige Tendenz des Vorstellens (45). Diese gewohnheitsmäßige Tendenz weckt dann eine andere Einzelvorstellung, wie wir sie gerade brauchen mögen. Da die Hervorrufung aller Vorstellungen, für die der Name gilt, in den meisten Fällen unmöglich ist, so kürzen wir jene Arbeit durch eine bloß teilweise Betrachtung ab. Wir überzeugen uns zugleich, daß aus einer solchen Abkürzung nur geringe Unzuträglichkeiten für unser Denken entstehen. (46)

Es ist nämlicöh eine der auffälligsten Besonderheiten bei der hier in Rede stehenden Tatsache, daß, sobald der Geist eine Einzelvorstellung hervorgerufen hat, und wir sie zum Gegenstand unseres Urteilens machen, die begleitende gewohnheitsmäßige Vorstellungstendenz, durch den allgemeinen oder abstrakten Ausdruck geweckt, leicht eine andere Einzelvorstellung wachruft, wenn etwa das gefällte Urteil mit dieser Vorstellung  nicht übereinstimmt.  Wir nennen beispielsweise das Wort  Dreieck  und stellen uns dabei ein bestimmtes gleichseitiges Dreieck vor. Behaupten wir dann,  die drei Winkel eines Dreiecks sind einander gleich,  so drängen sich sofort die anderen Einzelvorstellungen, das ungleichseitige und das gleichschenklige Dreieck, die wir zuerst übersahen, auf und lassen uns die Unrichtigkeit unserer Behauptung, die mit Bezug auf die erst vollzogene Vorstellung vollkommen zutraf, erkennen. Wenn der Geist solche Vorstellungen nicht in jedem Fall zur Hand hat, so liegt das an eine Unvollkommenheit unserer geistigen Vermögen, wie sie so oft der Grund von falschen Schlüssen und allerlei Sophistereien ist. Aber dergleichen ist hauptsächlich bei denjenigen Vorstellungen der Fall, welche dunkel und zusammengesetzt sind. In anderen Fällen ist die Wirkung jener gewohnheitsmäßigen Tendenz des Vorstellens eine vollkommenere und wir begehen solche Fehler selten.

Diese Tendenz wirkt so sicher, daß sogar ein und dieselbe Vorstellung mit mehreren voneinander verschiedenen Worten verknüpft und in verschiedenen Gedankenzusammenhängen angewandt werden kann, ohne daß wir Gefahr laufen, zu irren. So kann uns die Vorstellung eines gleichseitigen Dreiecks, das einen Zoll hoch ist, dienen, wenn wir von einer Figur sprechen, einer regelmäßigen Figur, einem Dreieck und einem gleichseitigen Dreieck. Alle diese Ausdrücke sind dann von derselben Vorstellung begleitet; da die Ausdrücke aber eine verschiedene, die einen eine weitere, die anderen eine engere Bedeutung haben, so erregen sie jede ihre besondere Vorstellungstendenz und halten so den Geist in Bereitschaft, darauf acht zu haben, daß kein Schluß gezogen wird, der im Widerspruch mit irgendeiner der Vorstellungen steht, die gewohnheitsgemäß in ihren Sinn einbegriffen sind.

