ra-2A. Schäfflevon EhrenfelsA.LiebertG. Myrdal    
 
HEINRICH COHN
Die subjektive Natur des Wertes
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    § 1. Der Begriff "Gut"
§ 2. Der Begriff "Wert"
§ 3. Verhältnis der Begriffe Wert und Gut.
§ 4. Die Bildung des Werturteils
§ 5. Der Tausch
§ 6. Die objektiven Werte
§ 7. Preis und Wert
§ 8. Angebot und Nachfrage
§ 9. Preis und Herstellungskosten

"Das Bedürfnis ist die Quelle jeder Wertbestimmung. Ohne Bedürfnis kein Wert."

"Der Wert der Gegenstände ist also durchaus subjektiv, das heißt, er haftet nicht an den Gegenständen selbst, sondern ist abhängig vom Urteil der Menschen, die mit ihnen zu tun haben. Die Verschiedenheit der Menschen bedingt die Verschiedenheit der Werturteile."

"Je höher die Kultur bei einem Volk steigt und je tiefer die Menschen das wahre Wesen der Dinge und ihrer eigenen Natur erforschen, umso größer wird die Zahl der wahren, um so geringer die Zahl der eingebildeten Güter."


§ 8.
Angebot und Nachfrage

Anscheinend sprechen gewisse Erscheinungen, die man beim Preis wahrnehmen kann, gegen die entwickelte Theorie. Wenn der Wert nach unserer Theorie vom subjektiven Belieben des Einzelnen abhängig ist, also sehr verschieden sein kann, je nach der Individualität, die der Sache gegenübersteht, so müßte doch auch der Preis derselben Sache völlig verschieden sein, je nach der Individualität des Käufers. In der Regel aber werden für dieselben Gegenstände auch dieselben Preise gezahlt. Man müßte also doch gerade aus der Gleichmäßigkeit des Preises derselben Sache bei verschiedenen Käufern den Schluß ziehen, daß die Eigenschaften der Sache ihren Preis und also ihren Wert bestimmen und nicht das Urteil oder das Empfinden des einzelnen Käufers.

Am Beispiel des Äpfel verkaufenden MÜLLER haben wir gezeigt, wie die Gleichmäßigkeit des Preises gegenüber verschiedenen Personen entsteht. Er muß einen Durchschnittspreis fixieren, den er wohl auch von den meisten Käufern widerspruchslos erhalten wird, vorausgesetzt, daß er mäßig berechnet ist. Trotzdem würde aber auch in diesem Fall die Individualität eine Rolle spielen, indem einzelne Käufer die Äpfel zum festgesetzten Preis nicht kaufen wollen und es dann sowohl auf die Individualität des MÜLLERs als auch des Käufers ankommen wird, ob und über welchen Preis sie sich einigen wollen.

Es kommt aber hier noch ein Moment in Betracht, welches auf die Gleichmäßigkeit des Preises derselben Ware hinwirkt. Die wenigsten Käufer einer Ware sind vollendete Sachkenner, sie empfinden das Bedürfnis nach einem Gegenstand, legen ihm im Verhältnis zum Geld einen bestimmten Wert bei, der sich in gewissen Grenzen von einem Maximum bis zu einem Minimum bewegt und gehen in dieser Stimmung zum Verkäufer. Übersteigt der festgesetzte Preis das Maximum ihrer Wertschätzung, so werden sie, falls der Verkäufer sich nicht zu einer Herabminderung des Preises versteht, auf den Kauf zu verzichten, fällt aber der festgesetzte Preis in ihre Wertschätzung hinein, so werden sie ohne langes Zögern die verlangte Summe bezahlen, weil sie sich sagen, der festgesetzte Preis wird wohl der richtige sein, da die andern ihn auch bezahlen. Diese Rücksicht auf das, was die andern tun, hervorgegangen aus der Herdennatur und dem Nachahmungstrieb der Menschen, ist der hauptsächlichste Grund, aus dem ein einmal festgesetzter Preis für eine Ware von den meisten Personen anerkannt wird. Dieser Nachahmungstrieb ist aber nicht allein für den jedesmaligen Preis, sondern für die Wertbestimmung überhaupt von größtem Einfluß. Es gibt nur wenige Menschen, die frei und unbeeinflußt von der Meinung ihrer Nebenmenschen entscheiden, was zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse dienen soll.

