ra-2H. H. GossenR. Zuckerkandlvon ZwiedineckR. StolzmannH. Oswalt    
 
ROBERT LIEFMANN
Die Entstehung des Preises
aus subjektiven Wertschätzungen

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"Der allgemeine Ertragsbegriff führt einerseits die ganze ökonomische Theorie direkt auf das alles wirtschaftliche Handeln der Menschen bestimmende Streben zurück, andererseits haben wir damit den Begriff gewonnen, von dem aus alle bisher als Spezialprobleme behandelten wirtschaftlichen Grunderscheinungen zusammenfassend betrachtet werden können und als eine Einheit erscheinen. So tritt uns auch das Phänomen der Preisbildung nicht mehr isoliert entgegen. Wir erfassen den Begriff nicht mehr so allgemein und unwirklich wie die bisherige Theorie, die jedes Tauschgut als Preis des erhaltenen bezeichnet, sondern wir fassen den Begriff enger, indem wir die Erklärung seines Entstehens als ein  Problem der Geldwirtschaft  ansehen. Vor allem aber erkennen wir, daß der Preis ein in Geld ausgedrückter  Schätzungsbegriff ist und vermeiden den Fundamentalirrtum der bisherigen  Theorie, in ihm ein bestimmtes  Güterquantum  zu sehen."


V. Der Grenzertrag in der Tauschwirtschaft
und der Preis.

Übertragen wir nun diese Handlungsweise des einzelnen Wirtschaftssubjekts auf den Zustand der Geldwirtschaft, in dem man, wie gesagt, allein von Preisbildung reden kann. Hier hat jeder Wirtschafter ein Geldeinkommen. Daß dieses Geldeinkommen seiner Höhe nach wieder von früheren Preisen abhängt, ist selbstverständlich, ändert aber am allgemeinen Vorgang, wie der Preis auf subjektive Wertschätzungen zurückgeht, nichts. Wie sich der Preis für  neue  Güter bildet, wird später noch besonders gezeigt werden. In der Geldwirtschaft aber stehen die Preise der großen Mehrzahl aller Güter innerhalb gewisser Grenzen fest und sind mehr oder weniger genau bekannt. Das ergibt sich schon aus dem Vorhandensein des Geldes und reiner Geldeinkommen. Es gibt wohl  keinen Preis ohne Geld,  aber es gibt auch sozusagen  kein Geld ohne Preis.  Denn das Geld ist eben erst Geld, allgemeines Tauschmittel und sogenannter Wertmaßstab,  wenn es irgendwo zu Preisen führt.  Insbesondere aber setzen Geldeinkommen natürlich schon vorhandene Preise der wichtigsten Konsumgüter voraus.

Auf dieses Geldeinkommen projiziert nun der Wirtschafter gewissermaßen seine Bedürfnisse und erhält damit die Obergrenze der Kosten, die er für jedes Gut aufwenden darf. Die Differenz zwischen diesen äußerstenfalls aufzuwendenden Kosten und den tatsächlich aufgewendeten, in der Geldwirtschaft also dem Preis, den der Wirtschafter äußerstenfalls bezahlen würde und dem, den er tatsächlich bezahlen muß, ist sein Konsumertrag  durch einen Kostenvergleich ausgedrückt. In Wirklichkeit macht aber der Wirtschafter bei seiner eigenen Bedarfsbefriedigung, also außerhalb seiner Erwerbstätigkeit in der Regel keinen Kosten- sondern, wie sich das auch von selbst versteht, einen  Nutzenvergleich.  Er vergleicht den Nutzen, den ihm das mit einer bestimmten Geldsumme zu beschaffende Gut gewähren wird, mit dem Nutzen des geringstgeschätzten Gutes, auf das er jene Geldsumme noch verwenden würde.

Immer aber gilt: Je mehr der Wirtschafter die voraussichtlichen Preise schon kennt, umso mehr wird sein  Voranschlag  der Kosten, d. h. der Geldsumme, die er für ein bestimmtes Gut reservieren zu müssen glaubt, den Kosten, die er dann  tatsächlich aufwenden muß,  nahe kommen, oder anders ausgedrückt, umso mehr wird sein Wirtschafts plan,  sein  Voranschlag,  dem tatsächlichen Verlauf seiner Wirtschafts führung,  seiner  Bilanz,  entsprechen. Umgekehrt, je weniger er die bisherigen Preise kennt, umso größeren Spielraum in den Kosten wird er für die dringendsten Bedürfnisse lassen müssen, umso weniger kann er schon seine Erträge feststellen und umso weniger kann sein Wirtschaftsplan schon die Befriedigung von Bedürfnissen vorsehen, die voraussichtlich nur mit geringerem Ertrag möglich ist. Das läßt sich im wirtschaftlichen Leben alle Tage beobachten. Ein Amerikaner, der zum ersten Mal nach Deutschland oder Italien kommt, wird finden, daß er mit den Summen, die er auf seine verschiedenen Bedürfnisse verteilt hat, erheblich weiter kommt, daß er mit der gleichen Geldsumme noch verschiedene andere Bedürfnisse befriedigen kann, die ihm einen geringeren Ertrag liefern und die er in seinem Wirtschaftsplan noch nicht vorgesehen hat. Oder: ich will für eine Reise 400 Mark verwenden. Da ich nicht alle Kosten genau kenne, rechne ich 20 Mark pro Tag. Es stellt sich aber heraus, daß ich mit 15 Mark auskomme und so kann ich noch 5 Mark täglich auf Genüsse verwenden, die ich in meinem Geldverteilungsplan für die Reise, meinem Voranschlag, nicht vorgesehen hatte, weil ich glaubte, das Geld würde mir nur zur Befriedigung dringenderer Bedürfnisse reichen, auf die ich daher nötigenfalls auch mehr Kosten verwendet haben würde. So hatte ich vielleicht angenommen, für ein Zimmer täglich 5 Mark bezahlen zu müssen, während ich finde, daß ich meine Ansprüche auch für 4 Mark befriedigen kann. Kenne ich dagegen die Preise genau, so kann ich in meinem Etat auch schon außergewöhnliche Ausgaben in Rechnung stellen, z. B. eine Wagen- oder Segelfahrt, eine Theatervorstellung und dgl., auf die ich verzichten müßte, wenn die anderen Güter, die mir einen größeren Ertrag gewähren, mehr kosten. So sehen wir, daß auch bei den Erwerbseigenschaften da, wo die Kosten ziemlich stabil oder doch für die nächste Wirtschaftsperiode voraussehbar sind, wie z. B. in den Kohlenbergwerken oder Zementfabriken der Kostenvoranschlag und daher die aufzuwendenden Geldmittel leichter genau festgestellt werden können, als etwa bei Gummifabriken oder in der Textilindustrie, wo die Rohstoffkosten stark von wechselnden Ernten beeinflußt werden.

In der tauschlosen Wirtschaft fällt diese Schwierigkeit: Unkenntnis der Kosten, d. h. also hier der Preise, naturgemäß weg, weil alle Kosten auf Arbeit zurückgeführt werden können. Daher kann dort das Wirtschaftssubjekt immer seinen Konsumertrag feststellen.

Ob nun der Wirtschafter einen Nutzen- oder einen Kostenvergleich anstellt, immer bildet der  Ertrag,  die Differenz zwischen Nutzen und Kosten, das Maß, welches sein wirtschaftliches Handeln, die Bedarfsversorgung, der Kostenaufwand bestimmt, und zwar derart, daß  sich die Grenzerträge ausgleichen.  Das besagt natürlich nicht, daß das Bedürfnis nach jedem Gut bis zum Grenzertrag befriedigt werden muß. Nicht von allen Gütern werden ja zahlreiche Teilquantitäten konsumiert, von denen jede folgende ein immer geringeres Bedürfnis befriedigt. Es können also auch Güter mit einem viel höheren Konsumertrag beschafft und konsumiert werden (ebenso wie in der Tauschwirtschaft der Grenzertrag nicht derjene  aller  Unternehmungen und Wirtschaftssubjekte ist).  Das Ausgleichsgesetz als Maß für das Maximum der Bedarfsbefriedigung gilt eben nur für die unteren Grenzen der Ertragserzielung.  Das hat für die wirtschaftenden Subjekte eine große praktische Bedeutung. Unter anderen Umständen müßte jede Veränderung der Kosten und Preise eine Veränderung der  gesamten  Bedarfsversorgung bedeuten, weil der Ausgleich der Grenzerträge jetzt wieder in anderer Weise vorgenommen werden muß. So aber vollzieht sich diese Verschiebung bei einer nur verhältnismäßig kleinen Gruppe von Gütern, deren Erträge eben Grenzerträge sind. In der Tat weiß jeder Wirtschafter sofort, auf welche Güter er bei einer Kostenerhöhung verzichtet und welche er bei einer Kostenverminderung zur Bedarfsbefriedigung hinzuzieht. Immer aber ist der Ertrag der Maßstab für die Verteilung des Geldeinkommens auf die Bedürfnisse, er ist gewissermaßen die Linse, durch welche die Bedarfsempfindungen auf das Geldeinkommen projiziert werden. -

Mit diesen in Geld ausgedrückten Bedarfsempfindungen, die aber natürlich ein Jeder für sich behält, tritt nun das Wirtschaftssubjekt auf den  Markt Und damit sind wir an dem Punkt angekommen, wo "Angebot und Nachfrage sich berühren". Der Konsument findet hier in der entwickelten Tauschwirtschaft  Anbieter  für alle möglichen Produkte und Leistungen.  Woher kommen sie? Was veranlaßt sie zum Angebot und in welchem Umfang erfolgt es?  Die Antwort auf diese Frage ist nichts anderes als die Erklärung der Entstehung des Preises selbst. Die bisherigen Preistheorien aber haben die Antwort auf diese Frage, die sie nicht zu geben vermochten, umgangen, und was sie untersuchen, ist regelmäßig nur die Preisbildung  bei gegebener Angebots- oder Nachfragemenge,  wobei aber das eigentliche tauschwirtschaftliche Problem, die Entstehung des  Konkurrenzpreises im Wirtschaftsleben  ganz unter den Tisch fällt. Die naivsten der bisherigen Preislehren nehmen dabei ganz ohne Bedenken  sowohl Nachfrage als auch Angebot  als von vornherein  gegebene  Größen (von Schmoller) (33), ahnen nicht im mindesten, worauf es beim Preisproblem überhaupt ankommt. Eine andere, die den Preis ganz allgemein durch die  Produktionskosten  bestimmt sein läßt, nimmt das  Angebot  bzw. die  Produktionskosten  als gegebene Größe, durch welche die Nachfrage soweit befriedigt wird, als es eben die Produktionskosten ermöglichen. Eine dritte Richtung (von Neumann, von Philippovich, Lexis) läßt den Preis ebenfalls durch die Produktionskosten des teuersten (oder des billigsten) Produzenten bestimmt werden. Da sie aber ohne das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge nicht angeben können, welches der letzte Produzent ist, setzen sie eine  bestimmte "zahlungsfähige Nachfrage",  einen  "gegebenen Bedarf"  voraus (34).

All das ist nun aber eine völlige Verkennung der Aufgabe der Preistheorie. Sie hat zu erklären, wie sich  bei tatsächlich unbegrenzter, aber an Intensität der Bedürfnisse bzw. an Kaufkraft immer mehr abnehmender Nachfrage das Angebot stellt,  warum also - um das alte Beispiel zu verwenden - trotzdem 100 000 Konsumenten ein Bedürfnis nach Winterröcken haben, 10 000 angeboten werden, und wie es dabei zu einem für alle Käufer und Verkäufer gültigen Preis kommt. Weder Angebot noch Nachfrage sind dabei gegebene Größen, sondern wieviel angeboten, bzw. verkauft wird und welcher Teil der Nachfrage "zahlungsfähig" ist und wirklich befriedigt wird, ist eben zu erklären. Das ist aber nur möglich aufgrund des allgemeinen  Ertragsbegriffs  und des  Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge. 

Die einzelnen Anbieter von Produkten und Arbeitsleistungen streben natürlich auch nach einem möglichst großen Ertrag, den wir im Gegensatz zum Konsumertrag als  tauschwirtschaftlichen  oder  Erwerbsertrag  bezeichnen. Während aber beim Konsumertrag die eine Komponente der äußerlich nicht feststellbare individuelle Nutzen (Genuß) ist, ist der Erwerbsertrag eine Geldsumme, er ist die Differenz zwischen den auf das Tauschgut verwendeten  Kosten in Geld  und dem  Gelderlös  für dasselbe. Diesen Erwerbsertrag pflegt man in Kapital- und Arbeitsertrag zu unterscheiden, wobei man sich jedoch nicht genug vor der üblichen Zurechnungslehre hüten kann, die den Ertrag ursächlich und proportional auf die mitwirkenden Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital zurückführen will. Das ist ein auf der Verwechslung von wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkten (Produkt und Wert der Produkte) beruhender Fundamentalirrtum, den ich in "Ertrag und Einkommen" unwiderleglich zurückgewiesen zu haben glaube. Kapitalertrag kann man den nennen, der durch Verkauf oder Leihe mit einem Sachgut erzielt wird. Arbeitsertrag ist das Entgelt für persönliche Leistungen. Beide gehen aber sehr oft ineinander über und die Zurechnung dieses Ertrages, also einer Wertvorstellung, auf die beiden "Produktionsfaktoren" im Verhältnis ihrer technischen Wirkung ist eine logische Absurdität. Die Unterscheidung hat aber deswegen theoretisch eine große Bedeutung, weil beim reinen Arbeitsertrag, wenn also eigene Sachgüter gar nicht zur Verwendung kommen, Kosten nicht in Anrechnung gebracht werden. Der Arbeitsertrag in Geld ist Reinertrag. Und sie werden - was alles in "Ertrag und Einkommen" auseinandergesetzt wurde - nicht in Anrechnung gebracht, weil die mit dem Geldertrag der Arbeit beschafften Konsumgüter eben auch wieder die  Unterhaltungskosten  der Arbeitskraft sind.