Ehe sich jene Gewohnheiten des Vorstellens vollkommen ausgebildet haben, gibt sich der Geist vielleicht nicht damit zufrieden, jedesmal nur ein Einzelding vorzustellen, sondern er vergegenwärtigt sich mehrere, um sich seine eigenen Gedanken und den Umfang dessen, was er durch den allgemeinen Ausdruck bezeichnen will, klarzumachen. Um den Sinn des Wortes Figur festzustellen, mögen wir an unserem Geist die Vorstellungen von Kreisen, Vierecken, Parallelogrammen, Dreiecken von verschiedenen Größen und Verhältnissen vorüberziehen lassen und uns nicht mit  einem  Bild oder  einer  Vorstellung begnügen. Wie dem aber auch sein mag, sicher ist, daß wir uns in jedem Fall  Einzeldinge  vorstellen, wenn wir einen allgemeinen Ausdruck gebrauchen; daß wir selten oder nie in unserem Vorstellen den von einem allgemeinen Ausdruck umfaßten Umkreis von Einzeldingen erschöpfen können, und daß als Stellvertreter derjenigen, welche wir nicht ausdrücklich vorstellen, jene gewohnheitsmäßige Tendenz des Vorstellens eintritt, mittels welcher wir uns an sie erinnern, soweit gerade ein Anlaß dazu vorliegt. Damit ist die Natur unserer abstrakten Vorstellungen und allgemeinen Ausdrücke bezeichnet und das oben aufgestellte Paradoxon gerechtfertigt,  daß einige Vorstellungen ihrer Natur nach individuell, hinsichtlich dessen aber, was sie repräsentieren, allgemein sind.  Eine Einzelvorstellung wird allgemein, indem ein allgemeiner Name mit ihr verknüpft wird, d. h. ein Name, welcher zugleich gewohnheitsmäßig mit vielen anderen einzelnen Vorstellungen verbunden worden und dadurch mit ihnen in eine (assoziative) Beziehung getreten ist, so daß er diese bereitwillig der Einbildungskraft zuführt.

Die einzige Schwierigkeit, die in Bezug auf unseren Gegenstand noch obwalten kann, betrifft jene gewohnheitsmäßige Tendenz, welche so bereitwillig jede Einzelvorstellung ins Gedächtnis zurückruft, wenn wir ihrer bedürfen, und die durch irgendein Wort oder einen Ton, womit wir die Einzelvorstellung zu verknüpfen gewohnt sind, erregt wird. Die geeignetste Methode, diesen geistigen Vorgang in befriedigender Weise verständlich zu machen, besteht meiner Meinung nach in der Aufzeigung analoger Vorgänge oder anderer der Erleichterung geistiger Operationen dienender Faktoren. Die letzten Ursachen unserer geistigen Tätigkeiten darzulegen, ist unmöglich; es genügt, wenn wir in befriedigender Weise aus Erfahrung und Analogien die Behauptung ihres Vorhandenseins rechtfertigen können.

Zum einen bemerke ich, daß dann, wenn wir eine große Zahl, wie z. B. tausend, nennen, unser Geist gewöhlich keine adäquate Vorstellung von ihr hat, sondern nur die Fähigkeit besitzt, eine solche durch die adäquate Vorstellung der Zehner, die die Zahl in sich schließt, zu erwecken. Diese Unvollkommenheit des Geistes wird doch in unserem Denken niemals empfunden. Hier scheint ein Fall vorzuliegen, analog demjenigen, der in den allgemeinen Vorstellungen gegeben ist.

Zweitens kennen wir verschiedene Beispiele dafür, daß gewohnheitsmäßige Tendenzen durch ein einziges Wort in Tätigkeit gesetzt werden können. So wird beispielsweise jemand, der irgendwelche Sätze einer Abhandlung oder eine Anzahl von Versen auswendig gelernt hat, an das Ganze, das er sich zunächst nicht vergegenwärtigen konnte, durch das Wort oder den Ausdruck, mit dem sie anfangen, erinnert.

