ra-2 Albert SchäffleHeinrich Cohnvon EhrenfelsWertlehre bei Marx und Lassalle    
 
FRIEDRICH von WIESER
Über den Ursprung
des wirtschaftlichen Wertes

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"Zwei Produzenten, die beide auf demselben Markt dieselben Erzeugnisse zu verkaufen haben und daher ihre Artikel nach denselben Preisen veranschlagen, werden doch kaum jemals in letzter Linie über deren Wert gleicher Meinung sein. Wenn der eine eine kleiner Gewerbsmann, der andere ein großer und reicher Fabriksherr ist, so kann es sein, daß der ganze Erlös des einen, von dem er den Unterhalt für sich und seine Familie erhofft, nur ein geringfügiger Bruchteil vom Verdienst des anderen ist. Für den einen bedeutet dieselbe Geldsumme das Glück und Wohlbefinden eines Jahres, die für den anderen vielleicht nur die Ergötzlichkeit eines besonders festlichen Tages bedeutet. Niemand kann es einfallen zu behaupten, der gleiche Verkaufspreis habe für diese beiden Personen den gleichen Wert. Und kann man es von irgendwelchen anderen Personen im strengsten Verstand behaupten? Gibt es zwei Vermögenslagen, die mit Rücksicht auf die Größe der verfügbaren Mittel und der zu erfüllenden Pflichten vollkommen gleich wären?"

"Der gesellschaftliche Tauschwert ruht auf den Preisen. Worauf aber geht die Absicht bei der Feststellung der Preise? Werden sie, mit dem Wunsch, allen Ansprüchen möglichst gerecht zu werden, nach billiger Erwägung und Abschätzung aller Bedürfnisse und aller zur Verfügung stehenden Befriedigungsmittel im wechselseitigen gütlichen Einvernehmen festgestellt? Jedermann weiß, daß der Vorgang ein anderer ist. Es findet ein Kampf statt, für dessen Ausgang allerdings zu einem Teil die Größe der betroffenen Interessen, aber zum anderen Teil noch ein weiteres, fremdes Element, die wirtschaftliche Macht entscheidend ist. Falls die Menschen gleich reich und geschickt wären, so würden die zum Markt gebrachten Erzeugnisse an die Einzelnen nach Art und Maß ihrer Bedürfnisse verteilt werden, im Konkurrenzkampf würde jeweils der Bedürftigere, welcher das stärkere Motiv zu kaufen hätte, den minder Bedürftigen überbieten und ausschließen. Nachdem die Menschen jedoch verschieden reich und geschickt sind, so wird der Ausgang des Kampfes außerdem noch vom Maß des Reichtums und der Geschicklichkeit beeinflußt werden müssen."

"Die Steuergesetze nehmen Rücksicht darauf, daß das Geld des kleinen Mannes einen anderen Wert hat, als das des Reichen. Keine Regierung würde ertragen werden können, die sich in allen Stücken streng nach der Skala der Preise, nach dem starren Satz der Ziffern richten würde."

"Die letzte Stufe, auf welcher die Forschung erst in jüngster Zeit angelangt ist und auf welcher sie sich mit noch unsicherem Gefühl erst zu befestigen trachtet, ist erreicht, sobald man als den Gegenstand der Wertdoktrin nicht mehr den Wert, sondern den subjektiven Akt der Wertschätzung erkannt hat."


I. Hauptstück
Begriff und Wesen des Wertes

3. Abschnitt
Über den Begriff des
gesellschaftlichen Tauschwertes

Wie unter den sprachüblichen Wertbegriffen die objektiven, so steht wieder unter den objektiven der Tauschwertbegriff obenan. Er ist es, der gemeinhein verstanden wird, wenn man vom Wert ohne weiteren Zusatz spricht.

Man meint mit ihm - ich wiederhole das schon einmal Gesagte in gedrängter Kürze - einen den Gütern nach dem mathematischen Verhältnis ihrer (regelmäßigen) Preise zukommenen, für jedermann in gleicher Weise gültigen Charakter. Man nimmt an, daß er die getreue Abstraktion einer wirklichen Tatsache sei, ganz in demselben Sinne, in welchem der persönliche Wertbegriff von einer Tatsache abgenommen ist, deren Subjekt das Individuum ist.

Daß das Subjekt des Tauschwertes, in diesem seinen gemeinen Sinn, die Gesamtheit aller Individuen eines Wirtschaftsgebietes, die Gesellschaft sei, ist zwar nicht gemeine Meinung, sondern eine erst von literarischen Vertretern derselben hinzugefügte Auslegung, aber es ist eine ganz und gar folgerichtige Auslegung, die höchstens aus dem einen Grund vom volkstümlichen Wortverstand abweichen könnte, weil sie die Folgerichtigkeit etwas zu weit triebe - denn die Mängel der volkstümlichen Begriffe entstehen aus der natürlichen Lässigkeit, die der geschäftige Mann, welcher nicht mehr sagt und denkt, als er dem gleichgesinnten und ihm mit Verständnis entgegen kommenden Genossen zu sagen hat, in der Fassung und dem Ausdruck seiner Gedanken bekundet und sie enden daher immer dort, wo die Fortsetzung des Irrtums anfängt, unpraktisch und unbequem zu werden.

So ist die gemeine theoretisierende Meinung über den Tauschwert. Wenn man aber das gemeine praktische Urteil befragt, wenn man untersucht, wie die Menschen tatsächlich bei ihren wirtschaftlichen Unternehmungen den Tauschwert schätzen, so wird man durch die Bemerkung in Erstaunen gesetzt, daß ihr Urteil sich mit ihrer Meinung im Widerspruch befindet. Der stets behauptet, allgemein verbindliche Tauschwertcharakter der Güter ist praktisch nicht anerkannt.

Immer sind es nur einige und oft sogar nur sehr wenige von den Gesellschaftsgliedern, welche die Güter wirklich auf Grundlage ihrer Preise schätzen.

Ein Kaufmann, welcher seine Waren feilbietet, wird sie nach dem Verhältnis der Preise, die er durch ihren Verkauf einzunehmen erwartet, abschätzen. Ein solcher Besitzer hingegen, der seine Besitztümer nicht zu verkaufen gedenkt, sondern behalten und geniessen will, wird sich sagen, daß der auf dem Markt zu erzielende Verkaufspreis für ihn nicht das Äquivalent des Wertes derselben sei und er wird, wenn er gleichzeitig andere Güter besitzt, die er zu verkaufen entschlossen ist, zwischen den beiderlei Gütern nicht dasjenige Verhältnis im Wert gelten lassen, welches zwischen ihren Marktpreisen besteht. Die Menge der Dinge, welche in dieser Weise über den Verkaufspreisen geschätzt werden, ist außerordentlich groß. Aller Produktivbesitz, der nicht zum Verkauf bestimmt ist, aller Hausrat, der im Gebrauch ist, alles, was zum persönlichen Genuß verwendet wird, gehört hierher.