Heutzutage, wo die Versorgung des Bedarfs regelmäßig durch ein weitgehendes Zusammenwirken von Kapital und Arbeitskräften in großen und kleinen Erwerbswirtschaften erfolgt, ist der Erwerbsertrag hauptsächlich ein solcher, der in derartigen auf dem Markt als Anbieter auftretenden Erwerbswirtschaften erzielt wird. Er ist also in erster Linie ein Kapitalertrag, während die Erwerbseinkünfte der Arbeitskräfte in im voraus mit ihnen vereinbarten Beträgen bestehen. Der Erwerbsertrag ist also das Ergebnis einer Differenz zwischen Kosten in Geld und Verkaufspreisen in Geld und für diese Erwerbserträge gilt, genau wie für die Konsumerträge, das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge.

Denn - das ist die so einfache und selbstverständliche Lösung des Preisproblems, die so selbstverständliche Antwort auf jene Frage, wodurch sich das Angebot bestimmt:  Das Angebot der verschiedenen Güter, für die Bedürfnisse von Konsumenten vorhanden sind, erfolgt in der Tauschwirtschaft genau nach demselben Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge, das wir schon als für das wirtschaftliche Handeln des einzelnen Wirtschafters maßgebend erkannt haben. Genau wie der einzelne Wirtschafter jedes Bedürfnis nur soweit befriedigt, daß die Grenzerträge aller Güter gleich hoch sind, genau so handelt die Gesamtheit aller Anbieter in der Tauschwirtschaft. Die Produzenten stellen jedes Gut nur in der Menge her, daß der Grenzertrag, d. h. der Ertrag, den der teuerste noch produzierende erzielt, für alle Produktionszweige ungefähr gleich hoch ist.  Es haben also die Produzenten regelmäßig verschiedene Produktionskosten, denn es gibt kein Gut, das überall und von allen Produzenten mit den gleichen Kosten produziert werden könnte. Solange wenden sich nun weitere Anbieter einem Erwerbszweig zu, bis, infolge der vergrößerten Angebotsmenge und dadurch bewirkten Hinabsteigens des Angebots in weniger kaufkräftige Konsumentenschichten, der Ertrag, den der teuerste Anbieter erzielt, dem Grenzertrag in anderen Erwerbszweigen nicht mehr gleich kommt. Dann wird dieser Anbieter auf die Dauer schließlich ausgeschaltet, bzw. Kapital und Arbeitskräfte wenden sich anderen Erwerbszweigen zu.  Bei freier Konkurrenz und möglichst vollkommener Beweglichkeit der Kapitalien und Arbeitskräfte, welche die Theorie voraussetzt, muß sich in der Tat bei Gütern, die von Mehreren angeboten werden, das Angebot und der Preis so stellen, daß der teuerste Anbieter auf die Dauer noch denselben (Grenz)Ertrag erzielt wie der teuerste Anbieter in anderen Erwerbszweigen.  So wird durch das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge  die Angebotsmenge  und damit auch die  Grenze der zu befriedigenden Nachfrage festgestellt,  die aber beides nicht, wie nochmals betont sei, schon von vornherein als feste Größen einer Preistheorie zugrunde gelegt werden dürfen.

Der Preis des  einzelnen Gutes  nun entsteht also, wie schon GOSSEN erkannt hat, durch einen  Anpassungsvorgang,  ein  Annäherungsverfahren.  Das Angebot eines Gutes wird eben solange fortgesetzt, bis es in Konsumentenschichten hinabgestiegen ist, deren Kaufkraft für dasselbe aufgrund ihrer persönlichen Wertschätzungen und Einkommensverhältnisse so gering ist,  daß ihr Bedarf nur mit einem geringeren als dem volkswirtschaftlichen Grenzertrag befriedigt werden könnte.  Dann wenden sich eben Kapitalien und Arbeitskräfte neuen Wirtschaftszweigen zu,  in denen Bedürfnisse noch unbefriedigt sind, die mit einem größeren Ertrag befriedigt werden können.  Und so vollzieht sich der Ausgleich der Grenzerträge in den verschiedenen Wirtschaftszweigen.

Der Preis für ein bestimmtes Gut stellt sich so, daß der teuerste Anbieter auf die Dauer noch den volkswirtschaftlichen Grenzertrag erzielt.  Alle Konsumenten,  deren Wertschätzungen für das betreffende Gut in ihrem Geldeinkommen ausgedrückt, vielleicht weit höher gewesen sind,  haben nur diesen Preis zu zahlen, alle Anbieter,  die wegen geringerer Kosten auch billiger verkaufen könnten,  erzielen ihn.  Der  volkswirtschaftliche Grenzertrag,  nicht aber die Angebots- oder Nachfragemenge ist also die  gegebene Größe,  von der das Angebot, bzw., was für die Theorie natürlich identisch ist, das wirklich abgesetzte Güterquantum, und die wirklich befriedigte Nachfrage ihrem Umfang nach  erst bestimmt  werden.

Heißt das nun, daß der Preis durch die  Produktionskosten  bestimmt wird, wie im Großen und Ganzen alle bisherige Theorie lehrte, die ältere, indem sie den Preis ausschließlich durch die Produktionskosten bestimmt sein ließ, die Grenznutzenlehre, indem sie zwar auch die Wertschätzungen der Käufer als Preisbestimmungsgrund erwähnt, aber schließlich doch behauptet, daß "für beliebig produzierbare Güter eine prinzipielle Identität von Kosten und Preis besteht." (35) In dieser Weise sicherlich nicht. Es ist zunächst, ganz abgesehen vom tatsächlichen Ergebnis der Beobachtung des wirtschaftlichen Lebens, schon rein logisch klar, daß die Kosten niemals der direkte Bestimmungsgrund des Preises sein können, deshalb, weil die Höhe, in der sie aufgewendet werden, ja erst durch den Preis bzw. den durch beide gegebenen Ertrag bestimmt wird. Ein eigentliches Preisbestimmungsmoment ist daher allein der Ertrag, um dessen Willen ja jede tauschwirtschaftliche Tätigkeit nur ausgeübt wird und der auch, wie wir wissen, in der Einzelwirtschaft das regulierende Moment darstellt. Das Streben nach Ertrag wirkt nun in der Weise auf den Preis ein, daß ein gewisses Mindestmaß an Ertrag, eben der tauschwirtschaftliche Grenzertrag, erzielt werden muß, damit ein Wirtschafter, wenigstens auf die Dauer, ein bestimmtes Gut anbietet. Wird es nicht erzielt, so wird der teuerste Anbieter schließlich ausscheiden, oder, wenn die Nachfrage dringender wird, werden die Konsumenten schließlich einen höheren Preis zahlen müssen, bei welchem er den volkswirtschaftlichen Grenzertrag noch erzielt. Dieser Grenzertrag ist also, wie schon gesagt, die Differenz der Kosten und des Erlöses in Geld. Aber es ist nicht der Ertrag, den ein  beliebiger  einzelner Anbieter erzielt - für diese wird ja der Ertrag erst durch den Preis und ihre speziellen Kosten bestimmt - sondern maßgebend ist der  Ertrag der teuersten Anbieter in allen Erwerbszweigen. Durch die allgemeine Ausgleichstendenz wird also der Grenzertrag zu einer allgemeinen festen Größe,  wird zum  volkswirtschaftlichen Grenzertrag  und wird so  Bestimmungsgrund aller Konkurrenzpreise.  Bestände diese Ausgleichstendenz nicht, die aber, wie gesagt, auf das Streben aller Wirtschaftssubjekte nach größtem Ertrag, d. h. auf das  wirtschaftliche Prinzip  zurückgeht, so gäbe es keine Konkurrenz und es würde dann an der wirtschaftlichen Dampfmaschine die Steuerung, die "Seele" fehlen. Damit dürfte es klar sein, daß ohne das Prinzip des Ausgleichs der Grenzerträge keine Preistheorie und keine Erklärung des tauschwirtschaftlichen Mechanismus überhaupt möglich ist.

Die bisherigen Theorien machen also den Fehler, daß sie entweder den  Grenzgedanken,  wie wir ganz allgemein sagen wollen, um die verschiedenen Arten: Grenznutzen, Grenzwert- und Grenzertragslehre zusammenzufassen,  überhaupt nicht  anwenden, oder sie operieren eben nur mit der unbrauchbaren Konstruktion des Grenz wertes.  Im letzteren Fall nehmen sie "den teuersten (oder den billigsten) Produzenten" oder "den letzten zahlungsfähigen Konsumenten" (oder beides) als gegebene Größen an, weil sie eben ohne den Begriff des volkswirtschaftlichen Grenzertrages den Konkurrenz-Preis nicht erklären können. Sie geben daher überhaupt  keine Erklärung des Preises  und seiner Bedeutung für die Tauschwirtschaft.

Der Fehler der anderen, älteren Richtung ist aber genauso groß. Denn ohne den Grenzgedanken, der in der Form des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge das Fundament allen wirtschaftlichen Handelns bildet, läßt sich eben die Entstehung des Preises nicht erklären. Sie spricht ganz allgemein von  "den  Produktionskosten", nach denen der Preis gravitieren soll, ohne zu erkennen, daß auch bei freier Konkurrenz manche Wirtschafter enorm über ihre Kosten hinausgehende Gewinne erzielen. Aus unseren Ausführungen wird nun klar, daß es sich nicht um  beliebige Kosten irgendwelcher Produzenten  handelt, deren Einfluß auf den Preis man feststellen könnte - über die Beziehung aller solcher Kosten, auch z. B. "durchschnittlicher" oder "normaler" zum Preis läßt sich gar nichts aussagen -, sondern daß immer nur die  Kosten des Grenzproduzenten  in Betracht kommen, der sich aber nur mittels des Ertragsbegriffs und des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge feststellen läßt (und nicht, wie nach der bisherigen Theorie, durch die Annahme einer bestimmten Größe der Nachfrage). -

Welches aber die Bedeutung dieser speziellen Grenzkosten, d. h. also der Kosten, bei denen noch der volkswirtschaftliche Grenzertrag erzielt wird, für den Preis ist, macht man sich am besten folgendermaßen klar: Kosteten alle Güter in jeder Menge gleich viel, z. B. jede Gutseinheit eine Arbeitsstunde, so brauchte man den Ertragsbegriff gar nicht; denn da die Kosten immer gleich hoch sind, könnte man  diese Komponente des Ertrages  eliminieren und brauchte nur die andere, den Nutzen zu betrachten. Es würde dann also das  Gossensche Gesetz des Ausgleich der Grenz nutzen Geltung haben. Die verfügbaren Arbeitsstunden würden so verteilt werden, daß die Grenznutzen aller Güter gleich hoch sind. Überträgt man das auf die Geldwirtschaft und den Konkurrenzpreis, so heißt das, daß wenigstens die Massengüter, theoretisch aber alle Güter, für die Konkurrenz besteht, wenn alle Kosten gleich sind, auch den gleichen Preis haben, einerlei ob eines dringlicher oder in größerer Menge begehrt wird als ein anderes; denn der Preis wird eben durch den volkswirtschaftlichen Grenzertrag bestimmt (36). Sind nun die Kosten verschieden hoch, so muß auch der Preis der Güter verschieden sein. Aber, wie nicht scharf genug betont werden kann: es kommt nicht auf die Kosten irgendeines x-beliebigen Produzenten an, von denen aus die bisherige Theorie immer den Preis erklären wollte, sondern eben nur desjenigen Produzenten, der noch den  volkswirtschaftlichen Grenzertrag  erzielt. Ohne diesen Begriff läßt sich  der  Produzent und lassen sich  die  Kosten, die für die Preisbildung maßgebend sind, überhaupt nicht bestimmen.

Der Preis,  kann man also ganz einfach sagen,  wird bei freier Konkurrenz bestimmt durch den volkswirtschaftlichen Grenzertrag und die Kosten des Anbieters, der diesen Grenzertrag noch erzielt,  mit anderen Worten:  er ist =  diesen Kosten  + dem volkswirtschaftlichen Grenzertrag.  Oder vorsichtiger ausgedrückt:  Bei freier Konkurrenz hat der Preis die Tendenz sich in der Höhe des volkswirtschaftlichen Grenzertrags und der Kosten des Anbieters zu stellen, der noch diesen Grenzertrag erzielt.  Ganz kurz kann man auch sagen:  der Preis eines Gutes wird durch seine Grenzkosten und den volkswirtschaftlichen Grenzertrag bestimmt. (37) Es ist gewissermaßen der normale Preis eines Gutes, unter dem dasselbe wirtschaftlicherweise nicht auf die Dauer verkauft werden sollte und auch im Wirtschaftsleben kaum lange verkauft werden wird. Es ist sozusagen ein theoretischer  Idealpreis;  denn dieser Konkurrenzpreis ist diejenige Art der Preisbildung, bei welcher das für alle Güter geltende Ideal möglichst vollkommener Bedarfsversorgung (größter Produktivität der Volkswirtschaft) am meisten gewahrt ist. (38)


Das ist in Grundzügen die  Theorie des Konkurrenzpreises.  Für den  Monopolpreis  liefert sie, wie leicht zu erkennen ist, nur die  untere Grenze.  Über dessen obere Grenze läßt sich zunächst nur sagen, daß sie natürlich durch den  privatwirtschaftlichen Grenzertrag des einzelnen Konsumenten  bestimmt wird. Dabei kommt aber nach der bekannten Tauschtheorie MENGERs auch in Betracht, ob der Monopolist Quantitäten eines Monopolgutes nacheinander oder auf einmal auf den Markt bringt. Im ersten Fall kann er für jede einzelne Quantität den Preis der "Tauschgrenze", d. h. wie wir jetzt wissen, dem Grenzkonsumertrag des einzelnen Käufers nahe bringen. Bringt er dagegen größere Quantitäten seines Monopolgutes auf einmal auf den Markt, so wird der Preis für die Gesamtquantität durch den Grenzertrag des Käufers der letzten Quantität bestimmt.