Drittens glaube ich, jeder, der den Zustand seines Geistes, während derselbe denkend tätig ist, prüft, wird mit mir darin übereinstimmen, daß wir nicht mit jedem Ausdruck, den wir gebrauchen, deutliche und vollständige Vorstellungen verknüpfen, daß wir etwa, wenn wir von  Regierung, Kirche, Verhandlung, Eroberung  sprechen, selten alle einzelnen Vorstellungen, aus denen diese zusammengesetzten Vorstellungen bestehen, in unserem Geist nebeneinander vollziehen. Es ist nun auffallend, daß wir es trotz dieser Unvollkommenheit vermeiden können, Unsinn über diese Dinge zu reden, daß wir einen Widerspruch zwischen solchen Vorstellungen ebensogut wahrzunehmen vermögen, wie wenn unser Geist alle Einzelvorstellungen, die sie in sich schließen, umfassen könnte. Sollten wir beispielsweise, anstatt zu sagen,  daß die Schwachen im Krieg stets zu Verhandlungen ihre Zuflucht nehmen,  die Behauptung aufstellen,  daß sie stets zur Eroberung ihre Zuflucht nehmen,  so verknüpft sich mit unseren Worten die Gewohnheit einer bestimmten Verknüpfung der Vorstellungen und läßt uns sofort die Ungereimtheit jener Behauptung erkennen; in derselben Weise, wie dies zu geschehen pflegt, wenn wir aufgrund einer Einzelvorstellung Gedanken vollziehen, die sich auf andere im einzelnen mannigfach von ihr abweichende Vorstellungen beziehen.

Da viertens die Einzeldinge von uns aufgrund der  Ähnlichkeit,  die sie miteinander haben, zusammengefaßt und mit einem allgemeinen Ausdruck bezeichnet werden, so muß eben diese Beziehung (der Ähnlichkeit) ihr Auftreten in der Einbildungskraft erleichtern und bewirken, daß sie im gegebenen Fall rascher zur Hand sind. In der Tat haben wir, wenn wir den Fortschritt der Gedanken, wie er sich in unseren Überlegungen oder Unterredungen darzustellen pflegt, betrachten, Grund genug, in diesem Punkt (mit uns) zufrieden zu sein. Nichts ist bewunderungswürdiger als die Bereitschaft, mit der die Einbildungskraft ihre Vorstellungen herbeiholt, gerade in dem Augenblick, wo sie nötig oder nützlich werden. Die Phantasie eilt von einem Ende des Weltalls zum anderen, um die Vorstellungen zusammenzuholen, die zu einem Gegenstand gehören. Man könnte denken, die ganze geistige Welt der Vorstellungen zeigt sich mit einem mal unserem Blick und wir haben weiter nichts zu tun als diejenigen herauszugreifen, die für unseren Zweck jedesmal am geeignetsten sind. Und doch sind vielleicht keine anderen Vorstellungen in uns gegenwärtig, als eben diejenigen, die so durch eine Art magischer Fähigkeit der Seele von uns herausgegriffen werden. Diese Fähigkeit ist in den größten Genies am vollkommensten; ja sie macht eigentlich das aus, was wir ein Genie nennen. Dieselbe bleibt aber trotz der äußersten Bemühungen des menschlichen Verstandes unerklärbar.

Vielleicht können diese vier Überlegungen dazu dienen, alle Bedenken gegen dievon mir betreffs unserer abstrakten Vorstellungen aufgestellte Hypothese zu beseitigen, trotz des Gegensatzes, in dem sie zur Anschauung steht, die bisher in der Philosophie die herrschende gewesen ist. Aber, um die Wahrheit zu sagen, ich setze mein Vertrauen hauptsächlich in das, was ich bereits betreffs der Unmöglichkeit allgemeiner Vorstellungen, so wie sie der gewöhnlichen Anschauungsweise zufolge gefaßt werden müßten, festgestellt habe. Ganz gewiß müssen wir für dieses Problem eine neue Erklärung suchen und offenbar gibt es keine andere als die iher von mir vorgeschlagene. Wenn die Vorstellungen, (die unserem Geist gegenwärtig sind, jederzeit) ihrer Natur nach individuell und zu gleicher Zeit ihrer Zahl nach beschränkt sind, so können sie nur aufgrund einer Gewöhnung hinsichtlich dessen, was sie repräsentieren, allgemein werden und eine unbeschränkte Zahl anderer Vorstellungen in sich schließen.