Die Gleichmäßigkeit des Preises, welche manche Waren im Verkehr zeigen, ist also keineswegs ein Beweis dafür, daß die Eigenschaften der Ware selbst ihren Wert und Preis bestimmen, sondern sie beruth einerseits auf der Schwierigkeit, die es für den Verkäufer hat, sich mit dem subjektiven Empfinden jedes einzelnen seiner Käufer vertraut zu machen, andererseits auf Seiten der Käufer auf dem allgemeinen Nachahmungstrieb, der das Urteil der Menschen beeinflußt, aber von den wirklichen Eigenschaften der Sache hängt sie zumindest nicht unmittelbar ab. Übrigens kann von einer Gleichmäßigkeit des Preises immer nur innerhalb eines kurzen Zeitraums und eines kleinen Gebietes die Rede sein.

Es ist eine bekannte Eigentümlichkeit des Menschen, daß er das am meisten begehrt, was am schwersten zu erlangen ist und daß er das gering schätzt, was ihm in Fülle zu Gebote steht. Auf die Wichtigkeit dieser Tatsache für die Wertbestimmung weist bereits der Begriff des Bedürfnisses hin, welcher das Bewußtsein eines Mangels voraussetzt. Erst mit der Gefahr, einen Gegenstand missen zu müssen, beginnt sein Wert und er wird umso größer, je größer diese Gefahr wird. Das ist der Grund, warum seltenen Gegenständen ein so großer Wert beigelegt wird und warum Raritäten so hohe Preise erhalten. Auch hier spielt indessen die Individualität eine große Rolle; insbesondere wird das Bedürfnis nach seltenen Dingen nicht von jedermann in demselben Maß empfunden und die hohen Preise, die mitunter für Raritäten gezahlt werden, erscheinen vielen Personen als unsinnig. Wie sehr die Furcht, eine Sache missen zu müssen, ihren Wert für viele Personen steigert, erkennt man aus den hohen Preisen, die oft auf Auktionen gezahlt werden. Was freihändig verkauft wird, muß nicht sofort einen Käufer finden; man glaubt auch später noch in der Lage zu sein, es erwerben zu können und daher wird das Bedürfnis nach dem Gegenstand nicht so lebhaft empfunden. Bei Auktionen dagegen hat man die Gefahr, daß der ersehnte Gegenstand in die Hände des andern gerät, lebhaft vor Augen, man sieht die Mitbewerber neben sich und hört ihre Angebote, die Gefahr des Überbotenwerdens erhöht den Reiz des Bietens, steigert den Wunsch nach dem Besitz des Gegenstandes, erhöht auf diese Weise seinen Wert und bewirkt schließlich, daß ein Preis für den Gegenstand erzielt wird, bis zu dem keiner der Bietenden ursprünglich sich zu versteigen beabsichtigte.

Was hat also hier den Wert des versteigerten Gegenstandes erhöht? Seine Eigenschaften? Ist sein "objektiver" Wert größer geworden? Oder sein "Tauschwert"? Menschliche Eigentümlichkeiten, wenn man will menschliche Schwächen, weit weniger beeinflußt durch die Eigenschaften der Sache als durch Nebenumstände, die zum Wesen der Sache in gar keinen Beziehungen standen, haben Wert und Preis der Sache bestimmt. Diese menschlichen Eigentümlichkeiten sind es dann auch, auf die das alte, bekannte "Gesetz" zurückzuführen ist, daß der Preis einer Sache durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bestimmt wird oder richtiger im Verhältnis zu unserer Meinung über Angebot und Nachfrage. - Ein Gegenstand hat, wenn er in größerer Quantität vorhanden ist, wenn also seine Erlangung uns leichter wird, für uns geringeren Wert, als wenn er in geringerer Quantität vorhanden und die Gefahr, ihn entbehren zu müssen, dadurch größer ist.