Aus unserer Erklärung der Preisbildung ergibt sich auch, wie bei freier Konkurrenz der Ertrag all derjenigen aufzufassen ist, die geringere Kosten haben als die des Grenzproduzenten und die daher einen höheren als den volkswirtschaftlichen Grenzertrag erzielen. Man kann ihn, wie ich schon in "Ertrag und Einkommen" auseinandergesetzt habe (39), als  relative Monopol- oder Konkurrenzertrag  bezeichnen. Von diesem Standpunkt aus sind die immer noch nicht zur Ruhe gekommenen Kontroversen über die Grundrente und den Unternehmergewinn zu beurteilen.

Daß der volkswirtschaftliche Grenzertrag, der, zu den Grenzkosten hinzugerechnet, den Konkurrenzpreis ergibt, nicht immer auf  die einzelne Produkteinheit,  auf die sich jeder Preis bezieht,  berechnet  und  festgestellt  werden kann, ändert an der Richtigkeit und Gültigkeit unseres Satzes nichts; denn auch die  Kosten  können ja nicht immer genau auf das einzelne Produkt berechnet werden. Es ist eben die Eigentümlichkeit der heutigen selbständigen Erwerbswirtschaften, daß sie nach dem einzelnen Preis und nach den Kosten des einzelnen Produktes nichts fragen, sondern nur auf den Gesamtertrag ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit hinblicken, ihr daraus sich ergebendes Geldeinkommen im Auge haben. Wie ein hervorragender Unternehmer es ausdrückte: "die Unternehmenr warten ruhig den Jahresabschluß ab. Es ist eine freudige Überraschung, wenn der Überschuß auf der richtigen Seite ist, und ein nicht zu verhinderndes Unglück, sollte er auf der falschen Seite sein". Nichtsdestoweniger besteht kein Zweifel, daß der Preis des einzelnen Gutes in der geschilderten Weise durch den Grenzertrag bestimmt wird.


Aufgrund dieser Theorie läßt sich natürlich noch außerordentlich viel über die Preisbildung sagen, selbst wenn man sich auf das Allgemeinste beschränkt und von Spezialerscheinungen, in deren Erörterung die bisherige Theorie verlor, absieht. Nur einen Gedanken, oder richtiger gesagt, eine Beobachtung, d. h. eine aus der Beobachtung des wirtschaftlichen Lebens gezogene Abstraktion möchte ich hier noch vorbringen, weil damit die Theorie des Ertrags und der Preisbildung, also die grundlegende Erklärung des tauschwirtschaftlichen Mechanismus mit einigen der wichtigsten Problemen der heutigen Volkswirtschaftslehre verknüpft wird. Der volkswirtschaftliche Grenzertrag bezeichnet, wie wir sahen, den Punkt, bis zu welchem die Nachfrage noch befriedigt wird.  Für die letzten Konsumenten, die noch befriedigt werden, ist das letzte Produkt, nun offenbar das Grenzprodukt,  d. h. dasjenige, das sie  mit dem geringsten Konsumertrag,  eben ihrem  individuellen Grenzertrag erwerben.  Mindestens gilt für  Massengüter,  die von vielen Produzenten angeboten, von vielen Konsumenten gekauft werden, daß der Preis, den alle bezahlen,  für den letzten seinen Grenzkonsumertrag bedeutet.  Der nächste nicht mehr versorgte Konsument kauft aber nicht mehr, weil er schon nicht mehr seinen individuellen Grenzertrag erzielen würde. Die Frage nun, ob sich über diesen Grenzkonsumertrag des letzten versorgten Konsumenten nichts allgemeines aussagen läßt, führt, wenn man sie an den Verhältnissen des wirtschaftlichen Lebens prüft, zu einem für die Theorie des tauschwirtschaftlichen Mechanismus äußerst wichtigen Ergebnis. Zunächst läßt sich ja anscheinend über die Höhe dieses den Preis bestimmenden Grenzkonsumertrags ebensowenig sagen, wie über jeden Grenzkonsumertrag, der ja für jedes Wirtschaftssubjekt verschieden und ziffernmäßig nicht festzustellen ist. Und doch läßt sich der Grenzkonsumertrag des letzten versorgten Konsumenten, der also den Preis mitbestimmt, beim Konkurrenzpreis in Geld ausdrücken bzw. es läßt sich eine ziffernmäßige Grenze für ihn angeben. Man kann nämlich behaupten,  daß der Konsumertrag des letzten Konsumenten,  der ein Gut kauft und damit den geringsten Ertrag erzielt,  nicht niedriger sein kann als der volkswirtschaftliche Grenzertrag; denn wäre das der Fall, so würde der betreffende Wirtschafter diese Geldsumme eben nicht zum Ankauf von Konsumgütern verwenden, sondern Kapital werden lassen,  womit er mindestens den volkswirtschaftlichen Grenzertrag erzielen wird. Damit steht unsere Ertrags- und Preislehre mit den Problemen der  Kapitalbildung  im Zusammenhang, die den Hauptinhalt unserer "Theorie des Volkswohlstandes" bilden werden.

Wir haben mit der Erwähnung dieses Moments gleichzeitig in unserer Preislehre einen Gesichtspunkt zur Geltung gebracht, der auch bei der allgemeinsten Formulierung des tauschwirtschaftlichen Organisationsprinzips nicht ganz übergangen werden darf, eben den Umstand, daß der einzelne Wirtschafter tatsächlich nicht immer  sein ganzes Geldeinkommen  auf die Beschaffung von  Konsumgütern  verwendet, sondern einen Teil desselben  Kapital  werden läßt. Welcher Teil das ist, wird natürlich durch das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge bestimmt, und zwar wiederum zunächst in der eigenen Konsumwirtschaft, gleichzeitig aber auch in der Tauschwirtschaft. Sobald nämlich hier ein höherer Betrag (Kapitalertrag) erzielt werden kann, wird der Wirtschafter, statt zu konsumieren, sein Einkommen Kapital werden lassen. So wird - das mag hier genügen, der denkende Leser wird sich daraus leicht eine Theorie der Kapitalbildung konstruieren können -  der Ausgleich zwischen Konsum- und Kapitalerträgen,  d. h. natürlich wiederum nur zwischen den  Grenz erträgen in beiden Fällen, herbeigeführt.

Dieses Ergebnis, daß im Großen und Ganzen der Grenzkonsumertrag des letzten versorgten Konsumenten, also des Grenzkonsumenten, mit dem volkswirtschaftlichen (Grenzkapitalertrag) (40) identisch sein muß, ist noch nach einer anderen Richtung von großer Bedeutung für die Preistheorie. Es zeigt nämlich, daß auch von Seiten der Nachfrage in ganz derselben Weise wie von der Angebotsseite dem Tausch und der Preisbildung eine Grenze gesetzt ist. Durch die Tendenz des Sparens und der Kapitalbildung wird nämlich seitens der Konsumenten der volkswirtschaftliche Grenzertrag ebenso bestimmt, wie durch die Kosten der Anbieter. Es ist der eigentümliche, bisher niemals klar gelegte Mechanismus der Tauschwirtschaft, daß mit dieser Tendenz des Sparens und der Kapitalbildung die Konsumenten gewissermaßen selbst als Anbieter auf den Markt treten, von Geldkapital nämlich, und  damit, genau wie die Anbieter mit den Kosten, den volkswirtschaftlichen Grenzertrag beeinflussen.  Durch diese Tendenz steht also  der volkswirtschaftliche Grenzertrag direkt mit den Konsumerträgen in Beziehung.  Was von den letzteren unter den ersten hinabsinkt, verstärkt die Kapitalmenge und drückt damit den volkswirtschaftlichen Grenzertrag herab.

Daß so der Grenzkonsumertrag des letzten Konsumenten mit dem volkswirtschaftlichen Grenzkonsumertrag identisch ist, hat für die Preisbildung die große Bedeutung, daß sehr häufig nur unter seiner Einwirkung und ohne den Faktor Grenzkosten der Preis entsteht. Es gibt ja zahlreiche Güter - und gerade wir, die wir nicht in der Betrachtung der materiellen Seite des Wirtschaftslebens aufgehen, dürfen das nicht übersehen -, bei denen sich keine Produktionskosten feststellen lassen, solche, die überhaupt nicht produziert werden, wie alle Dienstleistungen der verschiedensten Art. Hier wird vielfach der Preis ohne jede Beziehung auf Kosten durch den Grenzkonsumertrag des letzten Konsumenten bestimmt werden. Der Preis eines Theaterbillets, einer Eisenbahnfahrkarte, des Frisierens und dgl., kurz zahlreicher dinglicher und persönlicher Leistungen kommt so zustande. Der Preis eine Theaterbillets z. B. wird sich, ohne daß die Kosten dabei in Betracht gezogen werden, bei freier Konkurrenz so stellen, daß der letzte Konsument, der mit einem Theaterbesuch den geringsten Ertrag erzielt, noch gerade vorzieht, es zu kaufen statt das Geld zu sparen. Die direkte Beziehung auf den Konsumertrag tritt hier und bei Eisenbahnfahrkarten in der Abstufung nach Plätzen und Klassen deutlich zutage. Sie hat nämlich den Zweck,  möglichst viele Konsumenten der verschiedenen Einkommensschichten auf ihren individuell verschiedenen Grenzkonsumertrag zu treiben. 

Natürlich wird auch in solchen Fällen der volkswirtschaftliche Grenzertrag beim Anbieter, d. h. z. B. beim Kutscher, Arzt, Friseur die Höhe seines Geldeinkommens, ebenso wirksam werden für die Preisbildung. In Wirklichkeit wirken eben, wie sich das auch von selbst versteht, die beiden Komponenten des Ertrags: Nutzen und Kosten immer zusammen und beeinflussen durch das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge wie alle wirtschaftlichen Handlungen so auch den Preis.

Durch die Identifizierung des Grenzkonsumertrags des letzten Konsumenten mit dem volkswirtschaftlichen Grenzertrag läßt sich schließlich auch der  Monopolpreis  in seinen Grenzen noch schärfer präzisieren, als wir das bisher vermocht haben. Seine untere Grenze ist natürlich, wie wir schon sahen, der volkswirtschaftliche Grenzertrag  +  den Kosten des Anbieters, der ihn gerade noch erzielt. Über seine obere Grenze aber, der der reine Monopolpreis in der Regel nahe kommen wird, konnten wir bisher nur sagen, daß sie durch den individuellen Grenzertrag des letzten Konsumenten bestimmt wird, über dessen Höhe wir aber nichts aussagen konnten. Jetzt können wir sie dahin näher präzisieren, daß wir sagen: die obere Grenze des Monopolpreises wird durch die Nutzenschätzung desjenigen Konsumenten bestimmt, der beim Erwerb des Gutes ebenfalls gerade noch den volkswirtschaftlichen Grenzertrag erzielt. Nennen wir dessen Nutzen  Grenznutzen,  so können wir sagen:  die untere Grenze des Monopolpreises ist Grenzkosten + volkswirtschaftlicher Grenzertrag, die obere,  der der Monopolpreis in der Regel nahe kommen wird,  Grenznutzen - volkswirtschaftlicher Grenzertrag.  Das sind nun natürlich die theoretischen Preisgrenzen überhaupt. Und so haben wir mittels des Grenz- und des Ausgleichsgedankens, angewendet auf den Ertragsbegriff, die Bestimmung des Preises in der Tat auf Nutzen und Kosten zurückgeführt und damit das scheinbar unmögliche Problem, aus diesen ganz subjektiven Begriffen die Preisbildung zu erklären, gelöst.

Die meisten Fälle, bei denen der Preis vor allem durch den Grenzkonsumertrag des letzten Konsumenten bestimmt wird, haben offensichtlich einen mehr oder weniger monopolartigen Charakter, wie das insbesondere bei Leistungen, z. B. eines Arztes, Künstlers usw. hervortritt. Wie dann überhaupt der Monopolpreis und der Konkurrenzpreis nicht nur Gegensätze sind, sondern in den mannigfachsten Abstufungen ineinander übergehen (relativer Monopol- oder Konkurrenzertrag- und -preis), worüber noch viel zu sagen wäre. Hierher gehört auch die Preisbildung für  neue  Güter. Auch sie wird mehr nach dem Grenzkonsumertrag des letzten Konsumenten orientiert sein, weil sie meist einen monopolartigen Charakter aufweisen wird. Vor allem aber ist hier der Anpassungsvorgang gut zu beobachten, der bei schon bestehenden Preisen keine Rolle mehr spielt. Ein typisches Beispiel war die Preisbildung für Gasglühlicht. Für den Umfang und die Stärke des Bedarfs waren keinerlei Anhaltspunkte vorhanden. Ende der 80-er Jahre begann daher die Auer-Gesellschaft mit einem Preis von 16 Mark für den Glühstrumpf. Selbst wenn man annimmt, daß die Kosten damals höher waren als heute, war dies doch ein nur nach dem Grenzkonsumertrag orientierter Monopolpreis. Er blieb das auch, solange die Monopolstellung andauerte. Nur suchten die Gesellschaften durch Preisherabsetzungen solange weniger kaufkräftige Konsumentenschichten auf, bis sie den Punkt gefunden hatten, der ihnen durch eine Erweiterung des Absatzes den größten Reingewinn lieferte. Die Angebotsmenge und der Preis wurden hier also durch den Grenzkonsumertrag desjenigen Konsumenten bestimmt, bei dem der Monopolist den größten Gesamtgewinn hatte.