Ehe ich dieses Thema verlasse, will ich noch usnere obigen Erklärungsgründe auf jene  "Unterscheidung durch die Vernunft" (47) anwenden, welche in den philosophischen Schulen so viel besprochen und so wenig verstanden wird. Es gehört dahin die Unterscheidung zwischen Gestalt und gestaltetem Körper, Bewegung und bewegtem Körper. Die Schwierigkeit in der Erklärung dieser Unterscheidung beruth auf dem Widerspruch, in dem sie mit dem vorhin dargelegten Grundsatz zu stehen scheint,  daß alle Vorstellungen, die verschieden sind, trennbar sind.  Denn daraus folgt, daß, wenn die Gestalt etwas vom Körper Verschiedenes ist, die Vorstellungen beider sowohl trennbar wie auch unterscheidbar sein müssen. Umgekehrt, sind sie nicht verschieden, so können ihre Vorstellungen weder trennbar noch unterscheidbar sein. Da die "Unterscheidung durch die Vernunft" weder eine Verschiedenheit noch eine Trennung in sich schließt, so fragt sich, was mit derselben eigentlich gemeint sein kann.

Um dieser Schwierigkeit zu begegnen, müssen wir unsere vorige Erklärung abstrakter Vorstellungen zu Hilfe nehmen. Es ist gewiß, der Geist würde, da eine Gestalt und ein gestalteter Körper in Wirklichkeit weder unterscheidbar, noch verschieden, noch trennbar sind, nie daran gedacht haben sie zu unterscheiden, hätte er nicht bemerkt, daß selbst in dem, was anscheinend so einfach ist, doch allerlei verschiedene Ähnlichkeiten und Beziehungen enthalten sein können. Wenn uns beispielsweise eine Kugel von weißem Marmor vorgeführt wird, so bekommen wir nur den Eindruck einer weißen Farbe, die in eine bestimmte Form gebracht ist; wir vermögen nicht die Farbe von der Form zu trennen und zu unterscheiden. Wenn wir aber später eine Kugel von schwarzem und einen Würfel von weißem Marmor sehen und die beiden mit jenem erstren Objekt vergleichen, so finden wir zwei verschiedene Ähnlichkeiten in dem, was früher völlig untrennbar erschien und in der Tat auch ist. Haben wir hierin etwas mehr Übung erlangt, so fangen wir an, die Gestalt von der Farbe vermöge einer  Unterscheidung durch die Vernunft  zu sondern, d. h. wir betrachten die Gestalt und die Farbe, weil sie in der Tat dasselbe und voneinander nicht unterscheidbar sind; aber wir betrachten sie zugleich nach verschiedenen Gesichtspunkten, den Ähnlichkeiten entsprechend, welche sie mit anderen Objekten haben. Wenn wir nur die Gestalt der Kugel aus weißem Marmor betrachten wollen, machen wir uns in Wirklichkeit eine Vorstellung sowohl von der Gestalt wie auch von der Farbe, richten aber stillschweigend unser Augenmerk auf ihre Ähnlichkeit mit der Kugel aus schwarzem Marmor. In derselben Weise richten wir, wenn wir nur ihre Farbe ins Auge fassen wollen, unseren Blick auf ihre Ähnlichkeit mit dem Würfel aus weißem Marmor. Auf diese Weise begleiten wir unsere Vorstellungen mit einer Art Reflexion, von welcher wir jedoch vermöge der Gewöhnung nur ein sehr undeutliches Bewußtsein haben. Wer von uns verlangt, daß wir die Gestalt einer Kugel aus weißem Marmor betrachten, ohne an ihre Farbe zu denken, verlangt etwas Unmögliches; aber seine eigentliche Meinung ist auch nur die, daß wir die Figur und Farbe zwar betrachten, zugleich aber die Ähnlichkeit mit der Kugel aus schwarzem Marmor oder einer anderen Kugel von beliebiger Farbe oder Substanz im Auge haben sollen.