Die Eigenschaften einer Sache, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen, bleiben dieselben, gleichviel ob sie in geringer oder großer Anzahl vertreten ist. Der Inhalt eines Buches ist derselbe, ob das Buch vergriffen ist oder in hunderttausend Exemplaren den Markt überschwemmt. Aber im letzteren Fall pflegt das Buch weniger Wert zu haben als im ersteren. Der Inhalt des Buches ist also an dieser Wertdifferenz unschuldig; was den Wert erhöht oder erniedrigt, ist eine menschliche Eigentümlichkeit, die zum Wesen der Sache in gar keiner Beziehung steht. In Fällen von Mißernte steigt der Preis des Roggens, auch wenn dieser in der Qualität schlechter ist. Der Preis steigt, weil der Wert gestiegen ist und der Wert ist gestiegen, d. h. die Menschen schätzen jetzt den Roggen im Vergleich zum Geld als Mittel zur Befriedigung eines Bedürfnisses höher, weil die Furcht sie befallen hat, sie könnten in die Lage kommen, ihn entbehren oder später noch teurer bezahlen zu müssen.

Menschliche Bedürfnisse, menschliches Urteil, menschliche Eigentümlichkeiten bestimmen also allein Wert und Preis der Dinge, die Herdennatur des Menschen schränkt die Verschiedenheit im subjektiven Empfinden der einzelnen Menschen ein und bewirkt daher eine gewisse Gleichmäßigkeit in der Wertschätzung und Preisbildung. Die Eigenschaften der Dinge selbst können insofern Einfluß auf den Preis gewinnen, als sie das Urteil der Menschen bestimmen, sie stehen somit im Rang von anderen das Urteil bestimmenden Faktoren gleich; dem subjektiven Empfinden sind sie subordiniert. Das Gesetz, welches nach der allgemein verbreiteten Annahme den Preis einer Sache bestimmen soll, das Gesetz von Angebot und Nachfrage, erweist sich als ein Ausfluß und eine Bestätigung dieser Theorie.


§ 9.
Preis und Herstellungskosten

Seit langer Zeit ist auf die Bedeutung hingewiesen worden, welche die Produktionskosten einer Ware für deren Wert besäßen und man hat diese Bedeutung schließlich in die Formel gekleidet, daß die Produktionskosten einer Ware ihren Preis oder zum Mindesten die Minimalgrenze ihres Preises normieren. Damit ist nun gerade das Gegenteil von dem gesagt, was wir als entscheidend für den Wert einer Sache erkannt haben. Wenn die Produktionskosten den Preis, also den Wert einer Sache bestimmen, dann schafft sich eben die Sache selbst ihren Wert, unabhängig vom Belieben des jeweiligen Subjektes, das der Sache als Verkäufer oder Käufer gegenübersteht.

Wert ist das Verhältnis, in welchem wir zwei Gegenstände als Mittel zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse schätzen. Dieses Verhältnis wird bestimmt durch unser subjektives Urteil über die Brauchbarkeit beider Gegenstände; unser subjektives Urteil wiederum wird in erster Linie durch die Stärke unserer Bedürfnisse bestimmt. Das Bedürfnis ist also die Quelle jeder Wertbestimmung. Ohne Bedürfnis kein Wert. Was hat nun das Bedürfnis mit den Produktionsstoffen der Gegenstände zu schaffen? Wird etwa das Bedürfnis wieder durch die Kosten bestimmt, so daß also die Kosten der Dinge die allererste Quelle ihres Wertes wären? Meldet sich der Hunger erst, wenn der Mensch weiß, wie hoch die Produktionskosten eines Brotes sind?