Wie auf Seiten der Besitzer nur die verkaufslustigen, so bequemen sich auf der Seite der Nichtbesitzer nur die kauflustigen Personen mit ihren Wertschätzungen den Preisen an. Nur wer gewillt ist, eine Sache um den auf dem Markt geltenden Preis zu kaufen, wird ihren Wert im Einklang mit ihrem Preis schätzen. Alle diejenigen, denen der Preis zu hoch erscheint, schätzen die Sache niedriger, als sie den Kaufpreis schätzen. So erklärt z. B. der Taglöhner, dem zugemutet wird, eine feine Speise zu kaufen, "sie habe für ihn den Wert nicht", der ihren Ankauf rechtfertigen würde, d. h. der geforderte Preis ist in seiner Schätzung zu hoch, als daß ihm der Wert des Nahrungsmittels gleichkäme. Hinsichtlich all jener Güter, die feineren Bedürfnissen dienen, ist diese Art der Schätzung die weitaus überwiegende. Sie werden vom größten Teil der Bevölkerung unter ihren Marktpreisen geschätzt.

Wir müssen noch weiter gehen. Selbst das Urteil jener Personen, die darin übereinstimmen, daß das nächste Maß des Wertes einer Ware in ihrem Preis zu finden sei, bleibt nicht mehr in Übereinstimmung, sobald die Bedeutung dieser Maßgröße selbst in Frage kommt. Zwei Produzenten, die beide auf demselben Markt dieselben Erzeugnisse zu verkaufen haben und daher ihre Artikel nach denselben Preisen veranschlagen, werden doch kaum jemals in letzter Linie über deren Wert gleicher Meinung sein. Wenn der  eine  eine kleiner Gewerbsmann, der andere ein großer und reicher Fabriksherr ist, so kann es sein, daß der ganze Erlös des  einen,  von dem er den Unterhalt für sich und seine Familie erhofft, nur ein geringfügiger Bruchteil vom Verdienst des anderen ist. Für den einen bedeutet dieselbe Geldsumme das Glück und Wohlbefinden eines Jahres, die für den anderen vielleicht nur die Ergötzlichkeit eines besonders festlichen Tages bedeutet. Niemand kann es einfallen zu behaupten, der gleiche Verkaufspreis habe für diese beiden Personen den gleichen Wert. Und kann man es von irgendwelchen anderen Personen im strengsten Verstand behaupten? Gibt es zwei Vermögenslagen, die mit Rücksicht auf die Größe der verfügbaren Mittel und der zu erfüllenden Pflichten vollkommen gleich wären? Es geht eine wechselnde Folge von Wertschätzungen vom dringenden Bedürfnis des Armen, der Begehrlichkeit des Geizigen und der Wirtschaftlichkeit des Sparsamen an bis zur Gleichgültigkeit eines Krösus, der Sorglosigkeit des Verschwenders und der Bedürfnislosigkeit des Asketen. Je weiter in dieser Ordnung, desto geringer wird dieselbe Geldsumme erwogen. Wie in einem Land Ebene, Mittelland und Hochland, so unterscheiden sich in den Wertschätzungen der Bewohner eines Landes die Niveaus der Armen, der Bemittelten und der Reichen und sie gehen in gleicher Weise wie jene bald sachte, bald jäh ineinander über. Überall ist auch wieder die gemeine Bildung durch individuelle Züge unterbrochen.

Nicht einmal für eine und dieselbe Person kann die wirtschaftliche Bedeutung gleicher Geldsummen unter allen Umständen als gleich angenommen werden. Wenn das Warenlager eines Kaufmanns, sein einziger Besitz, in Flammen aufgeht und er zuerst erfährt, daß die eine Hälfte und dann, daß auch die andere vernichtet sei, wird er den Schaden, den ihm die beiden Berichte melden, gleich hoch anschlagen? Gewiß nicht. Er wird, indem er den Rest seines Vermögens verloren hat, weit mehr verloren zu haben glauben, als um die gleiche Summe vorher. Wer zweimal nacheinander dieselbe Summe gewinnt, verdoppelt die Ziffer seines Gewinns, aber nicht den Wert desselben.

So wenig der im Tauschwert von den Gütern ausgesagte allgemein verbindliche Charakter darin bestätigt wird, daß alle einzelnen Gesellschaftsglieder sich in der Schätzung des Tauschwertes vereinigten, ebensowenig wird er darin bestätigt, daß der Tauschwert die Grundlage einer von den Schätzungen der Einzelnen abweichenden Schätzung der "Gesellschaft als Ganzer" würde.

Überhaupt können die Sätze, daß die Gesellschaft als Ganzes eine Schätzung der Güter vornehme, daß sie ein Werturteil ausspreche, daß sie das gesellschaftliche Interesse bemesse, nur im figürlichen Sinn verstanden werden. Die Gesellschaft als solche hat nicht in demselben Sinne Persönlichkeit, wie das Individuum, sie übt keine der Lebensfunktionen des Individuums aus. Wenn man dennoch so oft das Interesse der Gesellshaft dem der Individuen entgegen setzt, so kann man damit nur meinen, daß die Bedürfnisse der Mehrheit, oder auch, daß die wahren Bedürfnisse aller sich mit den von ihnen vorangestellten vermeintlichen und überschätzten Bedürfnissen nicht decken und daß diejenigen Personen, welche die Bedürfnisse der Mehrheit oder welche die wahren Bedürfnisse aller im Auge haben, indem sie für das gemeine Bedürfnis empfänglich und tätig sind, demselben ihre persönlichen Kräfte leihen. Das gesellschaftliche Interesse ist das Interesse Einzelner für das gesellschaftliche Wohl.

