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WILHELM WUNDT
L o g i k
[8/12]
    Einleitung
Von der Entwicklung des Denkens
Die logischen Verbindungen der Vorstellungen
Die Entwicklung des Gedankenverlaufs
Die Entwicklung der logischen Normen
Von den Begriffen
Die Arten der Begriffe
Die Verhältnisse der Begriffe
Die Beziehungsformen der Begriffe
Von den Urteilen
Die Formen der Urteile
Die Relationsform des Urteils

"Die aristotelische Logik kam nicht zur Untersuchung der hier vorliegenden Frage, da sie, von der Betrachtung der sprachlichen Äußerungen des Denkens ausgehen, vielmehr darauf Rücksicht nahm, in welche Verhältnisse zwei gegebene Begriffe zueinander gebracht werden könnten, als welches die möglichen Verhältnisse zwischen Begriffen überhaupt seien."

"Wir machen weit häufiger vom Prinzip Gebrauch, identisch zu setzen, was nur in Folge einer Abstraktion von bestimmten Verschiedenheiten identisch genommen werden darf und sehen, daß die so durch Abstraktion erst gewonnene Identität für unser Denken unendlich fruchtbarer ist, als die wirkliche."

Z w e i t e r   A b s c h n i t t
V o n   d e n   B e g r i f f e n

Drittes Kapitel
Die Verhältnisse der Begriffe

1. Allgemeine Bedingungen der Begriffsvergleichung

Die Feststellung irgendeines Verhältnisses zwischen zwei Begriffen nimmt in unserem Denkens stets die Form eines Urteils an. Die Untersuchung der Begriffsverhältnisse selbst aber kann geführt werden ohne Rücksicht auf die besonderen Bedingungen, welche die Verwendung der Begriffe im Urteil mit sich bringt, lediglich von der allgemeinen Voraussetzung aus, daß alle Begriffe Bestandteile eines einzigen zusammenhängenden Denkens sind und daher zwischen ihnen irgendwelche Relationen bestehen können. Doch bildet die Vergleichung der Begriffe auch insofern den Übergang zum Urteil, als sie sich immer auf das Verhältnis je  zweier  Begriffe zueinander bezieht, wodurch in ihr schon das Gesetz der Dualität, welches die Urteile beherrscht, zum Ausdruck kommt.

Die aristotelische Logik kam nicht zur Untersuchung der hier vorliegenden Frage, da sie, von der Betrachtung der sprachlichen Äußerungen des Denkens ausgehen, vielmehr darauf Rücksicht nahm, in welche Verhältnisse zwei gegebene Begriffe zueinander gebracht werden könnten, als welches die möglichen Verhältnisse zwischen Begriffen überhaupt seien. So geschah es, daß hier die allgemeinen Begriffsverhältnisse ganz und gar zurücktraten hinter den Nebenbestimmungen, welche das Denken den im Urteil verbundenen Begriffen hinzufügt. Ob ein Begriff positiv aufgestellt oder negiert, allgemein gefaßt oder eingeschränkt, mit welchem Grad der Gewißheit endlich die Verbindung ausgeführt werde, - diese Erwägungen ließen es nicht zu einer klaren Übersicht der allgemeinen Begriffsrelationen kommen.

In dieser Beziehung läßt sich nun der in der neueren Logik (nach einer Bemerkung ALBERT LANGEs (1) zuerst von LUDWIG VIVES) angewandten  geometrischen  Darstellung der Urteilsformen ein gewisses Verdienst nicht absprechen. Durch sie wurde man gezwungen, auf die wirklichen Verhältnisse der Begriffe das Hauptgewicht zu legen, da sich solche Nebenbestimmungen, wie sie z. B. in der sogenannten Modalität der Urteile enthalten waren, überhaupt einer geometrischen Darstellung entzogen. Andrerseits freilich legte diese Versinnlichungsweise um so mehr den Grundcharakter der bisherigen Logik als einer reinen Subsumtionstechnik bloß. Am deutlichsten zeigt dies die gewöhnliche Darstellung der Begriffe durch Kreise. Die einzigen anschaulichen Lageverhältnisse, die zwei Kreis zueinander haben können, sind die, daß der eine den andern vollständig oder teilweise umschließt oder außerhalb desselben liegt. Vollständige Subsumtion, teilweise Subsumtion und Unmöglichkeit der Subsumtion sind also die drei Grundverhältnisse, die sich auf diese Weise anschaulich darstellen lassen. Selbst die Gleichheit der Begriffe wird dabei meistens als ein bloßer Grenzfall ihrer Subsumtion angesehen. (2)

Eine Vergleichung von einander unabhängig gedachter Begriffe kann nur unter gewissen Bedingungen ausgeführt werden. Wenn wir beliebig aufgeraffte Begriffspaare nehmen, wie z. B.  Mensch  und  gut, Gerechtigkeit  und  handeln  und dgl., so vermag zwar unser Denken solche Begriffe in mannigfache Beziehungen zu setzen, die in Urteilen ihren Ausdruck finden; die Begriffe an und für sich genommen sind aber unvergleichbar. Dagegen werden wir uns nicht bedenken, Begriffe wie  Mensch  und  lebendes Wesen, gut und böse, handeln und leiden  miteinander in Realtion zu bringen. Als erste Bedingung der Begriffsvergleichung gilt somit die Regel:  die zu vergleichenden Begriffe müssen einer und derselben Kategorie angehören. 

Da wir nun aber einen durchgängigen Zusammenhang unseres Denkens postulieren, so entspringt aus dieser Forderung das Streben, Relationen zu finden, die für  alle  Begriffe gleichmäßig gültig sind und wir können uns daher nicht enthalten, unter Umständen auch solche Begriffe in Vergleichung zu bringen, die ursprünglich verschiedenen Kategorien angehören. Hier bedient sich dann schon das gewöhnliche denken einer Hilfsregel, welche sich auf die Fähigkeit stützt, die Begriffe aus einer Kategorie in eine andere überzuführen. Wir sahen bereits, daß diese Umwandlung vorzugsweise in  einer  Richtung geschieht, so nämlich, daß Eigenschafts- oder Zustandsbegriffe in Gegenstandsbegriffe übergehen, indem wir, was als Eigenschaft oder Zustand in irgendeinem Abhängigkeitsverhältnis von einem Gegenstand gedacht war, zu einem selbständigen Gegenstand des Denkens erheben. Nun ist es offenbar gerade für eine Vergleichung unabhängig gedachter Begriffe angemessen, daß jeder derselben ein selbständiges Objekt unseres Denkens sei. Jene Hilfsregel der Begriffsvergleichung lautet daher:  Begriffe verschiedener Kategorien werden vergleichbar, wenn sie in Begriffe einer und derselben Kategorie und zwar im allgemeinen in Gegenstandsbegriffe umgewandelt werden. 