So kann die Sache natürlich nicht liegen. Und doch besteht unzweifelhaft ein Zusammenhang zwischen dem Preis der Waren und den Kosten, die zu ihrer Herstellung verwendet werden. Darüber kann kein Zweifel herrschen, daß nicht das Bedürfnis der Produktion wegen, sondern die Produktion des Bedürfnisses wegen da ist. (1) Die Produktion ist die Sklavin des Bedürfnisses und als solche kann sie nicht gleichzeitig Herrin über etwas sein, dessen Herrschaft dem Bedürfnis allein zukommt, nämlich Herrin über den Wert der Dinge. Wohl aber kann sich die Produktion, wie sie sich nach dem Bedürfnis richtet, auch nach dem aus dem Bedürfnis abgeleiteten Wert der Dinge richten. Und das ist auch der Fall und ist der eigentliche Sinn des Zusammenhangs zwischen Produktionskosten und Wert. Nicht die Produktionskosten bestimmen den Wert, sondern der Wert bestimmt die zulässige Höhe der Produktionskosten.

Nehmen wir an, der Hunger hat sich bei MÜLLER gemeldet und erzeugt in ihm den Wunsch nach Brot. Dieser Wunsch veranlaßt MÜLLER dem Brot einen Wert beizulegen, d. h. es mit anderen Dingen, zum Beispiel mit einer bestimmten Geldsumme zu vergleichen und dem Brot den Vorzug vor dieser Geldsumme zu geben. Nachdem er diese Wertbestimmung getroffen hat, geht er zum Bäcker SCHULZE, welcher seinerseits ebenfalls bereits eine Wertbestimmung über das Brot getroffen hat. Diese Wertbestimmung beruth allerdings auf einer anderen Grundlage als die MÜLLERsche; nicht das eigene Bedürfnis, denn SCHULZE konnte die Brote, die er hat, gar nicht alle aufessen, sondern die Rücksicht auf das Bedürfnis anderer hat ihn dazu veranlaßt, das Brot zu backen. Er hat für die Herstellung des Brotes eine bestimmte Geldsumme geopfert, das Brot schien ihm also mehr Wert zu haben als diese Geldsumme und zwar deswegen, weil er annahm, daß es auch für die übrigen Menschen mehr Wert haben würde.

Der Wert des Brotes ist also auch für den Bäcker nicht bestimmt durch die Herstellungskosten, sondern durch die Meinung über den Wert, den das Brot für andere hat und aufgrund dieses Wertes überlegt er, wie groß die Herstellungskosten sein dürfen. Nun kommt MÜLLER zum Bäcker und die beiden Wertbestimmungen des Brotes treffen zusammen. Berühren sich diese beiden Wertbestimmungen, dann erhält das Brot einen Preis. Es ist anzunehmen, daß dieser Preis nicht geringer ist als die Produktionskosten des Brotes, weil diese das Minimum der Wertschätzung des Bäckers bilden. Diese Tatsache kann dann zu dem Trugschluß verleiten, als hätten die Herstellungskosten des Brotes seinen Preis bestimmt; in Wirklichkeit war nur die Meinung des Bäckers über den Wert, welchen MÜLLER dem Brot beilegen würde, richtig.

Nehmen wir aber an, der Bäcker hätte sich geirrt, und die Geldsumme, welche er zur Anfertigung des Brotes verwendet hat, überstiege die Summe bei weitem, welche MÜLLER für das Brot fortzugeben bereit ist, dann wird zunächst ein Übereinkommen über den Preis zwischen MÜLLER und dem Bäcker nicht erzielt werden, weil das Minimum der Wertschätzung des Bäckers größer ist als das Maximum der Wertschätzung MÜLLERs. MÜLLER wird ohne das Brot fortgehen und seinen Hunger auf andere Weise zu stillen suchen. Wenn aber auch die übrigen Kunden des Bäckers dessen Wertschätzung des Brotes nicht teilen und dem Beispiel MÜLLERs folgen, dann wird dem Bäcker schließlich keine Wahl bleiben, als die vorhandenen Brote zunächst unter den Produktionskosten, also mit Verlust, zu verkaufen. Bei der nächsten Herstellung von Broten aber wird diese Erfahrung, um welche er reicher geworden ist, ihren Einfluß ausüben. Seine Wertschätzung des Brotes ist eine andere geworden, denn sie hängt davon ab, welches die Wertschätzung seiner Kunden ist. Das Brot wird ihm daher weniger wert erscheinen, als die Geldsumme, welche er bisher für die Herstellung des Brotes ausgegeben hat und er wird diese Geldsumme infolgedessen nicht mehr opfern wollen. Er wird also entweder überhaupt aufhören zu produzieren oder er wird, was das wahrscheinlichere ist, versuchen, ob er nicht mit geringeren Opfern dasselbe produzieren kann.