Es wird sich also darum drehen, ob die Schätzung der Güter nach dem Maß des "gesellschaftlichen Tauschwertes" diejenige Art der Schätzung ist, welche von den Personen vertreten wird, die das gemeine Wohl im Auge haben. Wäre das der Fall, dann entspräche auch dem "objektiven" Wert eine subjektive Interessenerscheinung und wir würden ihn, ohne eine neue Ordnung zwischen den physischen und den psychischen Erscheinungen annehmen müssen, in die feststehenden Ordnungen der Dinge einreihen können. Ist das nicht der Fall, so ist es uns unmöglich, ihn ohne Widerspruch mit unserem übrigen Denken vorzustellen.

Der gesellschaftliche Tauschwert ruht auf den Preisen. Worauf aber geht die Absicht bei der Feststellung der Preise? Werden sie, mit dem Wunsch, allen Ansprüchen möglichst gerecht zu werden, nach billiger Erwägung und Abschätzung aller Bedürfnisse und aller zur Verfügung stehenden Befriedigungsmittel im wechselseitigen gütlichen Einvernehmen festgestellt? Jedermann weiß, daß der Vorgang ein anderer ist. Es findet ein Kampf statt, für dessen Ausgang allerdings zu einem Teil die Größe der betroffenen Interessen, aber zum anderen Teil noch ein weiteres, fremdes Element, die wirtschaftliche Macht entscheidend ist. Falls die Menschen gleich reich und geschickt wären, so würden die zum Markt gebrachten Erzeugnisse an die Einzelnen nach Art und Maß ihrer Bedürfnisse verteilt werden, im Konkurrenzkampf würde jeweils der Bedürftigere, welcher das stärkere Motiv zu kaufen hätte, den minder Bedürftigen überbieten und ausschließen. Nachdem die Menschen jedoch verschieden reich und geschickt sind, so wird der Ausgang des Kampfes außerdem noch vom Maß des Reichtums und der Geschicklichkeit beeinflußt werden müssen. Die Ärmeren und Trägeren werden nur insoweit zum Erwerb gelangen, als sie nicht durch die höheren Angebote der Wohlhabenderen und Regsameren ausgeschlossen werden. Die höchsten Preise werden daher solche Güter erhalten, welche in sehr geringer Anzahl vorhanden sind und zugleich von den reichsten Klassen begehrt werden; die Preise derselben werden so hoch gesteigert, bis alle anderen außer den reichsten Klassen, selbst die wohlhabendsten Gruppen der Mittelklassen, ausgeschlossen sind. Güter, die wegen ihrer geringen Qualität von den Ärmeren allein begehrt werden, erhalten äußerst niedrige Preise, desgleichen diejenigen Güter besserer Qualität, die so zahlreich sind, daß die ärmeren Klassen in beträchtlichem Umfang zum Kauf zugelassen werden müssen. Mittelpreise erhalten diejenigen Güter, bezüglich deren die Mittelklassen die Hauptmasse der Käufer stellen, während die Unbemittelteren entweder gar nicht oder nur mit Rücksicht auf die intensivsten, durch den Genuß dieser Güter zu befriedigenden Bedürfnisse in den Konkurrenzkampf eintreten. Veränderungen der wirtschaftlichen Machtstellung der großen Volksklassen müssen selbstverständlich Veränderungen in den Güterpreisen zur Folge haben. Je größer die Ungleichheit der Vermögen wird, umso größer werden die Unterschiede der Preise. Luxusgüter werden im Preis steigen, wenn die großen Reichtümer zunehmen, sie werden fallen, wenn diese geringer werden.

Mag immerhin der Tauschkampf das beste Mittel sein, um die Verteilung der Erzeugnisse zu bewerkstelligen, mag immerhin die Aufrechterhaltung der Freiheit des Tauschverkehrs im Interesse der Gesellschaft gelegen sein, so wird man doch nicht behaupten dürfen, daß die Preise ein getreuer Ausdruck des Interesses seien, womit ein die gesellschaftlichen Bedürfnisse billig erwägender Mann die gesellschaftlichen Besitztümer in Wert halten würde. Der Umstand, daß diejenigen Personen, welche Diamanten zu besitzen wünschen, zahlreicher und vermögender geworden sind, wird zur Folge haben, daß die Diamanten im Preis steigen. Man kann die Folgerung als notwendig zugeben, man kann sich mit dem wirtschaftlichen System, in Folge dessen sie notwendig ist, rückhaltlos einverstanden erklären, aber man wird sich infolge dieses Umstandes doch nicht bewogen fühlen können, den Wert der Diamanten für die Befriedigung der gesellschaftlichen Bedürfnisse höher zu taxieren. Unsere Regierungen, welche mit allen Kräften bemüht sind, das herrschende Wirtschaftssystem aufrecht zu erhalten, sehen sich fortwährend bemüßigt, im gemeinen Interesse von der gesellschaftlichen Wertschätzung der Güter abzuweichen und sie tun das gewöhnlich unter allgemeiner Zustimmung sowohl derjenigen, welche die herrschende Ordnung billigen, als auch derer, die sie angreifen.

Gerade bei jenen wirtschaftlichen Unternehmungen, welche mit Absicht und im eigentlichen Sinne zugunsten der Gesellschaft angeführt werden, bei den großen volkswirtschaftlichen Unternehmungen der Regierungen wird die Wertschätzung nach den Preisen vielfach durch eine Wertschätzung zurückgedrängt, welche aus unmittelbarer Rücksicht auf die betroffenen Interessen hervorgeht. Viele dieser Unternehmungen geben, nach den Preisen berechnet, Verlust, und dennoch werden sie mit allgemeiner Billigung fortgeführt. Die Steuergesetze nehmen Rücksicht darauf, daß das Geld des kleinen Mannes einen anderen Wert hat, als das des Reichen. Keine Regierung würde ertragen werden können, die sich in allen Stücken streng nach der Skala der Preise, nach dem starren Satz der Ziffern richten würde.

Die gemeinübliche Vorstellung vom Wert und die Würdigung, welche die Güter von den Menschen, sei es nun von ihren individuellen oder von gesellschaftlichen Rücksichten aus, erfahren, decken sich nicht. Wert und Preis werden von jedermann in so inniger Beziehung zueinander gedacht, daß auf die Frage, was den Wert der Güter ausmache, jeder Laie zuerst antworten wird, ihr Preis; während seine eigene Erfahrung, wenn er sie nur besser behalten und deuten könnte, ihn eines Besseren belehren müßte. Jedermann vollzieht eine große Menge von Wertschätzungen ganz unabhängig vom Angebot irgendeines Preises, auf denen ein großer Teil der wirtschaftlichen Akte, die er verrichtet, insbesondere im eigenen Hauswesen, ruht; neben der Veranschlagung in Geld, der für die Verkehrsbeziehungen unentbehrlich ist, braucht jedermann für sich eine Art Veranschlagung  in natura.  Ferner ergänzt jedermann auch diejenigen Wertschätzungen, die er auf die Preise gründet, immer durch eine persönliche Beziehung, indem er den Wert der Geldsummen sozusagen aus der allgemeinen Landeswährung, worin die Summe ausgedrückt ist, auf die individuelle Währung seines Inneren umrechnet.