Zum Schluß sei noch auf einen Punkt aufmerksam gemacht. Der volkswirtschaftliche Grenzertrag, der den Konkurrenzpreis bestimmt und der in den meisten Fällen mit dem Grenzkonsumertrag des letzten noch zur Bedarfsversorgung gelangenden Konsumenten identisch sein wird, ist, wie wir schon sahen, eine Geldsumme, ein Teil des Geldeinkommens der tauschwirtschaftlichen Subjekte. Damit ist aber klar, daß dieses Geldeinkommen, das den Preis bestimmt, seiner Höhe nach doch wieder von den Preisen anderer wichtiger Bedarfsgegenstände abhängig sein muß, denn das Geldeinkommen des tauschwirtschaftlichen Subjekts dient ja nur dazu, sich Konsumgüter damit zu beschaffen. Der gesamte Geldertrag aus dem Verkauf der Produkte oder Leistungen muß also so hoch sein, daß der Produzent oder Arbeit Leistende mindestens die notwendigen Gebrauchsgegenstände dafür kaufen kann. In dieser Weise hängt also der volkswirtschaftliche Grenzertrag, der mit den Kosten den Preis des einzelnen Gutes bestimmt, doch wieder mit anderen Preisen und anderen Kosten, schließlich auch mit den gesamten Wertschätzungen der Konsumenten zusammen. Was man bisher nur für einzelne besondere Fälle erkannte, den Zusammenhang mehrerer Preise (41), das wird jetzt deutlich für  alle  Preise (42). Es ist auch klar, daß die Preise als ein Geldausdruck, wie wir sie auffassen, alle miteinander und auf der anderen Seite mit den gesamten Bedarfsschätzungen der Konsumenten in engster Beziehung stehen müssen. Denn der Gesamtheit der Bedarfsschätzungen steht eben die Gesamtheit der Geldeinkommen gegenüber, auf die jene projiziert werden, und auf der anderen Seite sind eben diese Geldeinkommen doch wieder das Ergebnis der auf Ertrag gerichteten tauschwirtschaftlichen Tätigkeiten. Alle Preise stehen also miteinander in einem Zusammenhang und zwar in 3-facher Weise. Einmal dadurch, daß jeder Wirtschafter alle seine Bedürfnisse auf sein Geldeinkommen projiziert und dadurch für jedes Gut mit einem bestimmten, allerdings individuell verschiedenen Maximal-Geld-Ausdruck auf dem Markt erscheint. Zweitens dadurch, daß auf der Angebotsseite das bei allen Anbietern vorhandene Ertragsstreben gewissermaßen ebenso als Generalnenner wirkt wie auf der Nachfrageseite die Projizierung der Bedürfnisse auf das Geldeinkommen. Und drittens dadurch, daß der so bei den Erwerbswirtschaften sich vollziehende Ausgleich der Grenzerträge durch die Tendenz zur Kapitalbildung auch von der Nachfrage her auf die Angebotsseite hinübergreift und damit auch zwischen Konsum und Angebot (Kapitalverwendung) den Ausgleich der Grenzerträge herbeiführt. Natürlich braucht dieser Zusammenhang aller Preise bei der ungeheuren Vielgestaltigkeit der heutigen Tauschwirtschaft nicht so weit zu führen, daß bei einer Änderung der Kosten oder Nutzenschätzungen  eines  Gutes sich gleich  alle  Preise ändern, der ganze Ausgleich der Grenzerträge neu vollzogen werden müßte.


Dies ist in den Grundzügen meine Erklärung, wie es von den rein subjektiven Bedarfsempfindungen der Konsumenten aus zur Bildung eines objektiven Preises der Güter kommt. Und diese Erklärung ist zugleich und muß notwendigerweise auch eine Erklärung des tauschwirtschaftlichen Mechanismus sein, des Organisationsprinzips der Volkswirtschaft überhaupt. Jetzt erkennt man vielleicht besser, was die Kritiker von "Ertrag und Einkommen" noch nicht erkannten, wie der allgemeine Ertragsbegriff, der auf Nutzen und Kosten zurückgeht, der Fundamentalbegriff der ökonomischen Theorie ist.  Es gibt keine Erklärung der Preisbildung ohne den Begriff des Ertrags.  Wir wiederholen: Er, der in der Konsum- wie in der Erwerbswirtschaft in gleicher Weise das Ziel des wirtschaftlichen Handelns bildet, übernimmt eben zusammen mit dem Geld die Vermittlung, die von den subjektiven Bedarfsempfindungen zu einer ganz objektiven Art der Güterbeschaffung im Tausch führt. Jetzt erkennt man vielleicht, wie notwendig es war, anstelle der üblichen speziellen Einkommenslehre und der sogenannten Wertlehre eine  allgemeine Ertragslehre  aufzustellen.

Zugleich ergibt sich aus unseren Erörterungen der  Zusammenhang der verschiedenen grundlegenden ökonomischen Theorien,  die ich später in einer systematischen Darstellung noch schärfer zum Ausdruck zu bringen hoffe. Ohne diesen engen Zusammenhang der ökonomischen Theorien ist eine Erklärung und Darstellung des tauschwirtschaftlichen Mechanismus nicht möglich. Die bisherige Theorie krankte daran, daß immer eine Wert-, Preis-, Grundrenten-, Kapitalzinslehre ganz unabhängig von anderen aufgestellt wurden. Dadurch kam man gerade zu jenen künstlichen Konstruktionen und zahlreichen nicht weiter geprüften Voraussetzungen, welche die meisten bisherigen Theorien charakterisieren, während die Aufgabe der ökonomischen Theorie doch nur die Erklärung der Wirklichkeit sein kann, und daher zunächst natürlich der Erklärung, Aufdeckung und Isolierung des wichtigsten Organisationsprinzips, welches den Mechanismus der tauschwirtschaftlichen Organisation zu verstehen ermöglicht. Das leistet nur der allgemeine Ertragsbegriff, den wir in die Wirtschaftstheorie eingeführt haben und zum Grundbegriff der ganzen Wirtschaftslehre machen. Er führt einerseits die ganze ökonomische Theorie direkt auf das alles wirtschaftliche Handeln der Menschen bestimmende Streben zurück (43), andererseits haben wir damit den Begriff gewonnen, von dem aus alle bisher als Spezialprobleme behandelten wirtschaftlichen Grunderscheinungen zusammenfassend betrachtet werden können und als eine Einheit erscheinen.

So tritt uns auch das Phänomen der Preisbildung nicht mehr isoliert entgegen. Wir erfassen daher auch den Begriff nicht mehr so allgemein und unwirklich wie die bisherige Theorie, die jedes Tauschgut als Preis des erhaltenen bezeichnet, sondern wir fassen den Begriff enger, indem wir die Erklärung seines Entstehens als ein Problem der Geldwirtschaft ansehen. Vor allem aber erkennen wir, daß der Preis ein in Geld ausgedrückter Schätzungsbegriff ist und vermeiden den Fundamentalirrtum der bisherigen Theorie, in ihm ein bestimmtes Güterquantum zu sehen.

Diese Auffassung ist allerdings seit ADAM SMITH absolut herrschend und soweit ich sehen kann, nie ernsthaft angefochten. Selbst wenn gelegentlich betont wird (44), daß man die mit einer Geldsumme käufliche Menge von Waren nicht ihren Preis nennt, sondern darunter nur eine Geldsumme versteht, wird doch die materialistische Auffassung des Preises überall festgehalten. Ich befinde mich aber mit meiner Auffassung nicht nur in einer Übereinstimmung mit dem Sprachgebrauch, sondern auch mit einem Schriftsteller, der, offenbar unbeeinflußt durch die Schulmeinungen der ökonomischen Wissenschaft, ebenso wie ich den Begriff und die Erklärung des Preises aus dem wirtschaftlichen Leben gewonnen hat, nämlich mit keinem geringeren als KANT (45). KANT ist, wie mir scheint, der einzige Schriftsteller, der bisher den Preis nicht materialistisch, sondern als einen Schätzungsbegriff aufgefaßt und im Ganzen richtig, wenn auch vom Standpunkt des heutigen ökonomischen Sprachgebrauchs eigentümlich definiert hat:
    "Preis (pretium) ist das öffentliche Urteil über den Wert (valor) einer Sache, im Verhältnis auf die proportionierte Menge desjenigen, was das allgemein stellvertretende Mittel der gegenseitigen Vertauschung des Fleißes (des Umlaufs) ist."
Abgesehen von der Erfassung des Preises als Schätzungsbegriff (Urteil) ist hier also die Bezugnahme auf das Geld wesentlich. Wie ein solches "öffentliches Urteil" zustande kommt und worin es besteht, das zu zeigen ist Aufgabe der ökonomischen Theorie.

Es ergibt sich sowohl aus der kantischen Definition wie aus meinen früheren Erörterungen, daß, wie wir schon in "Ertrag und Einkommen" immer wieder betont haben, der Preis nie ein Ausdruck der subjektiven Wertschätzungen irgendeines Menschen ist, sondern er ist eben eine Funktion, eine Komponente verschiedener solcher Wertschätzungen, was KANT mit "öffentlichem Urteil" ausdrückt. Jetzt aber können wir genauer sagen, daß er, genau wie der Ertrag, eine Funktion von Nutzen und Kosten ist. Nur ist er eine viel kompliziertere Funktion dieser wirtschaftlichen Elemente, nämlich eine Funktion von Grenznutzen und Grenzkosten, und, was beim Ertrag nicht wesentlich ist,  immer zum Ausdruck gebracht im Geld.  Wir haben aber weiter festgestellt, daß man vom rein subjektiven  Nutzen  zum objektiven  Preis  nur kommt durch die Vermittlung des  Ertrags begriffs. Einmal deswegen, weil dieser Ertrag, der natürlich auch ein Wertbegriff ist, sich doch im Geld vergegenständlicht, zweitens aber, und natürlich mit jenem zusammenhängend, weil der in Geld veranschlagte Ertrag sowohl in der Erwerbs- als auch in der Konsumwirtschaft das treibende und regelnde Moment ist. Darin liegt die tiefste Begründung meiner Erklärung des Preises mit dem Ertragsbegriff. Die Heranziehung des Grenzgedankens bedarf dem gegenüber heutzutage wohl keiner besonderen Begründung mehr.

Die allgemeinste Definition des Preises, die sowohl den Konkurrenzpreis wie den Monopolpreis umfaßt, würde also lauten: Preis eines Gutes ist die Summe Geldes, die für dasselbe gegeben werden kann oder muß, daß der wenigst kaufkräftige Konsument (Monopolpreis) wie der teuerste Anbieter (Konkurrenzpreis) noch den volkswirtschaftlichen Grenzertrag erzielen. Über und unter diese Grenze wird der Preis eines Gutes nur bei Irrtum oder aufgrund besonderer Verhältnisse, die Ausnahmen und nicht Gegenstand der Theorie sind, und jedenfalls nicht auf die Dauer hinausgehen. Jetzt, wo wir im Begriff des volkswirtschaftlichen Grenzertrags die gegebene Größe für die Erklärung des Preises gefunden haben, dürfen wir vom "wenigst kaufkräftigen" Konsumenten und "teuersten" Anbieter sprechen. Denn wir können - was die bisherige Theorie ohne das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge nicht vermochte - sie sofort definieren. Es sind diejenigen, die gerade noch den volkswirtschaftlichen Grenzertrag erzielen.


VI. Kritik der bisherigen Preistheorien

Unsere Erklärung der Entstehung des Preises erscheint so selbstverständlich, daß manche Leser sich alsbald gar nicht mehr Rechenschaft darüber ablegen werden, wie sehr diese Erklärung von dem abweicht, was sie bisher darüber wußten und in der Literatur finden konnten. Es erscheint deshalb angezeigt, bevor wir in unseren Untersuchungen fortfahren, zunächst einmal unseren Ergebnissen dasjenige gegenüberzustellen, was man bisher als Erklärung der Preisbildung bezeichnete. Ich will dabei, um nicht zu ausführlich zu werden, nur die neuesten Darstellungen berücksichtigen.

Meine Erklärung des Preises setzt sich aus  3 Gedankenreihen  zusammen: dem  allgemeinen  Ertragsbegriff, dem  Grenzgedanken,  angewandt auf jenen, und dem  Ausgleichsgedanken wieder angewandt auf den Grenzertrag.  Von diesen sind der Ertragsgedanke noch  nie,  der Grenzgedanke sehr  häufig,  der Ausgleichsgedanke nur sehr  unvollkommen  und rein quantitativ, beide aber noch  nie auf den Ertragsbegriff  angewandt worden. Damit ist das Neue, das ich geliefert habe, ganz genau bestimmt. Das Schwierige war aber natürlich nicht, diese Gedanken aufzustellen, sondern sie zu einem System zu gestalten, das Chaos der bisherigen Theorien als falsch nachzuweisen, durch sie hindurch den Weg zur richtigen Erkenntnis nicht zu verlieren, gewissermaßen den Schutt, der sich auf jedem Schritt in den Weg stellte, beiseite zu schaffen. In der Tat bin ich nur sehr langsam von einem Gedanken zum anderen vorgedrungen, sehr häufig einer der bisherigen Theorien in eine Sackgasse gefolgt, bis ich den richtigen Weg fand, der vom subjektiven Nutzen zu einem objektiven Preis führt.