Ehe der Stillstand einer Produktion wieder einen fühlbaren Mangel des Gegenstandes hervorgerufen hat und damit seinen Wert wieder erhöht hat, werden viele Produzenten genötigt sein, ihre vorhandenen Vorräte unter dem Kostenpreis zu verkaufen und sie würden sich dann vergeblich auf die verbreitete Theorie berufen, daß der Preis einer Ware durch die Herstellungskosten bestimmt wird.

Umgekehrt wird das Steigen des Wertes eines Gegenstandes (infolge eines Modewechsels, eines neuerwachten Bedürfnises, einer neuen wissenschaftlichen Erkenntnis usw.) die Produktion auch da ermöglichen, wo sie früher zu großer Kosten wegen nicht möglich war.

Bei steigender Nachfrage und Verringerung der Herstellungskosten wird nicht eine Verbilligung sondern eine Preissteigerung eintreten. 

Wenn also bestritten werden muß, daß die Herstellungskosten für den Preis der Waren unmittelbar bestimmend sind, so soll deswegen nicht geleugnet werden, daß sie vorübergehend von Einfluß sein können und zwar dadurch, daß sie auf einen der wertbildenden Faktoren einwirken. So können Gegenstände, die bisher selten waren, weil ihre Produktion wegen zu großer Kosten sich nicht lohnte, durch eine neue billigere Produktionsmethode plötzlich massenweise auf den Markt kommen und dadurch von ihrem Wert, den die Seltenheit ihnen verlieh, verlieren und billiger werden. Überhaupt wird jede billigere Produktionsmethode zunächst die Folge haben, den Wert des Gegenstandes herabzudrücken und zwar deswegen, weil der Fabrikant im eigenen Interesse versuchen wird, durch das billigere Fortgeben des Gegenstandes einen größeren Absatz zu erzielen. Hierdurch verringert er die Wertschätzung der Ware bei den Käufern und diese Verringerung der Wertschätzung wirkt wieder auf die übrigen Produzenten zurück, welche nun ihrerseits gezwungen sind, die Produktionskosten zu verringern. In diesem Falle spielen also die Produktionskosten etwa dieselbe Rolle, wie die Eigenschaften einer Sache sie spielen können. Sie wirken auf das menschliche Urteil ein und erlangen damit indirekt Einfluß auf den Wert. Der Einfluß der Herstellungskosten auf den Wert und den Preis ist somit häufig vorhanden, er kann aber, wie ersichtlich, nur indirekt sein und deshalb (was namentlich in kartellierten Industrien nicht selten ist) durch geeignete Maßregeln der Interessenten gehindert werden. Daß es der Preis ist, welcher die Grenze der zulässigen Herstellungskosten bestimmt und nicht umgekehrt die Kosten für den Preis entscheidend sind, ist in der Grundrententheorie durchaus richtig nachgewiesen worden. Die Grundrente beruth auf den Vorzügen, die ein Grundstück vor anderen in Bezug auf das Verhältnis des Ertrags und der zur Erzielung des Ertrages aufzuwendenen Kosten genießt. Sei es, daß diese Vorzüge rein natürlicher Art sind, wie fruchtbarer Boden, sei es, daß sie gesellschaftlichen Faktoren entspringen, wie der Nähe zu einer großen Stadt, der Lage an der Eisenbahn etc. etc.