Aus diesen Regeln sieht man ohne weiteres, daß die Vergleichung unabhängig gedachter Begriffe nicht imstande ist, die Beziehungen zu erschöpfen, welche wir in der im Urteil stattfindenden Verbindung der Begriffe auszudrücken imstande sind. Eine der bedeutsamsten Funktionen des Urteils besteht ja gerade darin, daß es Begriffe verschiedener Kategorien miteinander verbindet. So gehen insbesondere Eigenschafts- und Zustandsbegriffe in gewisse Gegenstandsbegriffe als deren Elemente ein. Um uns über die Natur eines Begriffs Rechenschaft zu geben, müssen wir nun seine Elemente in einer Reihe von Urteilen entwickeln. Fast alle in solchen enthaltene Begriffsbeziehungen entziehen sich, obgleich sie von hohem erkenntnistheoretischem Wert sind, der unmittelbaren Begriffsvergleichung. Indem sich diese nur auf unabhängig gedachte Begriffe erstrecken kann, bleibt sie darauf beschränkt, die  äußeren  (3) Relationen der Begriffe zueinander festzustellen; sie ist dagegen niemals imstande, die Beziehung eines Begriffs zu irgendeinem Element seines  Inhalts  zum Ausdruck zu bringen. Darum ist es auch überhaupt nur möglich, die Resultate der Begriffsvergleichung in geometrischer Form zu versinnlichen, indem man jeden Begriff durch ein beliebiges Raumgebilde und nund das Verhältnis zweier Begriffe durch das Lageverhältnis zweier solcher Raumgebilde darstellt. So sind es denn die auf solchen äußeren Relationen beruhenden Umfangsverhältnisse und ihnen ähnliche Beziehungen, die in einer solchen unabhängigen Begriffsvergleichung ihren Ausdruck finden, niemals aber die Beziehungen, welche etwa die Elemente eines Begriffs zueinander oder zum Begriff, den sie konstituieren, darbieten. Gleichwohl steht es unserem Denken vermöge jener ihm innewohnenden Beweglichkeit frei, auch alle möglichen inneren Beziehungen der Begriffe umzuwandeln, indem es sich dabei des in der oben aufgestellten Hilfsregel angezeigten Verfahrens bedient. Da aber dieses Verfahren schließlich auf jeden Begriff anwendbar ist, weil es keinen gibt, der nicht zum selbständigen Objekt unseres Denkens genommen werden könnte, so können mit Hilfe solcher Transformationen stets je zwei Begriffe in eine der folgenden Relationen gebracht werden. Doch darf man dabei niemals vergessen, daß hier in vielen Fällen eine künstliche Verschiebung der ursprünglichen Begriffsbeziehungen hat vorangehen müssen, da jene Relationen sich immer erst dann ergeben, wenn die Begriffe unabhängig voneinander gedacht und daher ausschließlich nach ihrem äußeren Verhältnis verglichen werden.

Suchen wir uns nun unter dieser Voraussetzung über die sämtlichen Begriffsverhältnisse, die in unserem Denken vorkommen können, Rechenschaft zu geben, so lassen sie  sechs Klassen  derselben gewinnen. Indem wir sie als Klassen bezeichnen, wollen wir andeuten, daß jede der hier aufgezählten Relationen verschiedene Fälle umfassen kann, was dann freilich bei den einzelnen wieder in sehr verschiedenem Umfang der Fall ist. Die vier ersten dieser Klassen stellen  bestimmte,  die zwei letzten  unbestimmte  Begriffsverhältnisse dar.


2. Die bestimmten Begriffsverhältnisse

Das nächste Resultat der Vergleichung zweier Begriffe wird immer die Entscheidung darüber sein, ob sie  gleich oder ungleich  sind. Von diesem Gesichtspunkt aus ergeben sich Identität und Verschiedenheit als die beiden Hauptfälle, worauf dann die letztere wieder in die einzelnen Beziehungen zu zerlegen ist, in denen Begriffe verschieden sein können. Man sieht hieraus sofort, daß man mit größerem Recht als die Subsumtion die Identität zum Maß aller Begriffsverhältnisse machen könnte, indem man alle übrigen nach ihrer Abweichung von der Identität bestimmte. Trotzdem würde auch diese Betrachtungsweise eine einseitige sein, da jene Gesamtklasse der nicht-identischen Begriffe nur negativ bestimmt ist, durch den Gegensatz zur Klasse der identischen, so daß eine solche Einteilung eben schon auf der Bevorzugung des Identitätsverhältnisses beruht, während an und für sich jede der allgemeinen Begriffsrelationen ihren eigentümlichen Wert beansprucht. Wir unterscheiden demnach:

1.  Identität der Begriffe.  Zwei Begriffe  A  und  B  decken sich. Die Identität läßt keine Verschiedenheit der Fälle mehr zu. Nur im  Ausdruck  der Begriffe ist noch eine Verschiedenheit möglich, insofern die zwei gleichen Begriffe entweder auch gleich bezeichnet sein können, wie im Satz  A = A  oder aber bei verschiedener Bezeichnung eine Identität gedacht werden kann, wie in  A = B.  Gleiche Begriffe, die verschieden bezeichnet sind, heißen  äquipollent;  die verschiedenen Wörter aber, die gleiche Begriffe bedeuten, werden  synonym  genannt. "Der Lehrer ALEXANDERs" und "der Philosoph aus Stagira" sind äquipollente Begriffe. "Mord" und "Tötung" sind synonyme Wörter. Wie man aber schon an diesen Beispielen erkennt, kann von Äquipollenz der Begriffe wie von synonymer Bedeutung der Wörter überhaupt nur die Rede sin, insofern man von solchen Verschiedenheiten absieht, die etwa zur verschiedenen Bezeichnung Anlass gaben. "Der Lehrer ALEXANDERs" und "der Philosoph aus Stagira" bedeuten freilich eine und dieselbe Person, aber beide wollen doch an ihr verschiedene Seiten hervorheben, die wir vernachlässigen, sobald wir die Begriffe identisch setzen. "Mord" und "Tötung" mögen in einem gegebenen Fall auf die nämliche Tatsache bezogen werden, aber die begriffliche Bedeutung beider ist nach dem Sprachgebrauch eine verschiedene. Die "Tötung" drückt einfach den Tatbestand aus, sie sagt nichts über dessen Motive; der "Mord" bezieht sich auf ein geplantes Verbrechen. Nur dann sind also die Begriffe in vollem Sinn identisch, wenn diese Identität auch in ihrem Ausdruck enthalten ist. Freilich aber werden wir sehen, daß wir weit häufiger vom Prinzip Gebrauch machen, identisch zu setzen, was nur in Folge einer Abstraktion von bestimmten Verschiedenheiten identisch genommen werden darf und daß die so durch Abstraktion erst gewonnene Identität für unser Denken unendlich fruchtbarer ist, als die wirkliche. Diese Tatsache weist zugleich darauf hin, daß schon die einfache Relation der Identität in ihrer Anwendung auf einem Denkprozeß beruth, der nicht bloß das Gleiche gleich setzt, sondern auch was zur Identität unbrauchbar ist davon absondert.

2.  Über- und Unterordnung der Begriffe.  Zwei Begriffe  A  und  B  stehen im Verhältnis der Über- und Unterordnung, wenn der eine Begriff einen engeren Umfang hat, als der andere und wenn zugleich der engere Begriff  B  vollständig im Umfang des weiteren  A  enthalten ist. Man kann daher das Verhältnis der Über- und Unterordnung auch so ausdrücken: der engere Begriff  B  bezieht sich auf eine Art oder auf ein Einzelnes, das im weiteren Begriff  A  als seiner Gattung enthalten ist. Doch ist dieser Ausdruck deshalb nicht minder geeignet, weil die Begriffe von Gattung und Art erst aus dem Verhältnis der Über- und Unterordnung der Begriffe entspringen, man als hierbei eigentlich ein Folgeverhältnis zur Bestimmung des ursprünglichen Verhältnisses der Begriffe verwendet.

Die Relation der Über- und Unterordnung bezieht sich an und für sich ausschließlich auf das  Umfangs verhältnis der Begriffe und dieselbe verliert ihre Bedeutung, wenn man sie auf das Verhältnis eines gegebenen Begriffs zu einem anderen anwendet, der entweder zum  Inhalt  des ersteren gehört, also nicht eine Art oder Gattung, sondern ein Element desselben ist oder aber in irgendeine andere Beziehung zu ihm gebracht wird. Wir subsumieren also mit Recht das "Säugetier" dem "Wirbeltier". Nicht im selben Sinn können wir aber die "Sonne" dem Begriff "leuchtend" oder das "Metall" dem Begriff "schmelzbar" unterordnen. Denn  leuchtend  und  schmelzbar  sind Elemente jener beiden Gegenstandsbegriffe. Daß diese Elemente gleichzeitig in noch andere Begriffe eingehen, ist ein in diesem Fall durchaus nebensächlicher Umstand. Der Begriff "schmelzbar" würde sein Verhältnis zum Begriff "Metall" nicht ändern, auch wenn es außer den Metallen gar keine schmelzbaren Gegenstände gäbe. Ebenso ist es kein Fall von Subsumtion, wenn wir sagen: "Karl ist verreist" oder "der Papst ist gestorben". Wie aber unser Denken bei der Äquipollenz identisch setzt, was an sich gar nicht identisch ist, indem es bestimmte Verschiedenheiten vernachlässigt, so vermag es auch Begriffsbeziehungen, die ursprünglich keine Über- und Unterordnung sind, doch in ein solches Verhältnis zu bringen, sobald die Beziehung, die  A  zu  B  besitzt, auch zwischen  A  und einer Anzahl anderer Begriffe  C, D  usw. als möglich vorausgesetzt werden kann. Es läßt sich dann immer  A  als ein Gattungsbegriff ansehen, der die Begriffe  B, C, D  usw. als seine Arten einschließt. So subsumiere ich denn die Sonne den leuchtenden Gegenständen, das Metall den schmelzbaren Körpern, Karl den verreisten und den Papst den gestorbenen Menschen. Wie man aber schon am sprachlichen Ausdruck sieht, den der Begriff annimmt, wenn die Art der Subsumtion deutlich gemacht werden soll, so handelt es sich dabei stets um die Versetzung des überzuordnenden Begriffes in eine andere Kategorie. Der Eigenschafts- oder Zustandsbegriff muß in einen Gegenstandsbegriff umgewandelt werden, damit die Subsumtion stattfinden könne.