Nach dem Gesagten kann man die Vertreter der bisherigen Preistheorien in zwei Gruppen einteilen, solche die den Grenzgedanken bei der Erklärung des Preises  nicht  anwenden (Anhänger der klassischen Richtung) und solche, die ihn  falsch  anwenden (österreichische Grenzwertlehre).

Zur ersteren Gruppe sind vor allem ADOLF WAGNER, FRIEDRICH JULIUS NEUMANN und WILHELM LEXIS zu rechnen.

ADOLF WAGNER (46) steht, wie alle bisherigen Autoren natürlich ebenfalls auf dem Boden einer quantitativ-materialistischen Theorie.
    "Allgemeinster Begriff des Preises (im Tausch): die  Menge  eines bestimmten anderen (wirtschaftlichen) Gutes bestimmter Qualität, gegen welche ein Gut bestimmter Art, Qualität und Menge wirklich ausgetauscht wird. Der  Geldpreis  ist nicht der Preis ansich, sondern nur der Preis in der Geldwirtschaft, wo auf der einen Seite anstelle des konkreten Gutes Geld in seiner Tauschmittelfunktion tritt."
Das ist aber unzutreffend, und wegen dieser falschen Auffassung des Preises behandelt WAGNER dann auch ebensowenig wie alle anderen das eigentliche, mehrfach charakterisierte Preisproblem. Er gibt keine  Erklärung  der Entstehung eines Konkurrenzpreises ("Marktpreises", den er als besondere Form unterscheidet), sondern verliert sich nach seiner Art aufgrund zahlloser Unterscheidungen und Unterabteilungen alsbald in die  Spezialfragen  der verschiedenen, Preisveränderungen herbeiführenden Faktoren. In der Hauptsache steht er fest auf dem Boden alten  Kostentheorie,  und geht sogar bis zur Behauptung einer schließlichen  Identität von Preis und Kosten,  wenn er (Seite 235) sagt:
    "das Endergebnis ist, daß die Preise  nach den Kosten gravitieren  und die Kosten zugleich das dauernde Maximum und Minimum der Preise bestimmen oder Maximum und Minimum eben dauernd identisch sind, indem sie dauernd den Kosten entsprechen!"
Sein Hauptfehler ist natürlich, daß er  weder den Grenzgedanken noch den allgemeinen Ertragsbegriff  benutzt, ohne welche eine Erklärung des Preises eben nicht möglich ist. Daß WAGNERs Ausführungen im übrigen eine Fülle von Bemerkungen über Spezialerscheinungen der Preisbildung bringen, ist beim Altmeister der deutschen ökonomischen Theorie selbstverständlich.

Bei von NEUMANN (47), dessen Preistheorie auf manche der Neueren (Lexis, Dietzel, Philippovich) von großem Einfluß gewesen ist, tritt der quantitativ-materialistische Standpunkt weniger hervor (48). Er hält aber an der ebenso falschen und vielleicht noch unklareren Vorstellung der Klassiker fest, die den Preis als  purchasing power,  als  Tausch-  oder  Kaufkraft  definieren, also der Vorstellung einer dem Gut innewohnenden Fähigkeit, eine gewisse Menge anderer einzutauschen. Preis ist nach ihm "der Grad der Tausch- oder Kaufkraft, in dem für ein Ding andere einzutauschen oder eingetauscht sind". Dieser Begriff der Tauschkraft spielt heute noch in der Literatur eine erhebliche Rolle und hat dazu geführt, daß noch alle Schriftsteller in allerdings ganz unklarer Weise Tauschwert und Preis unterscheiden. NEUMANN selbst macht dann aber gleich so viele Unterscheidungen und berücksichtigt soviele Spezialpreise (Eisenbahntarife und dgl.), daß er das eigentliche Problem der  Preisbildung,  das zugleich die  Erklärung des tauschwirtschaftlichen Mechanismus  überhaupt enthält, ganz aus dem Auge verliert. Im allgemeinen kommt auch er nicht über den Satz hinaus, daß die Konkurrenzpreise nach den  notwendigen (!) Kosten  gravitieren. Er macht dabei aber eine Unterscheidung, welche von den Anhängern der verschiedensten Richtungen akzeptiert ist und heute noch in fast allen Lehrbüchern (von Philippovich, Lexis, Conrad) eine Rolle spielt.
    "Was der Preis in der Regel erstrebt, ist der Betrag derjenigen Kosten, welche bei der billigsten Produktionsart aufzuwenden sind; denn erst dann, wenn  dieser  Betrag vom Preis erreicht ist, hört ja die  Möglichkeit  auf, aus der Benutzung jener Differenz zwischen Preis und Kosten einen Gewinn zu ziehen" (?) "Nun sind aber die billigen Produktionsarten nicht immer beliebig auszudehnen. ... Es müssen also "zum Mitwirken auch diejenigen ansich günstigeren Produktionsarten herangezogen werden, welche zur Deckung des Bedarfs (!) noch in Anspruch zu nehmen sind". "Wir sehen also 2 Gesetze: Falls die bezügliche billigste Produktionsart in einem dem Bedarf entsprechenden (!) Maß ausgedehnt werden kann, tendiert der Preis dahin, sich dem Betrag derjenigen Kosten zu nähern, welche nach dieser  billigsten  Produktionsart notwendig sind, falls jene Voraussetzung  nicht zutrifft,  dahin, sich dem Betrag der Kosten zu nähern, welche nach der zur Befriedigung des Gesamtbedarfs (!) noch in Anspruch zu nehmenden  teuersten  Produktionsart erforderlich sind." (49)
Es ist sonderbar, daß diese Unterscheidung so allgemein akzeptiert wurde und daß noch niemand erkannt hat, daß sie ganz sinnlos ist. Denn  1.  wenn wirklich der ganze Bedarf mit  denselben  Produktionskosten zu decken ist, so sind die billigsten Produktionskosten auch zugleich die teuersten; es hat also keinen Sinn, hierfür ein besonderes Gesetz aufzustellen.  2.  Tatsächlich beweist aber die Beobachtung des wirtschaftlichen Lebens, daß, wo Konkurrenz besteht, niemals alle Anbieter gleiche Kosten haben. Der Preis gravitiert also  immer  nach den  höchsten  "notwendigen" (!) Kosten.

Welches sind aber diese  "zur Deckung des Bedarfs notwendigen Kosten"? Hier liegt,  wie wir wissen,  das eigentliche Preisproblem,  hier der Grundfehler aller bisherigen Theorie, den auch von NEUMANNs Ausführungen charakteristisch aufweisen und auf den ich bei seinen Zitaten durch Anführungszeichen aufmerksam gemacht habe. Weil er nämlich in anderer Weise nicht angeben kann, welches der Produzent mit den höchsten, den Preis bestimmenden Produktionskosten ist, wie weit also das Angebot geht, nimmt er die  Nachfrage als eine gegebene Größe  an. Das ist ja nun, wie wir wissen, eine fundamentale Verkennung des ganzen tauschwirtschaftlichen Mechanisms, der schwerste Fehler, den ich den bisherigen sogenannten Preistheorien vorwerfe. Ohne den Begriff des Ertrages und ohne die Verbindung des Grenzgedankens mit ihm läßt sich die Entstehung des Konkurrenzpreises nicht erklären (50).

Auch LEXIS (51) steht auf ganz demselben Standpunkt,  "die  Nachfrage, unter der wir immer die "zahlungsfähige" verstehen" (Seite 76), als eine feste gegebene Größe anzusehen. Er geht daher ebensowenig wie alle anderen Autoren auf das ein, was eigentlich zu erklären ist. Auch er legt dann der Unterscheidung von NEUMANNs, ob die Waren beliebig unter gleichbleibenden Bedingungen vermehrt werden können oder nicht, große Bedeutung bei. Eigentümlicherweise, und im Gegensatz zu anderen Autoren, z. B. von PHILIPPOVICH (siehe unten), nimmt nun LEXIS an, daß "die Gesamtheit der wichtigeren Waren zur Klasse derjenigen gehört, die bei einem gewissen Preis beliebig, also der Nachfrage entsprechend (Was heißt das?) vermehrt werden können, ohne daß die Produktion unter ungünstigeren Umständen erweitert werden muß" (Seite 79). Das ist für die Theorie zweifellos nicht der Fall, trifft aber auch allgemein auf das wirtschaftliche Leben übertragen keineswegs zu. Die  Theorie  muß natürlich annehmen, daß die fruchtbarsten Länder, die ergiebigsten Erz- und Kohlenlager zuerst in Angriff genommen worden sind, und kann solche Verhältnisse, wie sie beim deutschen Kohlen- oder gar Kali-Bergbau heute bestehen, wo eine Ausdehnung des Absatzes allerdings eine enorme Verbilligung der Kosten pro Wareneinheit herbeiführen würde, nicht zugrunde legen. Hier liegt ja auch in der Tat vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus eine enorme Überkapitalisation vor. Die Gesamtheit der wichtigeren Waren ist aber schon deswegen nicht mit gleichen Kosten beliebig vermehrbar, weil die Kosten der  Arbeit  dadurch enorm gesteigert würden, indem die Arbeitskräfte aus ertragreicheren Erwerbszweigen herangezogen werden müßten. Es ist daher allgemein theoretisch gerade das Gegenteil von dem richtig, was LEXIS wenige Sätze vorher behauptet:
    "Bei Fabrikaten, deren Preis meistens nur zum kleinsten Teil durch den des natürlichen Rohstoffs bedingt ist und deren Herstellung im übrigen auf menschlicher Arbeit beruth, ist die beliebige Vermehrbarkeit ohne steigende natürliche Schwierigkeit offenbar."
Das ist, wie auch aus den darauffolgenden Sätzen hervorgeht, eine rein  technische  Auffassung, die für die oft betonte Verwechslung technischer und wirtschaftlicher Gesichtspunkte charakteristisch ist. Wirtschaftstheoretisch ist über diese Frage kurz etwa folgendes zu sagen: Abgesehen von reinen Seltenheitsgütern, die hauptsächlich  wegen  ihrer Seltenheit geschätzt werden, Bildern verstorbener Meister, Diamanten und dgl., sind alle Sachgüter sozusagen beliebig vermehrbar. Wenn die Bedürfnisse so dringend sind, daß ihre Befriedigung durch den Tauschverkehr mit einem überdurchschnittlichen Ertrag erfolgen könnte, würde doppelt soviel Getreide, Kohle, Eisen, doppelt soviel Wolle etc. wie heute gewonnen werden. Aber regelmäßig nur mit erhöhten Kosten, indem weniger günstige Länder, weniger reiche Erz- und Kohlenlager in Angriff genommen werden müßten, die Schafzucht, die Baumwollkultur usw. in Gegenden betrieben werden würden, in denen jetzt andere Erwerbszweige höher rentieren. Und es könnten nicht  alle  Güter vermehrt werden, sondern immer nur eines auf Kosten des anderen. Denn wenn  technisch  auch alle Naturprodukte beliebig vermehrbar sind, vom  wirtschaftlichen  Standpunkt aus, d. h. innerhalb der durch das wirtschaftliche Prinzip gezogenen Grenzen und innerhalb einer gegebenen Volkswirtschaft ist jedenfalls  ein  Gut nicht beliebig, sondern nur mit immer höheren Kosten vermehrbar: eben gerade die menschliche Arbeitskraft. An der menschlichen Arbeitsfähigkeit findet jede Ausdehnung der Bedarfsversorgung schließlich ihre Grenze. Und das ist auch ein logisch ganz selbstverständliches Ergebnis. Einerlei ob in der isolierten Wirtschaft oder in der kompliziertesten Tauschwirtschaft: die weitere Ausdehnung der Bedarfsbefriedigung findet darin ihre Grenze, daß das Mehr an Genuß gegenüber dem letzten Kostenfaktor, der immer mehr zunehmenden Arbeitsmühe, schließlich keinen genügenden Überschuß bietet.

Für die beliebig vermehrbaren Güter, zu denen nach LEXIS, wie gesagt, die "Gesamtheit der wichtigeren Waren" gehört, "bestimmt sich nun der normale Preis, um den der wirkliche Marktpreis mit mäßigen Aufschlägen schwanken soll, durch die jeweilig erforderlichen Produktionskosten mit Einschluß des normalen Kapitalgewinns" (Seite 77). Über diese Formulierung wird unten im Anschluß an die ähnliche von PHILIPPOVICHs noch zu reden sein. Hier sei darauf hingewiesen, daß LEXIS also dem Grenzgedanken bei der Erklärung der Preisbildung keine Rolle zuweist. Der Preis wird nicht bestimmt durch Grenzkosten, sondern durch die "jeweilig erforderlichen Produktionskosten". Die Unrichtigkeit dieser Auffassung zeigt eigentlich eine Beobachtung des wirtschaftlichen Lebens schon zur Genüge, sie ergibt sich theoretisch aus unseren Erörterungen.

Das Schlußergebnis, zu dem LEXIS kommt (Seite 93-94), ist daher auch in ungemein wenig verhüllter Weise gleich Null.
    "Der Gesamtpreis aller ... abgesetzten Konsumgüter wird durch den für die Konsumtion verwendeten Teil des Volkseinkommen, der Gesamtpreis der Kapitalgüter aber wird durch den die Nachfrage nach diesen Gütern unterhaltenden Teil des gesamten Geldkapitals bestimmt." (!)
Daß hier einmal vom "Volkseinkommen", dann von "gesamten Geldkapital" die Rede ist, verhüllt nur wenig die Tatsache, daß sich als einziger Inhalt dieses Satzes die Definition ergibt:  Preis ist das Geld, das für ein Gut bezahlt wird.  Daß aus dem Satz eine Vorstellung gewonnen werden könnte, wodurch der Preis "bestimmt" wird, ist entscheiden zu bestreiten.