Bei Waren, welche, wie Getreide, einen Börsen- oder Marktpreis haben, wird am gleichen Markt für die gleiche Quantität zur selben Zeit ungefähr der gleiche Preis gezahlt, denn was ich für drei Mark haben kann, werde ich nicht mit vier Mark bezahlen. Welche Kosten der Produzent, also der Gutsbesitzer, gehabt hat, darum kümmert sich der Käufer nicht. Er wird nicht etwa deshalb, weil ein Gutsbesitzer eine schlechtere Ernte gehabt hat, der Zentner Weizen ihn also mehr kostet, ihm etwa aus Gutmütigkeit dafür mehr bezahlen. Er zahlt den Marktpreis und überläßt es dem einzelnen Verkäufer, wie er bei diesem Preis zustande kommt. Einen Vorteil haben also diejenigen auf dem Markt, welche bei gleichen Kosten einen größeren Ertrag abliefern, also z. B. die Besitzer eines fruchtbaren Bodens, wie auch diejenigen, deren Kosten geringer sind - also z. B. diejenigen, deren Transportkosten sich infolge einer besseren Lage niedriger stellen. Es ist klar, daß mit steigender Kultur und Bevölkerung mehr und mehr auch auf solche Güter und Grundstücke zurückgegriffen werden muß, welche unter ungünstigeren Produktionsbedingungen arbeiten. Wie spielt sich der Vorgang ab? Infolge zunehmender Bevölkerung steigt die Nachfrage nach Brotgetreide und deshalb heben sich die Preise. Bei den höheren Preisen können dann aber auch unter ungünstigeren Bedingungen arbeitende Güter die Produktion aufnehmen. Der Vorgang ist aber nicht etwa umgekehrt der, daß die schlechteren Grundstücke die Produktion aufnehmen und deshalb die Preise steigen. (2)

Bei Gegenständen, welche in beliebiger Menge (über den Bedarf hinaus) erzeugt werden können, ist der Zusammenhang nicht so deutlich. Hier wird wie bemerkt häufig die Verbilligung der Produktionskosten zur Herabminderung der Preise führen, während da, wo die Produktion einen monopolartigen Charakter hat, wie bei der Bearbeitung des nicht beliebig vermehrbaren Bodens, der Preis mehr zu den höchsten zulässigen Kosten neigen wird. Dadurch bleiben auch diejenigen existenzfähig, welche unter ungünstigeren Bedingungen arbeiten und hieraus erklärt sich, daß bei der Bearbeitung des Grund und Bodens nicht jene Tendenz des Zusammenschlusses zu Großbetrieben vorherrscht, welche auf dem Gebiet der Industrie für unsere Zeit so charakteristisch ist.

Daraus ergibt sich deutlich, daß der letzte Grund des Preises nicht die Kostenhöhe ist, sondern die relative Seltenheit. Unser Bedürfnis, das Habenwollen, ist stärker bei Gegenstände, welche uns nicht in beliebiger Menge erreichbar sind. So ist die Theorie der Grundrente eine Bestätigung des Satzes, daß der Preis die zulässigen Kosten bestimmt und sich der Preis nicht umgekehrt nach den Kosten richtet.