Woher dieser Unterschied? Warum geht nur ein Teil dessen, was den Menschen als Motiv ihrer Handlung lebendig ist, in die Vorstellung ein, die sie auch außerhalb der Stimmung der Aktion festzuhalten gewohnt sind? Warum drängt in der Meinung der Menschen ein Teil der ganzen, bei der Schätzung des Tauschwertes tatsächlich vollzogenen Überlegung den andern Teil, warum drängt die Erinnerung an die Tauschwertschätzung die an die übrigen, so oft vollzogenen Wertschätzungen zurück?

Die Sensation, die die psychischen Eindrücke in uns erregen, kann von ihrer Wichtigkeit und kann von ihrer Deutlichkeit herrühren. Die psychische Macht, die sie infolge ihrer Wichtigkeit besitzen, äußert sich in der Stärke der Impulse, womit sie uns zu Handlungen antreiben, die psychische Macht, die sie infolge ihrer Deutlichkeit besitzen, äußert sich in der Leichtigkeit, womit sie sich zur Bildung von Begriffen, insbesondere von Gemeinbegriffen eignen.

Bei weitem am leichtesten werden diejenigen Eindrücke behalten, begrifflich vorgestellt und mitgeteilt, welche sich an deutliche Sinneswahrnehmungen knüpfen. Indem man sich ihre sinnfälligen Veranlassungen vergegenwärtigt oder andere auf dieselben hinweist, ist die bequemste psychische Hilfe gegeben, um den innerlichen Eindruck, auf den man zielt, auch ohne sonderliche Kraft der Distinktion noch Kunst der Beschreibung von anderen unzweideutig zu unterscheiden. Wenn überdies die Sache so liegt, daß alle Menschen sich oft im gleichen Fall befinden, so braucht man sich nur kurz und gerade auf das Ding und die Situation, die den Eindruck erzeugen, zu berufen und man kann gewiß sein, so weit verstanden zu werden, wie man um praktischer Zwecke willen verstanden sein will. Dabei wird sich freilich die Mitteilung auf dasjenige beschränken müssen, was den Eindrücken aller Personen gemeinsam ist, den individuelleren Zügen kommt die gleiche psychische Hilfe nicht zugute. Wie man in Gesellschaft solche Gegenstände bespricht, die allen Anwesenden faßlich sind, so geht in die Sprache des Verkehrs überhaupt dasjenige ein, worin sich aller Gedanken treffen. Hierdurch wird auch in Sache des abstrakten Denkens eine öffentliche Meinung gebildet, die vom Einzelnen nicht leicht erschüttert werden kann.

Wer diese Beschaffenheit der menschlichen Natur bedenkt, wird es erklärlich finden, daß aus der Erinnerung an die mannigfachen Schätzungen der Güter, die man im Zuge der Wirtschaft vornimmt, sich gerade die populäre Tauschwertidee als fester Vorstellungskern herauskristallisiert hat.

Der Tauschvorstellung überhaupt - auch der persönlichen, der Vorstellung der subjektiven Tauschwichtigkeit - kommt durch die Beziehung auf die sinnfälligen und sinnlich meßbaren Preismengen eine Helligkeit zu, wie sie keine andere Wertvorstellung besitzt. Wie viele Menschen vermöchten es, anderen von den Abstufungen der Größe des Interesses, mit dem sie an ihren Besitztümern hängen oder nach dem Erwerb von Gütern verlangen, irgendeine richtige und verständliche Kunde zu geben, wenn sie die Vorgänge der wechselnden Erregungen ihres Inneren selbst berichten müßten? Die Preise gewähren eine Skale von den geringfügigsten Graden an bis zu den höchsten, mit deren Hilfe die feinsten Unterscheidungen ohne Mühe, durch einen einfachen Hinweis klargemacht werden können. Die Zählung von Geldsummen und ihre Vergleichung gegeneinander ist durch die Einrichtung des Münzwesens bei allen zivilisierten Völkern zu einer überaus einfachen Sache geworden; ein Ei ist nicht wie das andere, aber ein Gulden ist ein Gulden.

Die außerordentliche Raschheit und Sicherheit, die wir beim Vergleich des Tauschwertes mehrere Güter zeigen, wo wir uns augenblicklich dafür entscheiden, daß dem größeren Preis der größere Wert entspricht, sind Symptome dieser Deutlichkeit der Vorstellung. Wie schwer fällt es uns dagegen, den Gebrauchswert mehrerer Güter gegeneinander zu schätzen, wie vielen Täuschungen sind wir hierbei ausgesetzt, welche Überlegung kostet das Urteil und wie dunkel und schwankend wird es meist ausgedrückt!

Die Preise sind ferner hinsichtlich aller Güter derselben Art und Größe auf demselben Markt für alle Personen gleich oder annähernd gleich; durch die Beziehung auf sie wird daher in den Wertvorstellungen mehrerer und oft sehr vieler Personen eine Übereinstimmung hergestellt, welche die Mitteilbarkeit und damit die Bestimmtheit dieser Vorstellungen gegenüber den anderen Wertvorstellungen außerordentlich steigern muß. Die Tauschwertvorstellung hat durch die Beziehung auf die Preise eine Art relativer Majorität über alle anderen Wertvorstellungen und erhält hierdurch in der öffentlichen Meinung dasselbe Übergewicht, welches man so oft die Vereinigung Mehrerer über die zerstreuten Meinungen der Übrigen erringen sieht.