Als charakteristisch sei schließlich noch die Stellung angeführt, die von SCHMOLLER zur Preistheorie einnimmt (52). Im allgemeinen kann man sie als rein eklektisch bezeichnen. Sie erhält ihre besondere persönliche Note nur durch das Hineintragen ethischer Momente, Erörterungen über sittlichen Wert und gerechten Preis, die aber mit der theoretischen Seite nichts mehr zu tun haben. Der Systematik seines Lehrbuches nach hätte SCHMOLLER Gelegenheit gehabt, den Preis rein als Geldausdruck zu betrachten, aber leider macht auch er den großen Fehler, im Preis einen Wertausdruck zu sehen. Er erklärt sogar ausdrücklich: "der Preis erscheint als der präziseste Wertausdruck.  Der Preis ist der konkret im einzelnen Fall zur Tat gewordene Wert",  während in Wirklichkeit, wie wir wissen, der Preis niemals ein Ausdruck des Wertes (Nutzens) ist.
    "Die teilweise in den Lehrbüchern gemachte Unterscheidung einer besonderen Wert- und einer besonderen Preislehre halten wir nicht für nötig" (ebd) (53).
In Bezug auf die Entstehung des "Marktwertes" befindet sich von SCHMOLLER ganz unter dem Einfluß von BÖHM-BAWERKs und er untersucht daher überhaupt nicht das Problem der Entstehung eines Preises, sondern zerlegt wie dieser (siehe unten) nur die beiden Momente: Angebot und Nachfrage. Es ist aber charakteristisch für die Verkennung des eigentlichen Preisproblems, wie er diese Begriffe definiert:
    "Das Angebot ist die von den Interessenten gewußte oder geschätzte, bestimmte Menge (!) einer Gattung von Waren, die auf einem bestimmten Markt, in einer bestimmten Zeit Käufer sucht, zum Verkauf bereit liegt oder zu den üblichen Lieferterminen erwartet wird. Die Nachfrage ist der durch den Besitz von Geld und Kredit unterstützte Wunsch der Käufer desselben Marktes und derselben Zeit - der Händler, der Produzenten und der Konsumenten -, diese (!) Waren zu erwerben." (54)
Das ist in der Tat der Standpunkt des Händlers: die Waren sind da; warum soviel produziert worden ist, kümmert ihn nicht, er sieht nur darauf, ob die Konsumenten sie auch kaufen. Aber was die Wissenschaft zu leisten hat, wird hier vollkommen verkannt. Sie hat ja gerade zu  erklären, warum eine bestimmte Menge von Waren angeboten wird,  warum z. B. so und soviel Winterröcke produziert werden. Und Nachfrage ist nicht "der Wunsch der Käufer  diese  Waren zu erwerben", mit anderen Worten: sowohl das Angebot wie auch die Nachfrage dürfen nicht als feste Größe angesehen werden, sondern es ist gerade eine Aufgabe der Theorie zu zeigen, wie aufgrund der zahllosen Bedarfsempfindungen der einzelnen Menschen ein Angebot zu ihrer Befriedigung und ein Preis zustande kommt.  Nachfrage ist der Gesamtausdruck für die tauschwirtschaftlichen Bedürfnisse der einzelnen Menschen, projiziert auf ihr Geldeinkommen, unter der Wirkung des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge.  Nach dem Urteil der Produzenten darüber richtet sich dann das Angebot unter dem Streben nach dem größten Ertrag und, bei freier Konkurrenz, ebenfalls unter dem Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge.

Man erkennt aus dem Gesagten, wie außerordentlich oberflächlich die bisherige Auffassung der Preistheorie war, wie man, von falschen Grundbegriffen ausgehend, ihre eigentliche erste Aufgabe nicht einmal ahnte.


Gehen wir zur  zweiten Gruppe  der bisherigen Preistheorien über. Es sind diejenigen, welche auf der Anwendung des  Grenz gedankens beruhen. Die  österreichische sogenannte Grenznutzenlehre,  die wir im Auge haben, hat für die Preislehre, wie überhaupt für die Erklärung der wirtschaftlichen Erscheinungen nicht das geleistet, was manche ihrer Vertreter sich einbilden und was man nach der Verbreitung, die ihre Lehren gefunden haben, annehmen könnte. Der Grenzgedanke, den in die ökonomische Wissenschaft eingeführt zu haben, neben HEINRICH HERMANN GOSSEN und STANLEY JEVONS ein zweifelloses großes Verdienst von CARL MENGER ist, ist doch schon durch ihn selbst und ganz besonders dann durch seine Nachfolger von vornherein in eine ganz falsche Richtung gebracht worden. Und zwar, wie wir jetzt wissen, erstens durch die Einführung eines, auf dem Bewußtsein der Abhängigkeit von den Gütern beruhenden,  Wertbegriffs  überhaupt, dann insbesondere durch die Lehre von der  Bestimmung dieses Wertes einer Gütermenge durch den Nutzen der letzten Teilquantität.  sie haben damit die Bedeutung des  wirklich subjektiven Nutzens (Genusses),  der sich eben  nicht  nach dem Grenznutzen bestimmen läßt, verkannt, sie haben versäumt, diesen Nutzen scharf den  Kosten  gegenüber zu stellen und dann  auf die Differenz zwischen beiden, den Ertrag, den Grenzgedanken anzuwenden.  Das sind zugleich, wie jetzt wohl jedermann erkennen wird, die grundlegenden neuen Gedanken, die wir in die ökonomische Theorie einführen. Die Anhänger der österreichischen Richtung liefern daher überhaupt keine Erklärung der Entstehung des Preises und damit keine des Mechanismus der heutigen Tauschwirtschaft (55) (und manche, die an der klassischen Kostentheorie festhalten, wie  Wagner, Lexis, Dietzel, Oldenberg  haben deshalb nicht so ganz unrecht mit ihrer Behauptung, daß diese schließlich immer noch mehr leistet). Sie liefern vielmehr nur eine  Tauschlehre,  was nach unseren Ausführungen etwas ganz anderes ist. Sie stellen nämlich bestenfalls fest, welche Käufer  bei einer gegebenen Gütermenge  zum Austausch gelangen und welche Quantitäten einem jeden zufallen. Dabei werden immer die "Wertschätzungen" auf beiden Seiten einfach in Zahlen ausgedrückt und der Relationscharakter des Wertes oder Nutzens verkannt. Auch hält die österreichische Schule, trotz des von ihr behaupteten "subjektiven" Ausgangspunktes, ganz an der quantitativ-materialistischen Auffassung der Wirtschaft fest.

So beginnt CARL MENGER, der Begründer der österreichischen Schule, seine Lehre vom Preis mit den Worten (56): "Die Preise, oder mit anderen Worten, die im Tausch zur Erscheinung gelangenden  Güterquantitäten ..."!  Also auch hier schon im ersten Satz der allgemeine Fehler der bisherigen materialistischen Theorie! MENGER liefert, wie die ganze österreichische Schule überhaupt keine Erklärung der Entstehung des Preises und damit des tauschwirtschaftlichen Mechanismus. Er zeigt nirgends, wie trotz verschiedener Nutzeneinschätzungen einer ansich unbegrenzten Menge Nachfragender und trotz verschiedener Kosten der Anbieter ein Angebot in einem bestimmten Umfang zustande kommt, warum eine bestimmte Geldsumme von allen für das einzelne Gut bezahlt wird und wie dieser "Preis" entsteht. Auch macht er den Fehler, obgleich er sich im Anfang des betreffenden Kapitels entschieden gegen die alte Lehre vom  Äquivalententausch  ausspricht, dann doch gegeneinander getauschte Güter als Äquivalente zu behandeln. (57)

Eine besondere Verbreitung hat die  Mengersche Preislehre  dann in ihrer weiteren Ausgestaltung durch von BÖHM-BAWERK (58) gefunden. Der bewundernswerte Scharfsinn und die Zähigkeit, mit denen er ein schon in den Voraussetzungen (materialistische Auffassung, Identifizierung von Wert und Grenznutzen, Übersehen des Ertragsbegriffs, Zurechnungslehre usw.) falsches Lehrgebäude zu stützen versuchte, hat seinen Arbeiten die Beachtung all derjenigen eingetragen, die, ohne von einem eigenen Standpunkt aus die Fehler der österreichischen Schule erkennen und verbessern zu können, doch für Lehrbuch- oder akademische Zwecke irgendeine Theorie brauchten. So kommt es, daß, obgleich die komplizierten aber glänzend entwickelten Theorien von BÖHM-BAWERKs wohl von keinem einzigen Nationalökonomen völlige Zustimmung erfahren haben, seine Hauptgedanken doch überall in den Lehrbüchern und auf den Kathedern vorgetragen werden.

von BÖHMs Preistheorie ist nur eine weitere Ausführung der Grundideen MENGERs und er liefert daher, wie dieser, eigentlich nur eine Lehre von den  Tauschgrenzen,  aber keine Erklärung der Entstehung des Preises. Auch er macht gleich von Anfang an den Kardinalfehler,  Angebot und Nachfrage als feste Größen anzusehen,  wodurch das, was das eigentlich zu Erklärende, das Hauptproblem der ganzen Theorie ist, überhaupt außerhalb des Rahmens seiner Untersuchung bleibt. Im Hauptfall, dem des beiderseitigen Wettbewerbs, stehen sich eine bestimmte Zahl Kauflustiger und Verkaufslustiger gegenüber, von denen jeder ein Pferd kaufen will bzw. zu verkaufen hat. Wenn die Kauflustigen nicht genau wissen, wieviele Verkaufslustige da sind und wieviele Pferde ein jeder von ihnen zu verkaufen hat und wenn nicht das Umgekehrte bei den Verkaufslustigen der Fall ist, gilt diese ganze sogenannte "Preistheorie" nicht. Eine  wirkliche  Preistheorie, eine wirkliche Erklärung der Entstehung des Preises aus subjektiven Wertschätzungen, die jene Lehre ganz mit Unrecht zu sein behauptet, hat aber nicht Angebot und Nachfrage als feste Größen anzunehmen, sondern gerade zu erklären, warum - um bei dem alten Beispiel zu bleiben - trotzdem 100 000 Konsumenten ein Bedürfnis nach Winterröcken haben, 20 000 angeboten werden und der Preis sich allgemein, sagen wir, auf 40 Gulden stellt. Wer  das  erklären kann, der kann behaupten, eine Preistheorie aufgestellt zu haben, die dem wirtschaftlichen Leben entspricht; von BÖHM aber geht von Voraussetzungen aus, die im wirtschaftlichen Leben gar nicht zutreffen und die das als gegeben voraussetzen, was eigentlich erst erklärt werden soll.

Infolgedessen ist auch sein Ergebnis vom Standpunkt einer wirklichen Preistheorie einfach ganz nichtssagend:
    "Bei beiderseitigem Wettbewerb stellt sich der Marktpreis innerhalb eines Spielraums fest, der nach oben begrenzt wird durch die Wertschätzungen des letzten noch zum Tausch kommenden Käufers und des tauschfähigsten ausgeschlossenen Verkaufsbewerbers, nach unten durch die Wertschätzungen des mindestfähigen noch zum Tausch gelangenden Verkäufers und des tauschfähigsten vom Kauf ausgeschlossenen Kaufbewerbers." (59)
Welches die letzten noch zum Tausch gelangenden bzw. ausgeschlossenen Käufer sind, das soll gerade erklärt werden und es ist kein Käufer oder Verkäufer von vornherein als "tauschfähigst" oder "mindest tauschfähig" anzunehmen, sondern es ist wiederum erst zu erklären, warum so und so viele Verkäufer mit so und soviel Mengen einer Ware auf den Markt kommen. Die ganze so viel bewunderte kindliche ziffernmäßige Berechnung einer oberen und unteren Preisgrenze bei gegebener Angebots- und gegebener Nachfragemenge. Daß man das als eine  Erklärung der Entstehung des Preises aus subjektiven Wertschätzungen  ausgeben kann, beweist genugsam die ganze Oberflächlichkeit der heutigen Theorie.

Daß den österreichischen Theoretikern und allen, die diese Lehre akzeptierten, das eigentliche Preisproblem überhaupt nicht klar geworden ist, zeigt sich dann weiter in den von BÖHM-BAWERK aufgestellten  Preisbestimmungsgründen,  die in alle Lehrbücher übergegangen sind und in allen Vorlesungen vorgetragen werden:
    1. die Zahl der auf die Ware gerichteten Begehrungen (Umfang der Nachfrage),

    2. die Höhe der Schätzungsziffern auf Seiten der Kauflustigen (Intensität der Nachfrage),

    3. die Zahl, in der die Ware feil ist (Umfang des Angebots),

    4. die Höhe der Schätzungsziffern auf Seiten der Verkaufslustigen (Intensität des Angebots). (60)
Auch hier also wieder der Grundfehler, Angebot und Nachfrage sowohl dem Umfang als auch der Intensität nach als gegebene Größen anzusehen, während es, wie immer wieder betont werden muß, es Aufgabe der Preistheorie ist zu erklären, wie bei verschiedenen und dem Umfang nach nicht bekannten Bedarfsempfindungen der Konsumenten ein Angebot entsteht und ein Preis zustande kommt. Daß das nur erklärt werden kann  mittels  des Ertragsbegriffs und mittels des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge, dürfte jetzt wohl jedem einleuchten, ebenso aber auch, warum ich behaupte, zum ersten Mal eine wirkliche Erklärung des Preises aus subjektiven Wertschätzungen gegeben zu haben.