Dasselbe gilt von der wichtigsten "Ware", der menschlichen Arbeitskraft. Das eherne Lohngesetz RICARDO-LASSALLEs, daß der Lohn des Arbeiters nach dem Existenzminimum des Arbeiters gravitiert, ist augenscheinlich nichts anderes, als die Anwendung des Satzes, daß die Herrstellungskosten den Preis bestimmen. Was der Arbeiter "kostet", das erhält er als Lohn. Nun ist es klar, daß die notwendige Lebenshaltung des Arbeiters, sein  standard of life  sich nur sehr langsam ändert, während die Löhne oft sehr schnell sehr starken Verschiebungen unterliegen. So hat man 1895 in England, als der Goldschwindel ein starkes Geschäft brachte und deshalb ein weit zahlreicheres Personal nötig war, besseren Schreibern 20 - 60 Mark täglich an Lohn bezahlt. Umgekehrt führt ein genügend starker Rückgang in der Konjunktur eines Geschäftszweiges auch zur Herabsetzung der Löhne. Das wird von den Arbeitern durchaus eingesehen, die bei fallender Konjunktur in eine Reduktion der Löhne einwilligen und bei steigender Produktion in Streiks eintreten. Denn nur wenn die für das Arbeitsprodukt gezahlten Preise entsprechend hoch sind, ist eine Erhöhung der Löhne möglich. Zugleich ist aber auch nur in solchen Zeiten der Arbeiter in der Lage, mit Erfolg einen Streik zu beginnen, weil nur in solchen eine starke Nachfrage nach Arbeitskräften herrscht. Auch bei der menschlichen Arbeit richtet sich der Preis nach Angebot und Nachfrage.

Daß der Preis sich nach den Herstellungskosten richtet, ist von vornherein ausgeschlossen bei Gegenständen, welche man nicht herstellen kann, wie zum Beispiel Grund und Boden, Kunstwerken, deren Schöpfer gestorben sind etc. etc. Es ist augenscheinlich nicht zulässig, zwei Preistheorien nebeneinander zu haben, die eine für Gegenstände, welche man in großen Mengen neu schaffen kann, die andere für alle anderen Gegenstände. Denn die Phänomene des Wertes und Preises sind nicht verschieden nach den verschiedenen Arten der Gegenstände. Deshalb muß eine Theorie des Preises für alle Preisfälle Gültigkeit haben, was in der Tat von der Preistheorie gilt, die Angebot und Nachfrage entscheidend sein läßt. Und wenn es in einer Anzahl von Fällen empirisch richtig ist, daß der Preis nach den Herstellungskosten gravitiert, so darf man aus diesem partiellen Erfahrungssatz nicht einen allgemeinen theoretischen Satz machen. Die stärkere Potenz ist der Preis, der durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird und dem Preis schmiegen sich die Kosten der Produktion an.

Der Wert der Gegenstände ist also durchaus subjektiv, das heißt, er haftet nicht an den Gegenständen selbst, sondern ist abhängig vom Urteil der Menschen, die mit ihnen zu tun haben. Die Verschiedenheit der Menschen bedingt die Verschiedenheit der Werturteile.

Es liegt indessen in der Tendenz unserer Kultur, die Verschiedenheit der Menschen in Bezug auf ihre Bedürfnisse möglichst auszugleichen und zwar wirken nach dieser Richtung sowohl die Lebensbedingungen unserer Industrie, also der Produktion, wie die sozialen Instinkte der Konsumenten. Unsere Industrien beruhen auf Massenproduktion. Darauf, daß derselbe Gegenstand in tausenden und zehntausenden von Exemplaren gleichmäßig hergestellt wird. Hierbei werden im Einzelnen Mißgriffe gemacht, von Waren, die gefallen zu haben scheinen oder wirklich gefallen haben, wendet sich der Geschmack ab, lokale Gewohnheiten sind der Verbreitung einer Ware hinderlich und dergleichen mehr. Aber alles in allem erweist sich die Gesamttendenz erfolgreich möglichst nicht im Auftrag für einzelne Individuen, sondern für alle und jeden auf Vorrat zu arbeiten. Auch der Handel hat diese Entwicklung durchgemacht. Vom Kaufmann der früheren Generation, der mit psychologischem Instinkt jeden Kunden nach seinen Verhältnissen und Charaktereigenschaften im Preis differenzierte, bis zum modernen Kaufgeschäft, welches Massenware in den Markt bringt und dadurch in der Lage ist, feste Preise zu bestimmen. Die Tendenz der Industrie und des Handels, Massenware zu fertigen und zu verkaufen, kann aber nur dadurch erfolgreich sein, daß ihre eine analoge Sinnesrichtung der Konsumenten entspricht.