So bezieht sich überhaupt, den Regeln der Begriffsvergleichung gemäß, die Relation der Über- und Unterordnung stets nur auf unmittelbare oder durch kategoriale Verschiebung entstandene Gegenstandsbegriffe. Der Fälle, wo das Denken erst einen anderen Begriff in einen Gegenstandsbegriff umwandelt, können wir aber wieder  zwei  unterscheiden: einen  naturgemäßen  und einen  künstlichen  Begriffswandel. Der erstere greift überall da Platz, wo das Denken wirklich darauf ausgeht, zwei Begriffe in das Verhältnis von Gattung und Art zu bringen. Wenn wir sagen: "Rot ist eine Farbe", "das Empfinden ist eine Seelentätigkeit", dann behandeln wir absichtlich Eigenschaften und Zustände so, als wenn sie Objekte wären, deshalb, weil wir sie unter andere, allgemeinere Eigenschaften und Zustände klassifizieren wollen. Wo in dieser Weise eine berechtigte Subsumtion ausgeführt wird, da bleibt immerhin die Voraussetzung, daß die Begriffe, die in das Verhältnis der Über- und Unterordnung gebracht werden sollen,  ursprünglich  einer und derselben Kategorie angehört haben. Über diese Regel setzt sich nun der  zweite,  der  künstliche  Begriffswandel mittels einer absichtlichen Verschiebung der Kategorie hinweg. Bei ihm wird eigentlich ein Gegenstandsbegriff einem Eigenschafts- oder Zustandsbegriff untergeordnet. Da dies an und für sich unmöglich ist, so sieht man sich veranlaßt, noch einen Gegenstandsbegriff zu  ergänzen,  an den nun der andere Begriff gekettet wird. Die Verbindung "das Metall ist schmelzbar" geht in die Subsumtion über: "das Metall ist ein schmelzbarer Körper". Dabei ist dann freilich ein Gedanke zum Ausdruck gekommen, der ursprünglich nicht beabsichtigt war. Man darf daher nicht vergessen, daß, so nützlich sich auch solche Verschiebungen der Begriffe erweisen, wenn es sich darum handelt, alle Begriffsrelationen in gewisse Klassen zu bringen, doch die wirklichen Beziehungen des Denkens dadurch verändert werden.

3.  Nebenordnung der Begriffe.  Für alle Fälle von Nebenordnung zweier Begriffe gelten betreffs der allgemeinen Eigenschaften, welche die Begriffe besitzen müssen, die nämlichen Regeln, die für die Über- und Unterordnung festgestellt worden sind. Denn auch hier handelt es sich durchweg um Verhältnisse, die sich ausschließlich auf den Begriffsumfang beziehen. Irgendwie koordiniert können einander nur solche Begriffe sein, die sich im Umfang eines allgemeineren Begriffes befinden. Jedes Verhältnis der Koordination bedingt also immer ein gleichzeitig bestehendes Verhältnis der Über- und Unterordnung. Hierin schon liegt es, daß die bei der letzteren gültigen Regeln betreffs der Begriffskategorien auch für die Koordination gelten müssen, daß also
    1) nur solche Begriffe einander koordiniert werden können, die der nämlichenn Kategorie angehören, und daß

    2) jede Koordination sich ursprünglich auf Gegenstandsbegriffe bezieht, daher alle anderen Begriffe der Vergegenständlichung bedürfen, wenn sie koordiniert werden sollen. Die Koordination läßt sich in  vier  einzelne Formen unterscheiden:

      a) Die Begriffe befinden sich irgendwie voneinander getrennt innerhalb des Umfanges eines allgemeineren Begriffs:  disjunkte Begriffe  [ohne gemeinsames Element - wp]. So sind  Rot  und  Blau, Klang  und  Geräusch, Franzosen  und  Deutsche  disjunkte Begriffe. Jedesmal setzen die zwei einander koordinierten Begriffe einen übergeordneten Begriff - Farbe, Schall, Nation - voraus. Diese Form der Koordination ist die allgemeinste, insofern dabei über die Art, wie die koordinierten Begriffe geordnet sind, nichts näheres vorausgesetzt wird. Solches ist dagegen bei den folgenden Formen der Koordination immer der Fall.

      b) Die beiden Begriffe stehen in einem Verhältnis der  Wechselbeziehung,  so daß jeder den andern voraussetzt:  korrelate  Begriffe. Beispiele solcher Wechselbegriffe sind: Mann und Frau, Vater und Mutter, Land und Meer, Berg und Tal, Ursache und Wirkung und dgl. Auch bei der Korrelation läßt sich stets ein allgemeiner Begriff hinzudenken, dem die beiden Wechselbegriffe subsumiert werden können. Als ein spezieller Fall der Korrelation kann sodann wieder das folgende Begriffsverhältnis betrachtet werden, nämlich:

      c) Die Begriffe bezeichnen innerhalb eines umfassenderen Begriffes die  größtmöglichen  Unterschiede:  konträre Begriffe.  So sind weiß und schwarz, hoch und tief, gut und böse und dgl. konträre Begriffe. Es ist ersichtlich, daß diese Begriffe immer zugleich korrelat sind.

      d) Die Begriffe bezeichnen innerhalb eines umfassenderen Begriffes die  kleinstmöglichen  Unterschiede, oder bildlich ausgedrückt, sie berühren sich: kontingente Begriffe. Überall, wo sich eine Anzahl von Begriffen in eine Reihe ordnet, bilden zwei aufeinander folgende Glieder einer solchen Reihe kontingente Begriffe. So, wenn wir die Fixsterne nach ihrer Farbe in weiße, gelbe und rote einteilen, bilden die weißen und gelben, sowie die gelben und roten ein kontingentes Begriffspaar. In der Regel findet sich bei kontingenten Begriffen [deren Umfänge sich berühren - wp] ein kleines Übergangsgebiet, wo man zweifelhaft sein kann, ob ein gegebenes Objekt des Denkens dem einen oder anderen Begriff zugerechnet werden kann. Häufig geschieht daher die Begrenzung zwischen beiden willkürlich oder man schaltet noch einen Mittelbegriff ein, zu dessen Bezeichnung man die Ausdrücke für beide Berührungsbegriffe verbindet. So nehmen wir zwischen Rot und Gelb eine rotgelbe Farbnuance an, so zwischen Nord und West Nord-West als Himmelsgegend. Freilich wird dann eigentlich der eingeschaltete Übergangsbegriff kontingent zu den beiden vorigen, daher es nun zur Einschaltung neuer Übergangsglieder kommen kann, wie denn z. B. die Metereologie zwischen Nord und Nord-West noch einmal ein Nord-Nord-West und Nord-West-West eingefügt hat. So wird durch feinere Begriffsunterscheidung auseinander gedrängt, was ursprünglich kontingent war und neue Berührungen bilden sich. Da diese Unterscheidung keine bestimmten Grenzen hat, so hat es auch die Sprache verabsäumt, für das Verhältnis der Kontingenz ebenso bestimmte und unveränderliche Bezeichnungen zu schaffen wie für dasjenige der korrelaten und konträren Beschaffenheit und man wird wohl hierin den Grund dafür sehen dürfen, daß dieses Begriffsverhältnis auch von den Logikern vernachlässigt worden ist, obgleich es doch an sich eine ebenso gute Berechtigung besitzt, wie das den entgegengesetzten Endpunkt der Begriffsdisjunktion bezeichnende konträre Verhältnis.