LITERATUR - David Hume, Eine Abhandlung über die menschliche Natur, in deutscher Bearbeitung mit Anmerkungen von Theodor Lipps, Hamburg und Leipzig 1904
    Anmerkungen
    20) Hume: impressions of sensation and impressions of reflexion.
    21) Hume: memory, in der Regel nicht Gedächtnis, sondern Erinnerung oder Erinnerungsvermögen. Der einzelne  Akt  der Erinnerung heißt  remembrance. 
    22) Hume: sensations, nicht ganz gleichbedeutend mit impressions of sensation, sofern bei den "impressions" nach Humes ausdrücklicher Erklärung nur an das Dasein, nicht an die Entstehungsweise der sinnlichen Wahrnehmungen gedacht ist, während die "sensations" (in diesem Zusammenhang zumindest) die Vorstellung der Entstehung durch eine Vermittlung der Sinne einschließen. Eben darum gehört ihre Untersuchung für Hume in die (die Physiologie in sich begreifende) Anatomie.
    23) Hume: connexion or association of ideas. Unser "Verknüpfung" entspricht überall Humes "connexion"; association geben wir mit Assoziation wieder. Die connexion oder association ist wohl zu unterscheiden von der "union" oder Vereinigung von Vorstellungen. Wir vereinigen (unite) Vorstellungen, d. h. wir fügen sie zueinander oder gehen von einer zu anderen über, bald willkürlich, bald geleitet oder genötigt durch die zwischen Vorstellungen bestehende connexion oder association. Connexion oder association ist der Zusammenhang zwischen Vorstellungen, der unter Umständen die "union"  bedingt,  ein uniting principle oder principle of union. "Conjunction" oder "Verbindung" ist das Zusammen oder Miteinandergegebensein von Objekten in der Erfahrung. Inkonsequenzen in der Anwendung der bezeichneten Ausdrücke fehlen freilich nicht.
    24) Hume: contiguity in time or place. Die Übersetzung mit "Berührung" in Raum und Zeit ist sprachwidrig. Gemeint ist der unmittelbare Zusammenhang. Der Einfachheit halber geben wir später auch gelegentlich die contiguity mit Kontiguität wieder.
    25) Hume: bond, Band, Zusammenhang.
    26) Hume: principles of union or cohesion. Das letztere ist ein ausnahmsweiser Ausdruck.
    27) Hume: union or association. Genauer wäre: dieser auf Assoziation beruhenden Vereinigung.
    28) Letzteres ist mißverständlich. "Beziehungen" in jenem ersteren, engeren Sinn, Hume sagt nachher: natürliche Beziehungen, sind Arten des Zusammenhangs, Faktoren einer connexion oder association der Vorstellungen. Beziehungen im letzteren, weiteren Sinne oder "philosophische" Beziehungen sind alle diejenigen Beziehungen oder Verhältnisse zwischen Vorstellungen oder Vorstellungsobjekten, die uns bei beliebiger Vergleichung oder gedanklicher Aufeinanderbeziehung von solchen zum Bewußtsein kommen. Eine solche Beziehung ist auch die Beziehung der möglichsten Zusammenhangslosigkeit. Die natürlichen Beziehungen sind zugleich philosophische, aber nicht umgekehrt.
    29) Hume, wiederum mißverständlich: subject of comparison.
    30) Hume sagt hier zu wenig. Genau genommen ist eben durch den Umstand, daß irgendeine Ähnlichkeit oder Vergleichbarkeit bei jeder "philosophischen" Beziehung vorausgesetzt ist, für Hume von vornherein  ausgeschlossen,  daß jede Ähnlichkeit zwischen Objekten eine Assoziation begründet, d. h. das Vorstellen vom einen Objekt zum anderen hin nötigt. Wäre dies nicht der Fall, so wäre ja notwendig jede philosophische Beziehung zugleich eine natürliche.