Wir haben früher hervorgehoben, daß die Schätzung der Güter nach den Preisen dann, wenn sie praktisch wirksam wird, von jedermann nach Maßgabe seiner Verhältnisse noch durch eine individuelle Schätzung der Bedeutung der Geldpreise selber ergänzt wird. Diesem zweiten Teil des Aktes der Tauschwertschätzung kommt in Hinsicht auf die Begriffsbildung nicht die gleiche psychische Hilfe wie dem ersten zugute. Er ereignet sich nicht bei vielen Personen gleichartig, sondern bei jedermann anders; er hat nicht die Unterstützung durch einen Sinneseindruck für sich, sondern er hat einen Sinneseindruck wider sich. Eine Menge Geldes, welche nach ihren sinnfälligen Qualitäten von allen Personen gleich beurteilt wird, wird nach ihrem Wert von eben denselben Personen verschieden hoch geschätzt. Statt durch die Beziehung auf die Preise erhellt zu werden, muß dieser Teil des Aktes der Tauschwertschätzung durch sie besonders verdunkelt werden, denn wenn es eine Erleichterung des Denkens ist, sich an äußere Eindrücke zu halten und sich mit anderen Personen in Übereinstimmung zu wissen, so muß es auch eine Erschwerung sein, nachdem man eine zeitlang unterstützt und in Übereinstimmung war, sich von den anderen wieder trennen und ohne Hilfe bewegen zu müssen.

So entsteht inmitten des Aktes der Tauschwertschätzung ein Abschnitt zwischen dem ersten erhellten und vielen Personen gemeinsamen und dem zweiten verdunkelten, individuell eigenartigen Teil. Nur der erste tritt in Sprache und Vorstellung kräftig hervor. Aus ihm wird die gemeine Tauschwertvorstellung gebildet, welche wegen der überwiegenden psychischen Macht, die der Tauschwertvorstellung überhaupt in Anbetracht auf die Vorstellbarkeit zukommt, zugleich die gemeine Wertvorstellung schlechthin ist - die Vorstellung eines wirtschaftlichen Gütercharakters, der sich in den Preisen äußert und der folgerichtig, wie die Preise für jedermann auf dem Markt gleich sind, von jedermann gleich anerkannt werden muß.

Das sogenannte gesellschaftliche Werturteil ist nichts weniger, als das Endurteil der Gesellschaft über den Wert der Güter. Wer es in diesem Sinne auslegt, der verwechselt öffentliche Meinung und gemeines praktisches Urteil, indem er denselben täuschenden Einflüssen unterliegt, in Folge deren die Menschen mit Worten einen allgemein gültigen Gütercharakter behaupten, den sie im Handeln nicht anerkennen.


4. Abschnitt
Das wissenschaftliche Wertproblem

Wie wir nachgewiesen haben, besteht hinsichtlich des Wertes jenes einfache Verhältnis nicht, daß man durch die Definition des mit dem Namen des Wertes sprachüblich verbundenen Begriffs auch das Wesen der Werttatsache festgestellt hätte. Die in der unkritischen Voraussetzung, daß dieses einfache Verhältnis besteht, so oft aufgeworfene Frage: Was ist der Wert? kann so einfach nicht beantwortet werden; der Fragende muß sich erst erklären, was er definiert haben will, ob die Tatsache oder den Sprachbegriff. Ja, nicht einmal der Sprachbegriff ist einfach. Es sind mehrere Begriffe nebeneinander in unbestreitbarer Übung, der persönliche und die unpersönlichen, welche sich durchaus nicht in einen allgemeineren Begriff, dessen Unterarten sie wären, einordnen lassen. Der erstere bezeichnet einen persönlichen Zustand, die letzteren bezeichnen Relationen der Dinge. Beide sind einander nicht logisch koordiniert, sie sind nur im weiteren Sinn verwandt; der Name ist vom einen, dem einfacheren, mit der zunehmenden Verwicklung der Wertbildungen zu den andern, den zusammengesetzteren, gewandert und hat hierbei seinen Sinn verändert. Er hat zuletzt solche Bedeutungen erhalten, die von der ersten wesentlich verschieden sind. Ein Grundbegriff kann darum nicht in dem Sinne aufgestellt werden, daß er alle geltenden Einzelbegriffe in sich schlösse, sondern nur in dem Sinne, daß er der erste, der einfachste ist, aus dem sich alle anderen mit der Entwicklung der Wirtschaft entwickelt haben.

Man hat zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden darüber gedacht, worin die Aufgabe der Wertdoktrin liege, ob in der Entfaltung der üblichen Wertbegriffe oder in der Klarlegung der Gesetze der Wertbildung. Nicht als ob man jemals geradezu der Meinung gewesen wäre, das wissenschaftliche Nachdenken habe sich auf die Auslegung der Sprachbegriffe zu beschränken, wohl aber sind die wissenschaftlichen Schriftsteller durch lange Zeit hindurch so sehr im Bann der herrschenden Denk- und Ausdrucksweise befangen gewesen, daß sie nicht bis zur Beobachtung der Erscheinungen durchzudringen vermochten, sondern bei der Untersuchung des gemeinhin ausgesagten Inhaltes derselben stehen blieben, in der Meinung, die Erscheinungen selbst zu untersuchen und daß sie dasjenige Wissen, welches sie in der Tat aus der Deutung des innerlich festgehaltenen Sprachbegriffs bezogen haben, aus der Betrachtung der Dinge zu beziehen glaubten. Sie bildeten sich nicht Begriffe, so wie sie sie für wahr hielten, sondern hielten die Begriffe für wahr, die sie, gleich allen anderen, durch die Sprache hatten. Selbst wo sie im weiteren Umfang zur Beobachtung der Erscheinungen gelangten, wurden sie, infolge ihres voreingenommenen Standpunktes, vielfach bewogen, Erkenntnisse bloß aus dem einen Grund abzuweisen, weil sie mit dem behaupteten Wertbegriff logisch nicht in Übereinstimmung zu bringen waren.

Die allmähliche Entwicklung der Wertdoktrin ist typisch für die Entwicklung aller Wissenschaften vom menschlichen Geist. Sie alle unterliegen einer gemeinsamen Gefahr, infolge deren sie anfänglich ihren Gegenstand verfehlen. Sie beschäftigen sich zuerst, ehe sie ihr eigentliches Problem, den internen Lebensakt, aufzufinden vermögen, mit den reflektierten Ideen, die die Menschen sich über sich und ihr Tun gebildet haben.