      Eine besondere Wichtigkeit gewinnt die Kontingenz der Begriffe auf dem Gebiet der  Größenbegriffe.  Diskrete Größen, wie z. B. die natürlichen Zahlen, können nur im Verhältnis der Kontingenz zueinander stehen: 0 und bezeichnen die konträren
      Zahlbegriffe, je zwei aufeinander folgend Kardinalzahlen, wie 1 und 2, sind aber kontingent. Durch die Anwendung der Bruchzahlen auf die Teilung der ganzen Zahlen werden nun Übergangsbegriffe geschaffen, für welche es keine bestimmte Grenze giebt, da zwischen zwei einander noch so nahe liegenden Bruchzahlen immer noch ein dazwischenliegender sich einschalten läßt. Ebenso läßt sich, so klein auch der Unterschied zwischen zwei stetigen Größen angenommen werden mag, doch immer noch eine zwischenliegende Größe denken. Aus dem Begriff dieses beliebig klein zu denkenden Übergangs zwischen zwei kontingenten Größren entsteht der mathematische Differentialbegriff und der Gedanke, daß je zwei Übergangsgrößen abermals wie kontingente Begriffe betrachtet werden können, zwischen denen ein neuer Übergang möglich ist, läßt den Differentialbegriff höherer Ordnung entstehen. Die Differentialbegriffe sind also Grenzbegriffe zwischen zwei einander kontingenten Größenbegriffen.

      e) Die Begriffe  decken sich teilweise  oder  kreuzen sich,  indem jeder einen Teil vom Umfang des andern einnimmt:  interferierende Begriffe.  Es ist der an die Kontingenz zunächst sich anschließende Fall, der aber schon den Übergang bildet von ihr zur Identität, welcher sich die Interferenz um so mehr nähert, einen je größeren Teil der Begriffe  A  und  B  das Interferenzgebiet  I  bildet. Auch bei der Interferenz - und deshalb schließt sich dieselbe an die bisher aufgezählten Fälle der Koordination an - wird übrigens stets ein allgemeinerer Begriff  C  hinzugedacht, welcher die sich kreuzenden Begriffe  A  und  B  in sich enthält. So sind rechtwinklige Figur und Parallelogramm, Anziehungskräfte und elektrische Kräfte, Neger und Sklave interferierende Begriffe; überall wird aber ein allgemeinerer Begriff - geometrische Figur, Kraft, Mensch - stillschweigend hinzugedacht und ohne daß solch ein übergeordneter Begriff existierte, würde die Kreuzung überhaupt unmöglich sein.

    4)  Abhängigkeit und Wechselbestimmung der Begriffe.  Zahlreiche Fälle gibt es, in denen zwei Begriffe weder identisch sind noch einander über-, unter- oder nebengeordnet werden können und gleichwohl in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen. Dies ist dann der Fall, wenn die Begriffe, die einem allgemeineren Begriffssystem angehören, in irgendeiner Weise voneinandner  abhängig  sind. Diese Abhängigkeit ist entweder eine  einseitige,  indem der eine Begriff als der unabhängige und bestimmende, der andere aber als der abhängige und bestimmte erscheint; oder sie ist eine  wechselseitige:  in diesem Fall wollen wir sie als  Wechselbestimmung  bezeichnen.

    Obgleich die Abhängigkeit und Wechselbestimmung der Begriffe hisher so gut wie gar keine Berücksichtigung gefunden haben, so wäre es doch leicht möglich, daß die Mehrzahl der wirklich im Denken vorkommenden Begriffsverhältnisse hierher gehörte. So sind Raum und Bewegung, Gesinnund und Handlung, Verbrechen und Strafe Begriffspaare, bei denen ein Verhältnis der Abhängigkeit stattfindet. Denken und Wollen, Gesetz und Sitte, Verkehr und Lohn werden wir dagegen als Begriffe ansehen dürfen, die sich wechselseitig bestimmen. Die Bewegung z. B. kennen wir nur als ein Geschehen im Raum, sie ist abhängig vom Begriff des Raumes; als dritter Begriff, welcher zur Darstellung der Abhängigkeit in diesem Fall unerlässlich ist, schiebt sich derjenige der Zeit ein: mittels der Begriffe Zeit und Raum definieren wir daher die Bewegung. In vielen Fällen können wir allerdings Begriffe, die im Verhältnis der Abhängigkeit stehen, auch in ein solches der Über- und Unterordnung bringen oder wir können Begriffe, die sich wechselseitig bestimmen, einander koordinieren oder ein Identitätsverhältnis an die Stelle setzen. Aber in der Regel ist dann diese Betrachtungsweise keine solche, die der im Denken wirklich aufgeführten Relation entspricht. So können wir etwa Gesetz und Sitte unter dem allgemeineren Begriff der Rechtsordnung einander koordinieren; aber in einem gegebenen Fall ist es vielleicht durchaus nicht die Meinung des Denkens eine derartige Subsumtion und Koordination auszuführen, sondern es handelt sich darum, beide in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit aufzufassen.