Man hat mit Recht als Charakteristikum unserer Zeit ihre demokratisierende, gleichmachende Tendenz hervorgehoben. Diese hat sich nicht wenig auch im wirtschaftlichen Leben als mächtig erwiesen. Aristokratische Zeiten sind in Bezug auf die Produktion weitaus individueller als demokratische, in aristokratischen Zeiten blüht das Kunstgewerbe, welches für jeden Käufer den Gebrauchsgegenstand besonders herstellt und fertigt. Das Wesen der Aristokratie beruth im Geltendmachen der Persönlichkeit, welche sich auch in den Gegenständen ihres Konsums äußert und auslebt. Je mehr sich die Gesellschaft demokratisiert, umso mehr ersetzt der mehr schematische Komfort den kapriziösen Luxus, umso mehr wird die Lebensweise der verschiedenen Bevölkerungsschichten ähnlicher. (3) Um die Großbazare möglich zu machen, war der Massencharakter der Produktion nicht ausreichend, auch die Käufer mußten zuerst einen Massencharakter angenommen haben. Mit dieser Demokratisierung also, welche vielleicht die schöpfersiche Individualität unberührt läßt, die Menschen in ihrer Lebensweise aber zweifellos annähert, ist eine Art Uniformierung der Bedürfnisse und der Bedürfnisbefriedigung verbunden. Das Werturteil bleibt zwar nachwievor subjektiv, aber die Subjekte, die es fällen, nähern sich mehr und mehr einem durchschnittlichen Typus. Der vermutliche Wert für den Käufer (Tauschwert) kann nunmehr weit sicherer geschätzt werden, weil der Käufer jetzt tatsächlich etwas von einem Durchschnittsmenschen hat; ohne die Möglichkeit dieses ungefähren Voraussetzens wäre unsere Massenproduktion auf Vorrat nicht denkbar.

Aber wenn die Menschen sich ähnlicher werden, so hört doch damit ihre Individualität nicht auf und die zunehmende Regelmäßigkeit der Preise ist ebensowenig ein Beweis gegen die subjektive Natur des Wertes, wie die zahlenmäßige Regelmäßigkeit, mit der die einzelnen Verbrechen alljährlich begangen werden, ein Beweis gegen die individuelle Verschiedenheit der Charaktere ist.
LITERATUR - Heinrich Cohn, Die subjektive Natur des Wertes, Berlin 1899
    Anmerkungen
    1) RUDOLF STOLZMANN, Die soziale Kategorie in der Volkswirtschaftslehre, Berlin 1896: Zeitlich und kausal geht die Arbeit voran, teleologisch aber bestimmt der Wert der Güter die auf ihre Erzeugung zu verwendende und verwendete Arbeit. - Ebenso HERMANN, Staatswirtschaftliche Untersuchungen, Seite 429: Aus der Nachfrage und dem, was die Begehrer für das Gut bieten, ergiebt sich, auf welchen Betrag von Gütern sie um des Verlangten willen zu verzichten gedenken, und hieraus, wie hoch sich die Kosten der am wenigsten ergiebigen Produktion belaufen dürfen, die zur Beschaffnung des Bedarfs noch in Anwendung kommen kann.
    2) STOLZMANN, a. a. O., Seite 344: "Daß es umgekehrt die jeweilige - erst anderweitig aufzufindende - Mange der  aufwendbaren  landwirtschaftlichen Kostenarbeit und damit der Wert der Rohprodukte selbst ist, welcher seinerseits bestimmt, welche Grundstücke noch rentabel sind."
    3) Ein ähnlicher Gedanke bei KARL MENGER, Seite 4: "Je höher die Kultur bei einem Volk steigt, und je tiefer die Menschen das wahre Wesen der Dinge und ihrer eigenen Natur erforschen, umso größer wird die Zahl der wahren, um so geringer, wie begreifliche, die Zahl der eingebildeten Güter etc.", wobei allerdings der Ausdruck eingebildete Güter nicht glücklich gewählt ist.