Die von BÖHM-BAWERKsche Preislehre, bzw. genauer gesagt die von BÖHM vorgenommene Festlegung der Grenzen, innerhalb deren sich ein Preis bei einer gegebenen Angebots- bzw. Nachfragemenge bewegen kann, ist in viele Lehrbücher übergegangen. Sie wird vor allem auch von PHILIPPOVICH in seinem Lehrbuch vorgetragen, der jedoch damit in ganz eklektischer Weise das "Produktionsgesetz" (61) oder, genauer gesagt, die 2 Produktionskostengesetze im Anschluß an von NEUMANN verbindet.
    "Bei Gütern, welche beliebig, d. h. innerhalb weiter, das praktische Bedürfnis überschreitender Grenzen hergestellt werden können" soll sich bei freier Konkurrenz "der Preis auf die Dauer auf die Höhe der niedrigsten Produktionskosten stellen, die zur Herstellung der Güter notwendig sind, wobei unter Produktionskosten die zur Herstellung einer bestimmten Quantität Güter von bestimmter Art benötigten Gütermengen bzw. ihr Wert inklusive des erwarteten Gewinns verstanden werden."

    "Eine vom ausgeführten Produktionskostengesetz abweichende Preisbestimmung nach Produktionskosten tritt dann ein, wenn es sich um Produkte handelt, die nur mit erhöhtem Kostenaufwand vermehrt werden können. Hierher gehören z. B. alle land- und forstwirtschaftlichen Bodenprodukte innerhalb eines räumlich abgegrenzten Gebietes (62). Auch hier wird sich der Preis in Übereinstimmung befinden mit den Produktionskosten, jedoch nicht mit den niedrigsten, sondern mit den höchsten, die noch aufgewendet werden müssen, um eine gegebene zahlungsfähige Nachfrage zu befriedigen!"
Von den zahlreichen Irrtümern, die sich in diesen Sätzen finden, sei hier nur das wichtigste hervorgehoben. Zunächst werden hier natürlich wieder Angebot und Nachfrage als  gegebene feste  Größen angesehen und daher das eigentliche Problem der Preisbildung überhaupt verkannt. Es ist doch geradezu naiv, in der Preistheorie von einer  "gegebenen, zahlungsfähigen (!) Nachfrage"  zu sprechen; das eine Wort  "zahlungsfähig"  setzt doch schon einen bestimmten Preis voraus, dessen Entstehen aber eigentlich erklärt werden soll. Ebenso aber von den Produktionskosten zu sprechen,  "die zur Herstellung der (!) Güter notwendig sind"!  Welcher Güter?, wieviele Güter werden angeboten?; das ist ja gerade das Problem.

Die Preisbestimmung nach den niedrigsten Produktionskosten hat so, wie von PHILIPPOVICH sie formuliert, überhaupt keinen Sinn, weil es ja ganz gleichgültig ist, ob Güter über "das praktische Bedürfnis" (d. h. wieder: festbestimmte Angebotsmenge) vermehrt werden können.

Sind die Kosten verschieden, so gravitiert der Preis immer nach den höchsten Kosten, die aber durch das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge zu bestimmen und nicht als eine gegebene Größe anzusehen sind. Man denke doch z. B. an die Verhältnisse im Kohlenbergbau. Wenn das Kohlensyndikat durch die freie Konkurrenz ersetzt würde, so würde zwar ein großer Teil der heute noch produzierenden Zechen zugrunde gehen, aber der Preis würde auf die Dauer immer noch bestimmt werden durch die Kosten der teuersten Zeche, die dabei noch den volkswirtschaftlichen Grenzertrag erzielt. Sind aber die Kosten aller Anbieter gleich, was praktisch nie vorkommt, so hat es keinen Sinn, von höheren oder niedrigeren Kosten zu sprechen.

Es ist also einfach nicht wahr, was schon ADAM SMITH behauptete und was noch LEXIS beifällig zitiert (a. a. O., Seite 83), daß der Preis der Kohlen durch die ergiebigsten Gruben bestimmt wird. Und zwar ist es im praktischen Leben noch weniger wahr als theoretisch. Denn die Theorie muß voraussetzen, daß die ergiebigsten Gruben ihre Produktion möglichst ausdehnen und womöglich den ganzen Bedarf versorgen. Solange aber überhaupt nur mehrere Anbieter da sind, haben sie verschiedene Kosten und  der teuerste, der noch den volkswirtschaftlichen Grenzertrag erzielt,  bestimmt den Preis. Im Wirtschaftsleben aber pflegen die billigsten Gruben niemals ihre Produktion so weit auszudehnen und zwar neben zahlreichen anderen wirtschaftlichen und technischen Gründen hauptsächlich deswegen, weil die Nachfrage eine schwankende ist. Es liegt in ihrem Interesse - und dies näher zu untersuchen wäre eine dankbare Aufgabe für die Theorie mit wichtigen praktischen Konsequenzen - bei starker Nachfrage andere teurere Produzenten eintreten zu lassen. Würden die billigsten Produzenten auf die Versorgung des ganzen Bedarfs auch bei größter Nachfrage eingerichtet sein, so würde der Ertrag in der  gesamten  Industrie niemals über den volkswirtschaftlichen Grenzertrag hinausgehen. Das ist aber noch in keiner Industrie jemals vorgekommen.

Für die Theorie, die völlig freie Konkurrenz voraussetzt, sind jedenfalls alle Güter nur mit erhöhten Kosten vermehrbar. Immer sind es die  höchsten Kosten - an diesem richtigen Kern der Grenznutzenlehre möge man doch festhalten -,  die für die Preisbestimmung in Betracht kommen. Welches aber die höchsten Kosten sind, die noch aufgewendet werden, und wieviele Güter daher zum Angebot gelangen, das kann, wie man wiederum erkennt, nur aufgrund des  Ertrags begriffs und mit dem  Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge  erklärt werden. -

Fassen wir diese Ausführungen noch einmal kurz zusammen: Die Grenzwertlehre der Österreicher erkennt am wenigsten die eigentliche Aufgabe der Preistheorie: die Entstehung eines Preises aus subjektiven Wertschätzungen zu erklären. Sie setzen Angebot und Nachfrage als gegeben voraus und kommen daher nur zur Angabe von Preisgrenzen bei einer von vornherein gegebenen Gütermenge. Diesem für die Erklärung des tauschwirtschaftlichen Mechanismus ganz nichtssagendem Ergebnis ist die alte Kostentheorie noch in gewisser Hinsicht überlegen und ich verkenne es Leuten wie ADOLF WAGNER, LEXIS, DIETZEL, SCHARLING usw. gar nicht, wenn sie diese Errungenschaften der österreichischen und amerikanischen Grenzwertlehre ablehnen. Nur haben sie selber auch nichts Besseres an die Stelle der klassischen Kostentheorie und des Verteilungsgedankens zu setzen vermocht und die richtige und wertvolle Seite des Grenzgedankens nicht erkannt, woran allerdings die Österreicher wiederum am meisten Schuld tragen.

Es ist nun klar, daß für die Erklärung des Preises irgendeine feste Größe gegeben sein muß. Nachfrage und Angebot sind keine solchen; denn die Nachfrage ist als unbegrenzt anzusehen und welcher Teil von ihr befriedigt wird, was also angeboten wird, das ist eben zu erklären. Auch sind Nachfrage und Angebot  Gesamtbegriffe,  umfassen die gesamten noch unbefriedigten Bedürfnisse nach einem Produkt und die gesamte hergestellte Menge derselben. Es ist aber leicht einzusehen, daß die Preisbildung, wenn auch ein "gesellschaftlicher" Vorgang - wieviel Mißbrauch wird mit diesem Wort getrieben! - doch aus dem wirtschaftlichen Handeln und Streben des einzelnen tauschwirtschaftlichen Subjekts erklärt werden muß. Endlich hätte ein aufmerksamer Theoretiker schon dahinter kommen können, daß der Begriff  Nachfrage  in der Regel einen Wertbegriff darstellt, während man bei Angebot rein technisch-quantitativ nur an die Menge der Güter zu denken pflegt, und das hätte schon zur Vorsicht bei der Aufstellung der üblichen "Preistheorien" mahnen sollen.

Mit der Identifizierung von Preis und Wert, die allen Theorien charakteristisch ist (Wert des Winterrocks = 40 Gulden), bei den Österreichern freilich in einem Widerspruch mit ihren sonstigen Lehren, war natürlich auch gar nichts gewonnen. Dem gegenüber war die klassische Theorie noch verhältnismäßig auf nicht so falschem Weg, wenn sie den Preis statt durch Angebot und Nachfrage, durch die Kosten bestimmt sein ließ. Denn daß die Kosten etwas mit dem Preis zu tun haben müssen, ist sicher. Eigentlich ist auch keine der bisherigen Preislehren darüber hinausgekommen, trotzdem sich aus der Beobachtung des wirtschaftlichen Lebens deutlich genug ergab, daß oft die Preise von den Kosten himmelweit verschieden sind und beide sehr häufig in der Tat gar nicht miteinander in Beziehung stehen.

Andererseits erkannte die subjektive Richtung wenigstens prinzipiell, daß der Preis nicht durch die Kosten bestimmt werden kann, da diese ja im Gegenteil bestimmen, ob und welche Kosten aufgewendet werden. Hätte man an diesem Gedanken festgehalten und sich nicht die Beobachtung des wirtschaftlichen Lebens selbst durch künstliche Konstruktionen: Wertbegriff, Verteilungsgedanke, Zurechnungslehre verschleiert, so hätte man schließlich zur richtigen und so einfachen Erkenntnis gelangen müssen. Man hätte sich schließlich sagen müssen, daß der Preis zwar weder mit Nutzen oder Wert noch mit Kosten identisch sein kann, daß er aber doch durch beide bestimmt sein muß und wäre so schließlich zum Ertragsbegriff gelangt, der doch schon vom Ausgangspunkt des wirtschaftlichen Prinzips aus so nahe lag. Und wenn man dann den schon in die Wissenschaft eingeführten  Grenz gedanken und weiter den Ausgleichsgedanken auf den Ertrag angewendet hätte, dann hätte man die feste gegebene Größe in der Hand gehabt, mit der die Preiserklärung geschehen muß; denn Nachfrage und Angebot, Nutzen und Kosten, sie sind alle nicht gegeben, auch der privatwirtschaftliche Konsumertrag ist nicht gegeben, sofern er nicht, wie in der Regel beim Arbeitsertrag, mit dem erwerbswirtschaftlichen zusammenfällt. Aber der tauschwirtschaftliche Grenzertrag, insbesondere der Grenzkapitalertrag (wozu natürlich ein sogenannter Unternehmergewinn, eine sogenannte Grundrente und Kapital zins  ebenso gehören) ist gegeben, derjenige Ertrag, bei welchem die tauschwirtschaftlichen Subjekte aufhören, in einen Erwerbszweig weiteres Kapital und weitere Arbeit hineinzustecken. Er ist allgemein gegeben durch die Tendenz des Ausgleichs der Grenzerträge in den einzelnen Wirtschaftszweigen, die durch die Kapitalbildung dann noch auf die Wirtschaftsführung der Konsumwirtschaften hinübergreift und ihre individuellen Grenzerträge mit dem volkswirtschaftlichen verbindet.

Dies ist der tiefere Grund für die eigentümliche Erscheinung, daß, trotzdem es vom Preis abhängt, ob im einzelnen Fall Kosten aufgewendet werden, der Preis doch durch die Kosten mitbestimmt wird. Aber eben nur  durch die Differenz zwischen Nutzen und Kosten, den Ertrag,  und  nicht  durch den  individuellen  Ertrag, die individuellen Nutzen und Kosten, sondern durch den geringsten, den  Grenzertrag,  der durch das fundamentale Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge allgemein bestimmt wird.


Eine Eigentümlichkeit einiger neuerer Preistheorien soll schließlich noch erwähnt werden. Es gibt einige Nationalökonomen, die meiner Kritik entgegenhalten können, sie hätten keineswegs den Gedanken übersehen, daß alle Wirtschafter nach Ertrag streben, berücksichtigen ihn vielmehr bei der Erörterung des Preises. Das ist zutreffend. Einige Schriftsteller berücksichtigen in der Tat bei der Erörterung der Preisbestimmungsgründe auch das Streben nach Gewinn, indem sie nämlich einen "normalen" oder "durchschnittlichen" oder "erwarteten" Kapitalgewinn ... zu den Produktionskosten rechnen! Während z. B. WAGNER und von NEUMANN das Gewinnstreben der Wirtschafter bei der Gestaltung des Preises gar nicht berücksichtigen (sie die obigen Zitate) (63), nach ihnen vielmehr der normale Konkurrenzpreis derjenige ist, der "den" Kosten entspricht, bei dem also die Wirtschafter gar keinen Gewinn erzielen, suchen andere die Kostentheorie durch eine Berücksichtigung des Ertragsstrebens zu verbessern. Das geschieht aber in einer Weise, welche diese "Verbesserung" als sehr fraglich erscheinen läßt, jedenfalls die Erkenntnis des tatsächlichen tauschwirtschaftlichen Prozesses nur noch mehr verdunkelt. Man rechnet nämlich den "Kapitalgewinn" einfach zu den Produktionskosten! Wie problematisch dieses Manöver ist, kann man zunächst schon äußerlich daraus erkennen, daß der eine den "normalen", ein anderer den "durchschnittlichen", ein dritter den "erwarteten" Kapitalgewinn den Produktionskosten zuschlägt und so den Preis "bestimmt". Als Vertreter dieser "verbesserten Produktionskostentheorie" führe ich LEXIS und von PHILIPPOVICH mit ihren charakteristischsten Sätzen an. Am offensichtlichsten falsch ist die Anschauung von PHILIPPOVICHs (64).
    "Bei beliebig vermehrbaren Gütern ... stellt sich der Preis auf die Höhe der niedrigsten (!) Produktionskosten, die zur Herstellung der (!) Güter notwendig sind, wobei unter Produktionskosten die zur Herstellung einer bestimmten Quantität an Gütern benötigten Gütermengen bzw. ihr Wert (!)  inklusive  des erwarteten Gewinns!"
Was würde ein Kaufmann dazu sagen, wenn man den Gewinn, den er erwartet (!), zu den Kosten rechnen wollte. Jeder erwartet natürlich einen möglichst hohen Gewinn, mit anderen Worten hofft, seine Kosten möglichst niedrig zu gestalten, seine Waren möglichst hoch und in möglichst großer Zahl zu verkaufen. Etwas ganz anderes ist es natürlich, wenn ein Unternehmer bei der Kalkulation der Preise, auf die er äußerstenfalls im Konkurrenzkampf hinabgehen würde, auf das einzelne Produkt einen gewissen Minimalzuschlag zu seinen Kosten rechnet, den er nicht zu unterschreiten hofft. Dieser wird dann meist dem volkswirtschaftlichen Grenzertrag gleichkommen, der aber, wie wir wissen, nicht durch die Produktionskosten eines einzelnen Unternehmers (ganz gewiß nicht des billigsten!), bestimmt wird, sondern eine durch frühere Bedürfnisse, frühere Preise und den Geldwert gegebene Größe ist, nach der sich die Unternehmer mit ihrer Verwendung von Kosten richten. Wie man aber behaupten kann, daß der vom einzelnen Unternehmer erwartete Gewinn zusammen mit seinen Kosten den Preis bestimmt, ist schon deswegen unverständlich, weil dadurch ja vollkommen der Preis als tauschwirtschaftliche (gesellschaftliche) Erscheinung verkannt wird. Wie erklärt nun von PHILIPPOVICH, daß alle Konsumenten denselben Preis zahlen? Haben alle Produzenten dieselben Kosten und "erwarten" denselben Gewinn?