3. Die unbestimmten Begriffsverhältnisse

Außer den vier bis dahin aufgeführten allgemeinen Formen bestimmter Begriffsverhältnisse lassen sich nun noch  zwei  unterscheiden, die, abgesehen von noch zu erwähnenden Ausnahmefällen,  unbestimmter  Art sind. Das eine dieser Verhältnisse ist deshalb ein unbestimmtes, weil nur  ein  Begriff wirklich gegeben, der andere aber bloß negativ, als ein vom gegebenen verschiedener Begriff bestimmt wird; das andere deshalb, weil die beiden gegebenen Begriffe überhaupt in gar kein Verhältnis zueinander gebracht werden können. Diese unbestimmten Begriffsverhältnisse sind die folgenden:

5)  Positive und negative Begriffe.  Als  negativ  bezeichnen wir solche Begriffe, die aus gegebenen positiven Begriffen durch die bloße Hinzufügung der Negation gebildet werden; gewöhnlich werden sie  kontradiktorisch entgegengesetzte  Begriffe genannt, indem man die konträre und die kontradiktorische Beschaffenheit als die beiden Arten des Gegensatzes unterscheidet. Da es sich jedoch in Wahrheit nur bei den konträren Begriffen um einen wirklichen Gegensatz handelt, so erscheint es wenig angemessen, die Negation mit der konträren Entgegensetzung, bei welcher beide Begriffe positiv bestimmt sind, zusammenzustellen. Wenn wir durch Hinzufügung der Negation aus einem positiven einen negativen Begriff bilden, z. B. nicht-weiß, nicht-gut, nicht-handelnd, Nicht-Mensch, so soll damit ein Begriff ausgedrückt werden, der nicht dem negierten positiven Begriff entgegengesetzt, sondern nur irgendwie von ihm verschieden ist. Die Art und den Grad dieser Verschiedenheit läßt die Negation völlig unbestimmt; nur die  eine  stillschweigende Voraussetzung findet bei ihr immer statt, daß der negative Begriff mit dem positiven, welcher negiert wird, unter einem und demselben allgemeineren Begriff enthalten sei, daß also ein übergeordneter Begriff existiere, welcher beide als disjunkte Glieder enthält. Wenn ich z. B. sage: "Diese Wand ist nicht rot", so bezieht sich die Negation nicht darauf, daß sie hoch, niedrig, von Stein oder Holz sei, sondern es soll nur behauptet werden, daß sie irgendeine andere Farbe als rot besitze: der negative Begriff ist aher mit dem negierten positiven unter dem allgemeineren Begriff  gefärbt  enthalten. Mit Rücksicht hierauf kann man auch sagen: jeder positive Begriff bildet mit dem ihm entsprechenden negativen ein disjunktes Verhältnis, in welchem nur  ein  Glied bestimmt ist und in welchem daher das unbestimmt gebliebene Glied jeden Begriff bedeuten kann, der überhaupt zum ersten Glied disjunkt sein kann. Für diese Bedeutung der Negation, wonach sie als eine unbestimmte Position erscheint, ist es charakteristisch, daß sich auch die sprachlichen Formen derselben an Pronominalstämme [ursprüngliche Substantive - wp] anzulehnen scheinen, welche eine energische Hinweisung in die Ferne enthalten. (4)

Die in der Negation enthaltene unbestimmte Disjunktion bedingt es nun, daß unter Umständen die negative Begriffsbestimmung einer positiven entweder nahezu oder völlig äquivalent werden kann. Offenbar muß dies nämlich dann eintreten, wenn der negierte Begriff nur wenige disjunkte Begriffe oder gar nur  einen  solchen neben sich hat. In allen den Fällen, wo der negierte Begriff am Ende einer Reihe liegt, die sichin stetigen Übergängen zwischen Gegensätzen bewegt, wird die Negation, indem sie andeutet, daß man sich den negativen Begriff vom positiven entfernt zu denken kabe, jenen von selbst in die Nähe des entgegengesetzten Endes der Reihe verweisen. So erreicht in Begriffen wie nicht-hell, nicht-gut, nicht-glücklich und dgl. die Negation nahezu den Wert des konträren Gegensatzes. Die Sprache ist aber in solchen Fällen imstande, dadurch, daß sie allmählich gewisse Negationspartikel ausschließlich im Sinne eines bestimmten Gegensatzes verwendet, geradezu aus dem bloßen Verhältnis der Negation einen konträren Gegensatz hervorgehen zu lassen. Die deutsche Vorsatzsilbe  un,  die lateinische  in,  das griechische Alpha privativum [a-typisch - wp] haben eine solche im Verhältnis zu den gewöhnlichen Negationspartikeln bestimmtere Bedeutung angenommen. Die Sprache bedient sich derartiger Formen, wo es ihr darauf ankommt, den Eindruck der bloßen Negation zu verwischen, weil sie an die Stelle des unbestimmten Unterschied einen positiven Gegensatz setzen möchte. In der Tat stehen nach unserem Sprachgefühl Glück und Unglück, Lust und Unlust ebensogut in einem konträren Gegensatz wie Weiß und Schwarz; oder mit anderen Worten: Unglück. Unlust sind für uns keine negativen Begriffe mehr.

Ähnlich verliert der negative Begriff seine Unbestimmheit auf dem ganzen Gebiet der Größenverhältnisse. Eine negative Größe ist ebenso fest bestimmt, wie die zugehörige positive; die Negation bedeutet in diesem Fall nur, daß der Sinn, in welchem die Größe genommen werden soll, ein entgegengesetzter ist. In der Arithmetik bezeichnen daher das Positive und Negative den Gegensatz von Summe und Differen, in der Geometrie den Gegensatz der räumlichen Richtung, der jedoch, da er auf ein Addieren und Subtrahieren von Raumstrecken zurückgeführt werden kann, nur ein Spezialfall jenes ersteren Gegensatzes ist. Diese Bedeutung des Negativen in der Mathematik schließt sich vollständig den Fällen an, wo, weil nur eine Disjunktion zwischen zwei Gliedern möglich ist, der negative Begriff einen bestimmten, dem positiven gleichen Wert gewinnt. Die Zahl an und für sich ist weder positiv noch negativ. Dagegen geht die einfache Zahlverknüpfung nach zwei entgegengesetzten Richtungen vor sich. Bezeichnet man daher den Fortschritt in der einen Richtung positiv, so wird damit von selbst der Fortschritt in der anderen Richtung zum negativen. Da außerdem die Zahl einen fest bestimmten Wert hat, so ist nun die negative Zahl ebenso eindeutig bestimmt, wie die positive, jene bezeichnet einen gleich großen Fortschritt, wie er durch diese angezeigt wird, nur in entgegengesetzter Richtung. So kommt es, daß es in diesem Fall sogar Sache willkürlicher Übereinkunft sein kann, welchen Begriff man als negativ und welchen man als positiv bestimmen will. Das ist immer dann der Fall, wenn, wie z. B. bei Richtungen im Raum, die positive und negative Bezeichnung von bloß relativer Bedeutung sind.