Die erste Stufe der Wertdoktrin, auf welcher die Systeme der Merkantilisten und Physiokraten ausgearbeitet wurden, war vom letzten Ziel weit entfernt. Die Merkantilisten, welche in Übereinstimmung mit der uralten, schon in der Fabel des MIDAS verspotteten Volksmeinung die Quelle allen Wertes im Wert der edlen Metalle erblickten und die Physiokraten, welche, einer anderen volkstümlichen Auffassung folgend, den Grund und Boden für den Spender allen Wertes erklärten, nahmen beide förmliche Volkstheorien auf, die sie schon fertig vorfanden. Diese beiden Deutungen des Wertes sind gewiß die bei den Menschen verbreitetsten, sie sind aber zugleich unter allen vorkommenden Deutungen auch die falschesten, sie treffen am wenigsten die Motive der Wertschätzung, von denen sich die Menschen in Wirklichkeit bestimmen lassen. Die Gabe, sich im gegebenen Fall aufgrund einer in früheren, einfacheren Fällen gesammelten Erfahrung und mit einer allmählich ausgereiften Kraft und Freiheit des Urteiles vernunftgemäß zu benehmen und die Gabe, über die Gründe des eigenen Benehmens Bericht zu erstatten, sind zwei höchst verschiedenartige Gaben, die sich nur in wenig Menschen vereinigt finden. So gesund zumeist das gemeine praktische Urteil, so verfehlt ist zumeist die gemeine theoretisierende Meinung. Sich vom Bann derselben loszumachen, ist die erste Regel für eine Wissenschaft, die es sich zur Aufgabe macht, irgendeinen der großen Zweige menschlichen Handelns zu erklären.

Es war ein beträchtlicher Fortschritt, als die wissenschaftliche Theorie des Wertes die Volkstheorien verließ und sich den volkstümlichen Sprachbegriffen zuwendete. Die Bildung und Aussage von Begriffen ist eine leichtere Form der Berichterstattng, als die vollendete theoretische Erklärung; die erstere fordert nichts als die Vereinigung der gleichen Fälle unter dem gleichen Begriffsnamen, während die letztere überdies die namentliche Anführung aller wesentlichen Merkmale und die volle, willkürliche Beherrschung aller Namen fordert. Die Theorie ist im Grunde nichts anderes, als die vollkommene Kunst der Namengebung, deren Beginn die Sprache ist. Wenn der Mann aus dem Volk auch nicht geschickt ist, über sein Tun und Lassen förmlichen Aufschluß zu geben, so mag er doch eher imstande sein, im großen Ganzen die Erscheinungen richtig zu unterscheiden und zu benennen und damit vorbereitend die ersten Umrisse einer Theorie zu ziehen. Die wissenschaftlichen Denker nahmen daher, als sie sich von den fertigen Volkstheorien zu den unklareren Sprachbegriffen wandten, allerdings die größere, aber auch die den besseren Erfolg verheißende Aufgabe auf sich.

Es ist ein Beweis für die große Macht, die auf unserem Gebiet die gemeine Denk- und Ausdrucksweise über die wissenschaftliche Forschung hat, daß von den mehreren sprachüblichen Wertbegriffen zunächst die verbreitetsten, die unpersönlichen, von der Doktrin aufgenommen wurden. Eine große Schule, die Schule des ADAM SMITH, hat das Wertproblem von der Grundlage der unpersönlichen Wertbegriffe, insbesondere des objektiven Tauschwertbegriffs zu lösen versucht.

Die Untersuchung der Entstehungsweise dieser Begriffe hat uns klargemacht, warum jeder derartige Versuch mißglücken mußte. Wir haben bemerkt, daß die unpersönlichen Wertbegriffe nicht getreue, sondern nachlässige Abzüge der Wirklichkeit sind und daß eine Reihe von Merkmalen in dieselben bloß aus einer Schwäche und Unvollkommenheit der Reflexon eingegangen ist. Es muß also eine vergebliche Bemühung bleiben, alle ihre Merkmale in der Wirklichkeit nachzuweisen und ihre Entstehung unmittelbar aus den vorfindlichen Tatbeständen abzuleiten.

Zunächst, dies ist die dritte Stufe der Entwicklung, wurde der im gewöhnlichen Sprachgebrauch am meisten zurückstehende und in sich dunkelste, der persönliche Wertbegriff hervorgezogen. Dies getan zu haben, ist vorzüglich das Verdienst deutscher Gelehrter. Da der persönliche Wertbegriff, wenn richtig verstanden, sich mit der Werttatsache deckt, so war es nunmehr möglich geworden, mit seiner Analyse die Darstellung der empirischen Gesetze der Wertschätzung zu vereinigen. Dagegen mußte eine ernsthafte Schwierigkeit in einem ungeklärten Verhältnis zu den in Übung befindlichen unpersönlichen Wertbegriffen bestehen bleiben.

Die letzte Stufe, auf welcher die Forschung erst in jüngster Zeit angelangt ist und auf welcher sie sich mit noch unsicherem Gefühl erst zu befestigen trachtet, ist erreicht, sobald man als den Gegenstand der Wertdoktrin nicht mehr den Wert, sondern den subjektiven Akt der Wertschätzung erkannt hat.

Durch diese Erkenntnis ist mit einem Male die Aufgabe der Doktrin und ihre Stellung im Kreis der übrigen Doktrinen in volles Licht gebracht.

Über dem objektivierenden Namen des Wertes haben wir eine psychische Erscheinung zu untersuchen, die Erscheinung der Sachliebe. Sie ist das Gegenstück zur persönlichen Liebe und zu den mannigfachen Erscheinungen des Anteils an Personen und Ideen, welche man als Teilnahme, Sympathie, Hingebung bezeichnet. Die beiderlei Triebe ergänzen sich, sie sind die Kräfte, welche, wie Kohäsion und Adhäsion die Moleküle der Körper, die Menschen mit sich und mit ihrer Umgebung zusammenhalten und ihre Gedanken unauflöslich an die geistigen und leiblichen Bedingungen ihres Wohlseins binden.