    31) Es sei darauf aufmerksam gemacht, daß Hume hier, wie sonst, nicht von der Identität rede, die jedem Objekt in  jedem Moment  mit sich selbst eignet, sondern lediglich von der Identität des  Dauernden,  als von der Identität in  verschiedenen Zeiten. 
    32) Hume: contrariety. Gemeint ist der Widerstreit oder Gegensatz im Sinne eines wechselseitigen sich Aufhebens oder Ausschließens. Dabei wird mit Recht unterschieden 1) der Widerstreit, in dem Objekte des Bewußtseins als solche stehen, d. h. der logische Widerstreit oder der Widerspruch. Ein solcher besteht nur zwischen Sein und Nichtsein, Bejahung und Verneinung von ein und demselben Objekt. 2) Der Widerstreit oder die wechselseitige Ausschließlichkeit, über die uns erst die Erfahrung belehrt. So besteht zwischen Feuer und Wasser kein (logischer) Widerspruch, die Erfahrung sagt uns aber, daß sie sich  tatsächlich  entgegenstehen, d. h. in ihren Wirkungen aufheben. Ebenso sagt uns die Erfahrung, daß die Wärme die Kälte aufhebt usw.
    33) Hume: difference of number und difference of kind.
    34) Hume: collection of simple ideas
    35) Hume: inhere (inhärieren).
    36) Über den Begriff der contiguity siehe Anmerkung 24.
    37) Hume: notion, Gesamtvorstellung, Gesamtbild
    38) Hume denkt an den Tanz, den mehrere räumlich getrennte Personen ausführen. Die Bewegungen, aus denen er besteht, stehen insofern nicht in einer Beziehung der Kontiguität zueinander; ebensowenig ist die eine die Ursache der anderen. Dagegen besteht die Schönheit, einer Gestalt etwa, aus Elementen, die unmittelbar miteinander verbunden sind.
    39) Er ist einleuchtend, sofern der Modus zu einem bestimmten wird eben durch die Beschaffenheit der Elemente, die ihn konstituieren. Andere Elemente ergeben danach einen anderen Modus. Dagegen ist bei der Substanz das Ausschlaggebende die Zusammengehörigkeit oder die Notwendigkeit des Zusammenseins, das die Elemente verbindende Band, die connexion, das uniting principle. Ein Element derselben Substanz bildet, was immer von demselben Band oder verknüpfenden Prinzip mitumfaßt wird, oder was zu denselben anderweitigen Elementen nach Aussage der Erfahrungen mit  hinzugehört. 
    40) Das heißt durch eine bestimmte allgemeine Vorstellung repräsentierten.
    41) Hume: conception
    42) Hume: notion. "Notion" ist hier ebenso, wie vorher conception, = Vorstellung.
    43) Dieser Satz, auf den Hume wiederholt Gewicht legt, wird verständlich, wenn man bedenkt, daß es sich hier, im Gegensatz zu der nachher besprochenen distinction of reason (= Unterscheidung durch Vernunft, begriffliche oder gedankliche Unterscheidung) lediglich um die Unterscheidung in der Vorstellung handelt. Die Frage ist: Wenn ich mir einmal eine Kugel, das andere Mal die Farbe dieser Kugel vorstelle, habe ich dann verschiedene Vorstellungen? Offenbar muß die Frage verneint werden. Dann ist also zwischen der Kugel und ihrer Farbe in der Vorstellung, oder soweit die diesen Worten entsprechenden Vorstellungsinhalte in Betracht kommen, kein Unterschied. Diese hindert doch nicht, daß beides für uns verschieden ist. Der "Kugel" und der "Farbe der Kugel" entspricht ein und dieselbe Vorstellung; aber so, daß diese eine Vorstellung jedesmal von uns in einem verschiedenen Licht oder nach verschiedenen Seiten betrachtet wird. Die Kugel ist das vorgestellte Objekt, sofern es mit einer beliebigen andersgefärbten Kugel übereinstimmt; die Farbe der Kugel ist das gleiche Objekt, sofern es mit einem gleichgefärbten Würfel, Dreieck etc. übereinstimmt. Im Gegensatz zur Kugel und ihrer Farbe sind der Kopf und der Rumpf eines Menschen verschiedene Vorstellungen oder in der Vorstellung, nicht erst für verschiedene Betrachtungsweisen verschieden. Zugleich sind beide in der Einbildungskraft trennbar: ich kann mir den Kopf für sich, und den Rumpf für sich vorstellen; während ich nicht ebenso die Kugel und ihre Farbe für sich vorstellen kann. So sind überhaupt Objekte in der Einbildungskraft trennbar, dann und nur dann, wenn sie im Humeschen Sinne in der Vorstellung, nicht bloß für eine distinction of reason, verschieden sind. Der Satz Humes ist, so, wie er dasteht, so einleuchtend oder so selbstverständlich, wie Hume annimmt.