Man erkennt immerhin aus von PHILIPPOVICHs Fassung das Bestreben, das Ertragsmoment zu berücksichtigen, offenbar aus dem Gefühl heraus, daß es mit dem Preis etwas zu tun haben muß. Aber in dieser Form ist die Lösung ganz unzulänglich und ganz unwirklich. Auch geht seine Auffassung von der Voraussetzung einer gegebenen Angebotsmenge aus, dem bekannten Grundfehler, der eine wirkliche Erklärung des tauschwirtschaftlichen Mechanismus und der Preisbildung ausschließt.

Etwas weniger unwirklich ist die Auffassung von LEXIS (65). Er kommt mit seiner oben zitierten Lehre vom "normalen Kapitalgewinn" unserem Gedanken des volkswirtschaftlichen Grenzertrags äußerlich schon etwas näher. Der treibende Gedanke ist bei ihm offenbar derselbe wie bei von PHILIPPOVICH. Er rechnet aber ebenfalls den Kapitalgewinn zu den Produktionskosten und erkennt nicht, daß Ertrag - ob er mit Arbeitsleistungen oder mit Sachgütern erzielt wird, bleibt ganz einerlei - das Ziel der ganzen Wirtschaftstätigkeit ist. Vor allem fehlt ihm aber der Grenzgedanke. Die "jeweilig erforderlichen Produktionskosten mit Einschluß des normalen Kapitalgewinns" bestimmen den Preis. Damit erzielte dann jeder Produzent einen anderen Preis, oder wenn, was LEXIS annimmt, die Produktionskosten aller gleich sind - denn sein Satz gilt ja für beliebig vermehrbare Güter - erzielten alle den gleichen Kapitalgewinn, was beides mit dem wirtschaftlichen Leben nicht übereinstimmt.

Die ganze Auffassung vom "normalen Kapitalgewinn" ist dann auch nachdrücklichst abgelehnt und zwar von ... LEXIS selbst. Eigentümlicherweise erklärt er nämlich 4 Seiten später mit genügender Deutlichkeit:
    "Aus dieser großen Verschiedenheit der objektiven, privatwirtschaftlichen und subjektiven Existenzbedingungen der Unternehmungen ist schon ersichtlich, wie wenig die abstrakte Annahme  zutrifft, daß es einen "normalen" Kapitalgewinnsatz gibt,  den jeder Produzent zu seinen eigentlichen Produktionsausgaben oder Selbstkosten in Anrechnung bringt, um den zu fordernden Preis zu bestimmen. Vorgängige Kalkulationen werden ohne Zweifel gemacht, aber auf den wirklich erzielten Gewinn haben diese keinen Einfluß (siehe oben gegen  von Philippovich).  Aus der Gesamtheit der Produktion und der Gesamtheit der Nachfrage ergibt sich auf dem großen Markt ein Preis, dem sich der einzelne Produzent schließlich fügen muß, auch wenn er vielleicht seine Ware so lange wie möglich zurückhält." (66)
Sehr richtig! Die Entstehung  dieses  Preises "auf dem großen Markt" hätte LEXIS aber erklären sollen. Das ist jedoch nicht möglich mit dem "den jeweiligen Produktionskosten" zuzuschlagenden, normalen Kapitalgewinn, sondern nur mit der Tendenz des Ausgleichs der Grenzerträge, wodurch der letzte Anbieter und damit der Preis bestimmt wird.
LITERATUR Robert Liefmann, Die Entstehung des Preises aus subjektiven Wertschätzungen, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 34, Tübingen 1912
    Anmerkungen
    33) Auch die Österreicher (Menger, von Böhm-Bawerk etc.) gehören hierher, obwohl sie dabei auch noch mit dem Grenzbegriff operieren (siehe unten Kapitel VII).
    34) Vgl. dazu Kapitel VII. Da kein einziger Nationalökonom eine wirklich konsequente Preistheorie vertritt, wird von allen gelegentlich  sowohl  Angebot  als auch  Nachfrage als gegebene feste Größe behandelt.
    35)  von Böhm-Bawerk,  Grundzüge einer Theorie des wirtschaftlichen Güterwertes, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 1886, Bd. 47, Seite 540. Ebenso  von Philippovich,  Preisbestimmung durch die höchsten und durch die niedrigsten Kosten, a. a. O., § 81 (siehe auch unten Kapitel VI).
    36) Das zeigt zugleich wiederum, daß das Wesen des wirtschaftlichen Handelns nicht mit der Seltenheit der Güter, ihrer beschränkten Verfügbarkeit zusammenhängt, was die heutige allgemeine Lehre ist und worauf die ganze österreichische Wertlehre beruth, sondern nur mit Nutzen und Kosten.
    37) Daß diese Formulierung auch für den  Monopolpreis  gilt, indem unter Grenzertrag sowohl der des Produzenten (untere Grenze) wie der des Konsumenten (obere Grenze des Monopolpreises) gemeint sein kann, wird unten gezeigt werden.
    38) siehe dazu einstweilen meine Ausführungen in der Produktivitätsdebatte des Vereins für Sozialpolitik, Schriften Bd. 132, Seite 577f, sowie den im Märzheft der  Conradschen Jahrbücher  erscheinenden Aufsatz "Grundlagen einer ökonomischen Produktivitätstheorie". - - - Natürlich hat dieser "Idealpreis" nicht das Geringste mit einem "angemessenen" oder "gerechten" Preis zu tun, der auch heute noch, selbst in der Theorie, eine erhebliche Rolle spielt und bei dessen Statuierung ethische und dgl. Gesichtspunkte mitwirken.
    39) Ertrag und Einkommen, Seite 27 und 28. Auf die dortigen Ausführungen über die sogenannten Einkommensarten möchte ich hier nochmals verweisen. Manches, was bisher den Lesern jener Schrift offenbar nicht klar war, dürfte ihnen nach der Lektüre dieses Aufsatzes verständlich werden.
    40) Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei betont, daß der volkswirtschaftliche Grenzertrag und Grenzkapitalertrag natürlich keine synonymen Begriffe sind, da zum ersteren auch Arbeitserträge gehören. Vom  volkswirtschaftlichen  Grenzertrag sprechen wir, um auf die durch die ganze Volkswirtschaft gehende Ausgleichstendenz der Grenzerträge bei den  Erwerbswirtschaften  hinzuweisen.  Erwerbsgrenzertrag  wäre vielleicht am besten.
    41) Vgl. die Ausführungen  von Neumanns  und  von Philippovichs  über "Zusammenhängende Preise".
    42) Nur  Schumpeter,  a. a. O., Seite 49 betont das gelegentlich: "In einer vollkommenen Verkehrswirtschaft steht jedes Gut in einer festen Tauschrelation zu allen anderen." Aber  Schumpeter  faßt das ganz anders, eben rein quantitativ-materialistisch auf und meint (Seite 50), daß das auch beim Naturaltausch gilt, da "alles wirtschaftliche Handeln für uns nichts anderes ist, als eine Veränderung der ökonomischen Quantitäten". Es ist eben einer der fundamentalen Fehler dieses Ausgangspunktes, die Binsenwahrheit zu verkennen, daß alle Güter nur durch das Vorhandensein eines allgemeinen Tausch mittels  in einer Tauschrelation stehen.
    43) Ohne daß wir dieses Streben weiter zu untersuchen brauchen, was in das Gebiet der Psychologie gehört.
    44) Zum Beispiel  Zuckerkandl Artikel "Preis" im  Handwörterbuch der Staatswissenschaften,  Bd. VI, Seite 181.
    45)  Kant,  Metaphyische Anfangsgründe der Rechtslehre, Frankfurt/Main und Leipzig, 1797, Seite 126; zitiert bei  Diehl  a. a. O., Seite 5.
    46) ADOLF WAGNER, Theoretische Sozialökonomik, Bd. 1, Seite 217f.
    47) F. J. NEUMANN, Die Gestaltung des Preises, in "Schönbergs Handbuch der politischen Ökonomie, dritte Auflage, Bd. 1, Seite 241f.
    48) von NEUMANN bekämpft sogar (Seite 258-259) sehr zutreffend die "mathematischen" Preistheorien und alle diejenigen, die "die Worte  Angebot  und  Nachfrage  ausschließlich auf die gewünschten, bzw. angebotenen Mengen beziehen".
    49) von NEUMANN, a. a. O., Seite 284 und 285.
    50) Daß sich bei  von Neumann  im einzelnen sehr viele zutreffende Beobachtungen zu einer Lehre vom Preis finden, möchte ich nicht unerwähnt lassen. Er hat die Ausgestaltung dieser Lehre wohl am meisten gefördert. Aber ihm fehlt die grundlegende Preis theorie,  auf die es doch der Wissenschaft zunächst ankommen muß, um überhaupt den Mechanismus des Tauschverkehrs verstehen zu können.
    51) "Allgemeine Volkswirtschaftslehre", Berlin und Leipzig 1910.
    52)  von Schmoller,  "Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre", Bd. 2, Seite 106
    53) Das ist zutreffend, wenn man statt  Wert  genauer  Nutzen  setzt und ihn ganz subjektiv auffaßt. Dann gibt es nur eine  Ertrags-  (Differenz zwischen Nutzen und Kosten) und eine  Preislehre.  Es ist einer der vielen Fehler der österreichischen Schule, daß sie meist Tauschwert und Preis noch als etwas Verschiedenes behandeln, aber nirgends sagen, worin der Unterschied besteht.
    54) Dabei erkennt  von Schmoller  gelegentlich sehr wohl, daß die Nachfrage das Primäre ist. Wie steht es aber mit seiner obigen Definition der Nachfrage (diese! Ware), wenn er an dieser Erkenntnis festhalten wollte?
    55) Es ist deshalb entschieden zu bestreiten, wenn  Diehl,  a. a. O., Seite 53 und 55 meint, daß der österreichischen Theorie "die exakte Ableitung der Preise aus subjektiven Wertschätzungen gelungen sei".
    56) CARL MENGER, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, Wien 1871, Seite 172f.
    57) vgl. z. B. a. a. O., Seite 203
    58) siehe die oben zitierte Abhandlung und dann insbesondere  Kapital und Kapitalzins,  Bd. 2,  Positive Theorie des Kapitals,  drittes Buch, 2. Abschnitt.
    59)  von Böhm-Bawerk,  a. a. O., Seite 218
    60) Die Ziffern 2 und 4 lassen sich dann wieder zerlegen in die Schätzung der Ware und des Preisgutes. - Dabei überall wieder eine Verkennung des Relationsgedankens bei diesen "Schätzungsziffern"!
    61) "Grundriß der politischen Ökonomie", § 81. In der während des Druckes erschienenen neunten Auflage ist der  Wortlaut  etwas verändert.
    62) Auch sonst noch schränkt, im Gegensatz zu LEXIS (siehe unten)  von Philippovich  den Kreis der Güter, die mit gleichen Produktionskosten vermehrt werden können, erheblich ein. Die ganze Unterscheidung ist aber überhaupt für das Verständnis der Preisbildung bedeutungslos.
    63) Ebensowenig übrigens die Vertreter der Grenznutzenlehre, außer  von Philippovich,  der überhaupt die österreichische Preistheorie mit der "verbesserten Produktionskostentheorie" zu verbinden sucht.
    64) a. a. O., § 88. In der neuesten Auflage (§ 81) heißt es "inklusiv des  gewöhnlichen  Gewinns", eine weitere charakteristische Nuance, durch die diese ganze unklare Lehre natürlich um nichts besser wird, die aber zeigt, daß sie ihren Anhängern selbst nicht sehr zu gefallen scheint.
    65) a. a. O.. Seite 77
    66) a. a. O., Seite 81, und auf der folgenden Seite ebenso deutlich: "Der Kapitalgewinn ist also kein festes Element der Preisbildung, das der einzelne Verkäufer zu seinen Produktionsausgaben zuschlagen könnte."