6)  Disparate  Begriffe. Disparat nennen wir zwei Begriffe, wenn sie nicht nur ungleich, sondern auch  unvergleichbar  sind, wenn sie also zwei völlig verschiedenen Begriffsgebieten angehören und daher in keinerlei Verhältnis zueinander gesetzt werden können. Vermöge der früher gegebenen Regeln könnten Begriffe schon deshalb als disparat angesehen werden, weil sie verschiedenen Kategorien zugehören. Gegenstands-, Eigenschafts- und Zustandsbegriffe sind niemals miteinander vergleichbar. Aber da es uns leicht wird, die Kategorie zu ändern und wir insbesondere ohne Schwierigkeit die verschiedensten anderen Begriffe in Gegenstandsbegriffe überführen, um eine Vergleichbarkeit herzustellen, so beschränken wir den Ausdruck  disparat  auf solche Begriffe, die, trotz der Zugehörigkeit zur nämlichen Kategorie, keinerlei Relation zulassen, wie etwa  Tugend  und  Viereck, blau  und  redlich  und ähnliche beliebig aufgeraffte Begriffspaare. Es ist jedoch zu bemerken, daß die disparate Beschaffenheit kein absolutes Verhältnis ist. Begriffe, die in einem bestimmten Gedankenzusammenhang als unvergleichbar hingestellt werden, können unter anderen Bedingungen eine Vergleichung zulassen.

Die disparate Beschaffenheit der Begriffe bildet den Grenzfall, bei welchem wir das Gebiet der überhaupt möglichen Begriffsverhältnisse bereits überschritten haben. Wenn wir Begriffe disparat setzen, so heißt das, daß weder eine der vier bestimmten Relationen, die zwischen Begriffen möglich sind, noch die durch die Negation ausgedrückte unbestimmte Disjunktion auf sie anwendbar ist. Die Feststellung der disparaten Beschaffenheit ergibt daher das schlechthin negative Resultat, daß die betreffenden Begriffe in keinerlei logische Verbindunge gebracht werden können.


4. Geometrische Darstellung der Begriffsverhältnisse

Daß die herkömmliche symbolische Darstellung der Begriffsverhältnisse durch das Lageverhältnis von Kreisen in der Ebene eine ungenügende sei, wurde schon oben bemerkt. Da dieselbe vom Schema der Subsumtion ausgeht, so eignet sie sich nicht zur Darstellung solcher Verhältnisse, welche keine unmittelbare Beziehung zur Unterordnung besitzen. So würde sie sich namentlich nur gezwungen auf das Verhältnis der Abhängigkeit anwenden lassen. Aber selbst bei einigen mit der Subsumtion in naher Verbindung stehenden Verhältnissen der Koordination gerät sie mit den wirklichen Eigenschaften der Begriffe in Widerspruch. So werden  konträre  Begriffe durch zwei Kreise  A  und  B  symbolisiert, die innerhalb eines größeren Kreises C an den entgegengesetzten Enden eines und desselben Durchmessers liegen. Diese Darstellung bringt die Tatsache, daß konträre Begriffe stets zusammen einem allgemeineren Begriff untergeordnet sind, mit Recht zur Geltung; aber sie erweckt gleichzeitig die falsche Vorstellung, daß in einem bestimmten Allgemeinbegriff viele, ja beliebig viele konträre Begriffspaare enthalten sein können, da sich in einem Kreis beliebig viele Durchmesser ziehen lassen. Ebenso verhält es sich mit den  korrelaten  Begriffen, welche durch ein Paar von Kreisen darzustellen wären, die auf einem und demselben Durchmesser nach entgegengesetzten Richtungen und gleich weit vom Mittelpunkt entfernt liegen. Nicht minder führt diese Symbolik bei den kontingenten und interferierenden Begriffen zu der Voraussetzung, daß nicht bloß nach  zwei  einander entgegengesetzten Richtungen, sondern nach allen Richtungen, die in einer Ebene möglich sind, Begriffe einander berühren oder übereinander greifen können.

Sollte nun die Darstellung der Begriffsverhältnisse durch Kreise zutreffend sein, so müßten auch diese begleitenden Vorstellungen wenigstens für die Mehrzahl der Begriffe richtig sein. Das ist aber keineswegs der Fall. Neben schwarz und weiß, hoch und tief, gut und böse usw. gibt es kein zweites konträres Begriffspaar innerhalb des nämlichen Allgemeinbegriffs. Eine gegebene Größe grenzt nur an  zwei  andere Größen, an die nächst kleinere und an die nächst größere. Selbst mehrfach ausgedehnte Raumgrößen ordnet man, so lange die gewöhnlichen Methoden der Messung mittels einfacher Zahlen angewandt werden, in Reihen, die nur eine einzige Dimension besitzen, weil die Reihe der Zahlen, durch welche wir die Größen messen, nur in  einer  Dimension vorwärts schreitet. Durch die komplexen Zahlen hat nun allerdings der Zahlbegriff eine Erweiterung gefunden, welche den Bedingungen mehrfach ausgedehnter Größen entspricht. So wird denn auch die Vermutung nicht zurückzuweisen sein, daß es dereinst angemessen sein möchte, gewisse verwickelte Begriffsgebilde durch mehrfach ausgedehnte geometrische Formen zu symbolisieren. Aber das regelmäßige und jedenfalls das einfachste Verhalten der Begriffe wird doch in einer  linearen  Darstellung derselben seinen angemessenen Ausdruck finden. Denn offenbar ist es das Gebilde von  einer  Dimension, die  Gerade,  welche der Eigenschaft unseres diskursiven Denkens entspricht, die Teile eines Begriffs sukzessiv zu verknüpfen und ein Begriffsganzes so zu zerlegen, daß die Teile desselben Glieder einer einzigen Reihe bilden. In der Tat aber werden wir sogleich sehen, daß diese Darstellungsform nicht nur auf die Verhältnisse der Über- und Unterordnung anwendbar ist, ohne Nebenvorstellungen zu erwecken, welche der wirklichen Konstitution der Begriffe nicht entsprechen, sondern daß sie auch sofort solche Verhältnisse darzustellen gestattet, welche sich der Symbolisierung durch ein Lageverhältnis von Kreisen gänzlich entzogen. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß auch diese Darstellung sich immer nur auf die äußeren Begriffsverhältnisse in dem oben angegebenen Sinne beziehen kann, d. h. auf diejenigen, die zwischen selbständig gedachten Begriffen stattfinden, welche auf die nämliche Kategorie zurückgeführt sind.