    44) Erfahrung unmöglich, heißt nichts anderes als: der Gegenstand ist überhaupt nicht vorstellbar, es kann eine ihm entsprechende Vorstellung (oder eine "klare und deutliche" Vorstellung von ihm) nicht vollzogen werden. Die "Ungereimtheit" oder apriorische Unmöglichkeit eines Gegenstandes ist die Unmöglichkeit desselben für unser  Vorstellen.  Nur wenn durch den Gedanken der Wirklichkeit oder die "Beziehung auf einen (wirklichen) Gegenstand" in die Vorstellung ein neues Merkmal hineinkäme, also die Vorstellung dadurch eine Veränderung erführe, könnte möglicherweise eine Bestimmung mit dieser veränderten Vorstellung, also mit dem wirklichen Gegenstand unverträglich, und doch zugleich mit der unveränderten Vorstellung, d. h. derjenigen, deren Inhalt nicht als wirklich gedacht (nicht auf einen Gegenstand bezogen) wird, verträglich erscheinen.
    45) Hume einfach: a certain custom.
    46) (In diesen Zusammenhang gehört noch folgende Anmerkung im Anhang zum dritten Band der Originalausgabe:) Offenbar können auch verschiedene einfache Vorstellungen  Ähnlichkeit  oder  Übereinstimmung  zeigen, ohne daß darum der Punkt oder das Moment ihrer Übereinstimmung von dem, was sie unterscheidet, unterschieden oder trennbar zu sein brauchte. Blau und grün sind voneinander verschiedene einfache Vorstellungen; sie stimmen aber in höherem Grad untereinander überein, als Blau und Scharlachrot; und doch schließt ihre vollkommene Einfachheit jede Möglichkeit der Trennung oder Unterscheidung aus. Es verhält sich ebenso mit einzelnen Tönen, Geschmäcken, Gerüchen. Diese ergeben bei unserer zusammenfassenden Betrachtung und Vergleichung unendlich vielfache Ähnlichkeitsbeziehungen, ohne daß sie doch ein besonderes gemeinsames Moment hätten. Daß dies möglich ist, davon kann uns schließlich eben der abstrakte Ausdruck "Einfache Vorstellung" überzeugen. Er begreift alle einfachen Vorstellungen unter sich. Und doch kann, da die einfache Vorstellung als solche jede Zusammensetzung ausschließt, das Moment, in dem sie übereinstimmen, von ihrem sonstigen Inhalt nicht unterschieden oder getrennt werden. Es steht ebenso mit den verschiedenen Graden irgendeiner bestimmten Qualität: Sie sind sich sämtlich ähnlich und doch ist in keinem einzelnen Fall die Qualität selbst von ihrem Grad unterschieden.
    47) Hume: distinction of reason. Man könnte übersetzen: gedankliche, begriffliche Unterscheidung, oder nach dem, was Hume nachher sagt: Unterscheidung durch Reflexion oder durch die Betrachtungsweise.