Der persönliche Anteil, wenn er wahrer Anteil ist, hat im Bewußtsein keine fremden Motive; mindestens befinden sich die Menschen im guten Glauben der Reinheit ihrer Neigung und halten ihr Gefühl für entwürdigt, sobald sie sich bewußt werden, daß selbstsüchtige Motive zu demselben beitragen. Die Sachliebe dagegen entsteht aus einem Interesse für Zwecke außerhalb der Güter und ergreift diese, welche für sich allein genommen gleichgültig wären, nur mit Rücksicht auf jene Zwecke, weil die Erfahrung einen Zusammenhang zwischen der Erreichung derselben und dem Güterbesitz nachweist, welcher in desto weitere Kreise und mit desto größerer Genauigkeit verfolgt wird, je mehr sich die Wirtschaft entwickelt. Auch die Liebe zur Natur, die den Menschen eigen ist, ist vom wirtschaftlichen Begehren der Naturgüter durchaus verschieden. Die Liebe zur Natur ist das Gefallen an der Betrachtung und am Genuß der Natur, das wirtschaftliche Begehren ist das Interesse um den Bestand und die Erhaltung der Körper der Dinge. Was die Dichter besingen, ist nicht das Dasein der Dinge, sondern die Anschauung des Daseins, was die Naturwissenschaft lehrt, ist nicht die Entstehung, sondern die Erkenntnis der Entstehung und ihrer Gesetze, erst den praktischen Wirt interessiert der Besitz und die Hervorbringung. Er geht mit seinem Interesse am weitesten, bis auf die ursprünglich gleichgültigen Körper der Dinge, aber er ist in seinen Motiven am eingeschränktesten. Nur wenn ein Zusammenhang zwischen den Güterschicksalen und den menschlichen Schicksalen eingesehen werden kann, erklärt man das wirtschaftliche Interesse für berechtigt. Man weiß nicht nur, daß es aus Erwägungen, die den Güterschicksalen fremd sind, herstamme, sondern man fordert sogar, daß man sich der bestimmenden Gründe möglichst genau bewußt werde. Die grundlose Wertschätzung ist ein Fehler, die Zunahme der Kunst, die Güterschätzung den Verhältnissen anzupassen, ist ein Fortschritt. Das Güterinteresse ist nicht rein, sondern - nach dem Ausdruck SCHÄFFLEs - interessiert, es ist nicht ursprünglich, sondern abgeleitet.

Die Frage nach dem Wesen des Wertes ist daher folgendermaßen zu fassen: Welche sind unter den mannigfachen persönlichen Interessen, die wir kennen und die mit den Gütern verknüpft scheinen, diejenigen, aus denen wir in Wahrheit das Interesse für sie ableiten? Die Frage nach den Ursachen des Wertes lautet: Welche sind die einzelnen Tatsachen an den Gütern, um sie herum und in uns, welche vorhanden und erkannt und mit dem Gefühl abgewogen sein müssen, damit dieses Interesse auf die Güter übertragen werde? Die Frage nach den Gesetzen der Wertgröße lautet: Welche sind die Veränderungen in den Massen des Tatbestandes, durch welche die erfahrungsmäßig bekannten Veränderungen in der Größe des übergeleiteten Interesses hervorgebracht werden? Und die Frage nach den Wertformen lautet: Durch welche Modifikationen des Tatbestandes werden die besonderen Formen unseres Interesses hervorgebracht?

Wie wir weiter oben ausgeführt haben, müssen alle Störungen und Verstöße der Interessenbildung außer Betracht bleiben. Im Güterwert ist nur das gerechtfertigte Interesse ausgesagt.

Die einfachste Wertform ist die des Wertes von fertigen Genußgütern, vom Standpunkt des Konsumenten beurteilt. Die subjektivistische Wertdoktrin wird sich aber an der Untersuchung derselben nicht genügen lassen dürfen. Sie wird auch die besonderen Formen untersuchen müssen, die das Interesse annimmt, wenn es auf Güter gerichtet wird, welche, ohne selbst genußfähig zu sein, die Erzeugung von Genußgüter erlauben und wenn es auf die Genußgüter gerichtet wird mit Berücksichtigung des Umstandes, daß sie aus anderen Gütern erzeugbar sind und wenn es auf Güter welcher Art auch immer gerichtet wird mit Berücksichtigung des Umstandes, daß sie selbst oder ihre Früchte oder ihre Erzeugungsfaktoren verkäuflich oder käuflich sind. Die Schätzung der Güter aufgrund des Ertrages, der Kosten und der Kauf- und Verkaufspreise fällt ebenso wie die einfache Genußwertschätzung in die Aufgabe der subjektivistischen Werttheorie. Erfahrungsgemäß wird eine viel größere Zahl von Gütern von ihren Eigentümern nach ihrem Ertragswert, Kostenwert oder Tauschwert, wie nach ihrem unmittelbaren Genußwert geschätzt und die Erklärung der Bestimmgründe und der Bedeutung der Güterschätzung würde höchst unvollständig sein, wenn sie auf diese Formen nicht ausgedehnt werden sollte.

Eine weitere Aufgabe der Theorie besteht darin, die kollektive Wertschätzung zu beschreiben, die nicht von einem Individuum mit Rücksicht auf die eigenen Bedürfnisse, Neigungen und Vermögensumstände, sondern die von Personen, welche das Interesse größerer Kreise, z. B. der Angehörigen eines ganzen Volkes, zu wahren haben, mit Rücksicht auf die Gesamtverhältnisse des Bedarfs und Besitzes des großen Ganzen, für welches sie sorgen, vorgenommen wird, wie sie etwa der Staatsmann vornimmt, insoweit er öffentliches Vermögen verwaltet und wie sie im sozialen Staat bis zu einem gewissen Grad jedem Bürger vertraut sein müßte.

Sobald die subjektiven Wertformeln erschöpfend behandelt sind, wären auch noch die gangbaren objektiven Wertbegriffe zu erläutern und die Tatsachen zu ordnen, welche mit ihrer Hilfe ausgesagt werden können, nachdem diese Begriffe unentbehrliche Behelfe sind, um eine Anzahl von Erfahrungen allgemeinerer Geltung zusammenzufassen, die mit den subjektiven Formeln nur sehr schwerfällig ausgedrückt werden könnten und nachdem man sich überdies gemeinhin derselben zur Mitteilung überwiegend bedient, und ihre Aufklärung daher notwendig ist, um die der gemeinen Übung anhaftenden Mißverständnisse zu zerstreuen.

Das häufigste und wichtigste Mißverständnis besteht darin, die objektive Wertaussage mit der kollektiven Wertschätzung zu verwechseln. Wir haben früher gezeigt, wie weit entfernt die Aussage des "gesellschaftlichen Tauschwerts" von einem gesellschaftlichen Urteil über den Güterwert ist.