Irgendein Begriffskontinuum werde demnach dargestellt durch die Gerade  ag, 
figur1
deren einzelne Strecken  ab, bc  usw. die Teile bezeichnen, in welche das Begriffsganze zerlegt werden kann. Es entspricht dann:
    1) dem Verhältnis der  Identität  das Verhältnis der Geraden zu sich selbst,  ag : ab, 

    2) dem Verhältnis der  Überordnung  das der Geraden zu einem ihrer Teile,  ag : ab,  dem der  Unterordnung  dasjenige des Teils zur ganzen Linie,  ab : ag, 

    3) dem Verhältnis der  Koordination  das von Teilen der Geraden zueinander, und zwar:

      a) der  Disjunktion  das Verhältnis beliebig voneinander getrennter Strecken,  ab : ef; 

      b) der  Korrelation  das Verhältnis zweier  symmetrisch  gelegener Strecken,  bc : ef; 

      c) der  konrären  Beschaffenheit das Verhältnis der beiden voneinander entferntesten Endstrecken der Geraden,  ab : fg;  da solche Endstrecken(siehe Figur 1 oben] immer zugleich symmetrisch sind, so wird hierdurch anschaulich, wie die konträre Beschaffenheit nur ein spezieller Fall der Korrelation ist;

      d) der  Kontingenz  das Verhältnis zweier aneinander grenzender Strecken,  bc : cd; 

      e) der  Interferenz  das Verhältnis zweier Strecken, die teilweise übereinander greifen,  bd : ce. 

    4) Dem Verhältnis der  Abhängigkeit  entspricht dasjenige der Geraden zu einer anderen Geraden, welche in ihrer Lage von jener bestimmt ist,  ag : am.  Eine  wechselseitig  Abhängigkeit wird am einfachsten durch das Lageverhältnis zweier Geraden  a m  und  a n  veranschaulicht werden können, von denen man voraussetzt, daß sie sich in ihrer Lage wechselseitig bestimmen, so daß bei jeder Bewegung irgendeiner von beiden auch die andere eine entsprechende Bewegung erfahren würde.

    5) Das Verhältnis eines Begriffs zu seiner  Negation  pflegt man symbolisch durch das Verhältnis eines Kreises zu der außerhalb desselben gelegenen Ebene darzustellen. Diese Versinnlichung ist jedoch insofern nicht zutreffend, als der negative Begriff keineswegs alle denkbaren Begriffe, ja nicht einmal alle möglichen Begriffe des betreffenden Begriffsgebietes außer dem positiven bezeichnen soll, sondern nur irgendeinen, der, davon abgesehen, daß er außerhalb des mit der Negation versehenen Begriffes liegt, unbestimmt gelassen wird. Angemessener würde es also sein, einen Kreis von bestimmter und einen solche von unbestimmter Lage zu wählen, wobei jedoch beide als einander koordiniert innerhalb eines umfassenderen Kreises vorauszusetzen wären. Noch angemessener wird sich aber das Verhältnis des positiven Begriffs zu seiner Negation durch zwei voneinander getrennte Strecken einer Geraden ausdrücken lassen, von denen die eine eine bestimmte, die andere eine unbestimmte Lage besitzt. Ist im letzteren Fall diejenige Strecke, welche eine bestimmte Lage hat, eine Endstrecke, so wird der negative Begriff zu einer unbestimmt, aber dem entgegengesetzten Ende näher gelegenen Strecke, was offenbar als der allgemeinere Fall zum Verhältnis konträrer Begriffe betrachtet werden kann. So wird es anschaulich, daß jener allgemeinere Fall unter gewissen Bedingungen des Sprachgebrauchs leicht in den spezielleren übergehen kann. Handelt es sich endlich um Größenbegriffe, so wird der negative Begriff durch eine Strecke von gleicher Größe wie der positive dargestellt und auch die Richtung, in welcher diese Strecke genommen werden soll, bleibt nur so lange unbestimmt, als die Richtung der positiven Strecke nicht bestimmt ist. Hier beschränkt sich also die Unbestimmtheit des negativen Begriffs lediglich darauf, daß derselbe von der Bestimmung des positiven Begriffs abhängig ist. Ist aber der letztere seiner Größe und Richtung nach gegeben, so ist nun auch der negative Begriff vollständig bestimmt.

    6) Da  disparate  Begriffe kein logisches Verhältnis zueinander erkennen lassen, so müssen sie durch Raumgebilde dargestellt werden, die in kein angebbares Lageverhältnis zueinander gebracht werden können. Da nun aber zwischen wirklichen Figuren im Raum ein Lageverhältnis immer besteht, so könnte hier die symbolische Darstellung nur mittels hinzugefügter fingierter Bedingungen geschehen. Wir könnten uns z. B. denken, allen Begriffen, die zu irgendeinem der bis jetzt besprochenen allgemeinen Verhältnisse gehören, entspräche ein in  einer  Ebene liegendes System von geraden Linien; dann würde irgendein disparater Begriff durch eine Gerade, die in einer  anderen  Ebene liegt, dargestellt werden.
LITERATUR: Wilhelm Wundt, Logik [Eine Untersuchung der Prinzipien der Erkenntnis und der Methoden wissenschaftlicher Forschung], Bd. I (Erkenntnislehre), Stuttgart 1893
    Anmerkungen
    1) F. A. LANGE, Logische Studien, Seite 10
    2) Vgl. ÜBERWEG, Logik, 4. Auflage, Seite 112
    3) Siehe oben
    4) Vgl. E. WINDISCH, über das Relativpronomen, in CURTIUS' Studien, Bd. II, Seite 365