Ein so großer Fehler es von der Seite gewisser theoretischer Schulen war, die Wissenschaft der Sprache unterzuordnen und aus dem Grund, weil die Sprache zwischen dem persönlichen und den unpersönlichen Wertbegriffen wesentlich unterscheidet und weil sie die unpersönlichen Wertbegriffe voranstellt und als die Wertbegriffe schlechthin gebraucht, die gleiche Unterscheidung auch wissenschaftlich aufzunehmen und folgerichtig den persönlichen Wertbegriff ganz auszuschließen und sich auf den unpersönlichen zu beschränken, ein ebenso großer Fehler wäre es, die theoretischen Bedürfnisse allein in Betracht zu ziehen und, unbekümmert um den Sprachgebrauch, unter dem Namen des Wertes ausschließlich die subjektive Werterscheinung zu erforschen. Die Wissenschaft hat nicht im mindesten das ausschließliche Recht, den gemeinen Sprachgebrauch zu bestimmen, und was noch mehr ins Gewicht fällt, sie hat so gut wie keine Macht über ihn. Es ist vom Standpunkt der Theorie zu bedauern, daß, während die Werterscheinung einfach ist, der Wertbegriff gespalten ist; es ist zu bedauern, daß der Gegensatz der Begriffe so weit geht, daß eine Wertveränderung, welche unter dem einen als eine Zunahme auszusagen ist, unter dem anderen als eine Abnahme ausgesagt werden muß; es ist zu bedauern, daß derjenige Begriff, dessen sich die Theorie hauptsächlich zu bedienen hat, sprachüblich seltener verwendet wird, so daß die wissenschaftliche und sprachrichtige Formulierung desselben Falles sich häufig werden widersprechen müssen, aber es erübrigt der Theorie doch nichts anderes, als den feststehenden Sprachgebrauch anzuerkennen und, wenn sie auch von ihm nicht ihre Aufgaben abnimmt, doch sich überall in Fühlung mit ihm zu erhalten und die Übersetzung ihrer Formeln in die gemeine Sprache wie der gemeinen Formeln in ihre Sprache zu lehren.

Die Wertdoktrin ist, wenn wir ihre Aufgabe richtig umschrieben haben, angewandte Psychologie. Sie hat die Gesetze zu entwickeln, nach welchen sich das menschliche Interesse unter dem erfahrungsmäßigen Tatbestand der Wirtschaft den Gütern zuwendet.

Sie hat eine Erfahrungslehre. Sie beweist die Wahrheit ihrer Sätze dadurch, daß sie sich auf das Wissen berufte, welches die Menschen von den Motiven und dem Verlauf der von ihnen vorgenommenen Akte der Wertschätzung haben. Selbstverständlich darf sie sich nicht damit zufriedengeben, daß sie sich in Übereinstimmung mit den verbreiteten theoretisierenden Meinungen der Menschen über sich selber setze, sondern muß auf die Übereinstimmung mit den die praktischen Akte der Wertschätzung leitenden Bewußtseinsregungen dringen. Psychologie ist Menschenkenntnis  in abstracto  und wer sie treibt, wird daher, um seiner Aufgabe gerecht zu werden, eine Geschicklichkeit nicht entbehren dürfen, deren Abwesenheit die Menschenbeurteilung in jedem einzelnen konkreten Fall unmöglich machte, nämlich die Geschicklichkeit, zwischen den wahren Motiven der Handlungen und den landläufig angenommenen, zwischen der öffentlichen Meinung und dem die Handlungen lenkenden "stillen, besseren" Wissen zu unterscheiden.

Um die Gesetze des Interesses zu entwickeln, ist es notwendig, den empirischen Tatbestand der Wirtschaft zu beschreiben. Unter einem anderen Tatbestand als derjenige ist, unter dem wir wirtschaften, würde die Wertschätzung anderen Gesetzen folgen. Die Auffassung der Wertdoktrin als einer angewandten Psychologie verbietet nicht, sondern fordert das Studium des äußeren Sachverhalts. Sie macht es zugleich am fruchtbarsten, weil ihr kein Moment des Tatbestandes äußerlich bleiben, sondern jedes auf seine innerliche Wirkung hin gedeutet werden soll.

Die wirtschaftliche Wertschätzung wird erst dann vollkommen erklärt sein, wenn nicht bloß ihre Entwicklung aus der Wahrnehmung des anregenden Tatbestandes, sondern überdies auch noch ihre eigene Wirksamkeit im Ganzen der wirtschaftlichen Handlung aufgedeckt sein wird. Zur Aufgabe der Wertdoktrin gehört daher nebst der Erklärung des Wesens und der Regeln der Wertschätzung und nebst der Beschreibung des sie hervorrufenden Tatbestandes auch noch die Darlegung ihres wirtschaftlichen Einflusses. Zum guten Teil wird die Wertschätzung praktisch mit genauer Kenntnis ihrer Wirkungen und mit Absicht auf dieselben vollzogen, zum guten Teil wird sie mit jener unklareren Rücksicht auf ihre Wirkungen vollzogen, deren man sich zwar nicht so weit bewußt ist, daß sie zur Absicht wird, ohne deren Dasein man aber doch nicht zur Vollziehung gelangte; insoweit deckt sich die Betrachtung der Ursachen und der Folgen und kann sich niemand, der die Wertbildung untersucht, der Beziehung auf die wirtschaftliche Funktes des Wertes enthalten. Die Wertschätzung ist ein Zubehör der ganzen wirtschaftlichen Aktion, sie ist die Regung des Interesses, welche die Regungen der Tatkraft begleitet. Von den Ordnungen, welche die wirtschaftlichen Unternehmungen, sich den gegebenen Verhältnissen anpassend, nach und nach empfingen, muß sie selbst ihre Ordnungen haben.

Ich selbst werde in diesem Buch, wie der Titel ankündigt, nur einen Teil der ganzen Wertlehre behandeln. Ich werde nur den Ursprung des Wertes und die Hauptgesetze der individuellen Wertschätzung und so viel von den allgemeinen Verhältnisse der Wirtschaft untersuchen, als zur Lösung beider Aufgaben unumgänglich notwendig ist.

Indem ich die individuelle Wertschätzung unter der Voraussetzung einer großen ausgedehnten Produktion, so wie wir sie unter der Einwirkung der Arbeitsteilung als Folge der wirtschaftlichen Anstrengungen eines Volkes beobachten, untersuchen werde, wird die Gelegenheit gegeben sein, die Wirkung aller die Wertschätzung beeinflussenden äußeren Umstände zu untersuchen. Die einzige, freilich überaus wichtige Einschränkung des von mir angenommenen Sachverhalts gegenüber dem in Wirklichkeit gegebenen wird die sein, daß ich eine Wertschätzung beschreibe, die durch ein einziges Subjekt in einheitlicher Weise vorgenommen wird, während in Wirklichkeit überaus zahlreiche Wertschätzungen durch viele Personen zugleich neben und miteinander vorgenommen werden.
LITERATUR - Friedrich von Wieser, Über den Ursprung und die Hauptgesetze des wirtschaftlichen Wertes, Wien 1884