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WILLY MOOG
Einheit und Zahl
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"Da die Eins nicht als absolut Gegebenes, sondern nur als gesetztes Relationsglied einen Sinn hat, muß sich mit ihrer Setzung schon die Möglichkeit einer weiteren Setzung ergeben. Wie sie den Fortschritt von der Null aus bezeichnet, so muß mit ihr auch notwendig ein Fortschritt über die Eins hinaus bezeichnet sein. Nicht nur eine untere, sondern auch eine obere Grenze muß die Eins besitzen, um überhaupt als bestimmtes erstes Reihenglied gesetzt werden zu können."

Die  Eins  ist demnach keine absolut gesetzte, isolierte Einheit, sondern eine Einheit in Beziehung auf das System. Damit ist sofort der Reihencharakter bestimmt. Die Eins ist das Etwas des Anfangs, und wie dem Etwas das Nichts als notwendig gesetzte untere Grenze gegenübersteht, so verhält sich zur Eins die  Null.  Die Setzung der Eins bedeutet die notwendige Relation zur Null als der Grenze, von der aus die Zahl überhaupt gerechnet wird. Die Null selbst kann nicht gesetzt werden, denn sie ist gar kein Etwas, sondern Grenze, sie ist noch keine Zahl, wohl aber eine Relationsbestimmung, die in der Setzung der Zahl notwendig enthalten ist. Wie aber mit der Setzung der Eins die Relation zur Null bereits notwendig logisch gegeben ist, so auch die Fortsetzung der Reihe, d. h. die Möglichkeit der Zahlenreihe ist damit schon begründet. Da die Eins nicht als absolut Gegebenes, sondern nur als gesetztes Relationsglied einen Sinn hat, muß sich mit ihrer Setzung schon die Möglichkeit einer weiteren Setzung ergeben. Wie sie den Fortschritt von der Null aus bezeichnet, so muß mit ihr auch notwendig ein Fortschritt über die Eins hinaus bezeichnet sein. Nicht nur eine untere, sondern auch eine obere Grenze muß die Eins besitzen, um überhaupt als bestimmtes erstes Reihenglied gesetzt werden zu können. Die Eins kann, da sie ja nicht in absoluter Isolierung gesetzt wird, ihrerseits wieder die Grenze bilden für die Setzung einer neuen Eins, sie kann also relativ als Null betrachtet werden. Aber die neue Eins muß von der anderen auch  unterschieden  werden. Die Möglichkeit dieser Art fortdauernder Beziehung und Unterscheidung weist auf eine mögliche unendliche Reihe von Gliedern hin. Diese Reihe bedeutet einen Fortschritt gegenüber dem Begriff der logischen (noch zahlenmäßig unbestimmten) Menge. Hier zeigt sich dann die Bedeutung der Zahl für die fortschreitende logisch-gegenständliche Bestimmbarkeit. Wenn man den Begriff der logischen Menge und des Einzelnen erfaßt hat, so erweist es sich als notwendig, das Verhältnis von Menge und Einzelnem näher zu bestimmen. Das geschieht durch die Zahl. Demnach ist diese das Gliederungs- und Ordnungsprinzip der Menge in ihrer Beziehung auf die Einheit. Die Systemeinheit aber, die Inbegriff und Gesetz der Zahlenreihe bedeutet, ist die primäre Einheit, von der aus die Eins wie die Null erst ihren Sinn empfängt.

Wenn man so den Begriff der Zahl überhaupt und der Eins in ihrer Beziehung zur Systemeinheit erfaßt hat, so handelt es sich nun darum, die gesetzte Eins als solche in ihrer mathematisch-begrifflichen Bedeutung zu bestimmen und von ihr aus die Reihe der einzelnen Zahlen zu konstruieren. Nur in Bezug auf die Reihenbildung, wie sie durch die Systemeinheit gefordert ist, hat die Setzung der Eins und der Zahlen einen Sinn. Wie aber werden aus dem Begriff der Zahl überhaupt die einzelnen Zahlen bestimmt, die der Möglichkeit nach doch in diesem Begriff enthalten sind? Die Setzung der einzelnen Zahl ist eine notwendige Bestimmung, die als Bestimmung des Einzelnen vom Allgemeinen aus im Allgemeinen, d. h. in der Zahl überhaupt gefordert ist, und sie ist als solche wieder zugleich  Beziehung  und  Unterscheidung.  Die Eins birgt durch ihren Bezug auf die Systemeinheit bereits das Prinzip der Bildung einer Zahlenreihe und der zahlenmäßig bestimmten Menge in sich. Da die Eins nicht absolut, sondern relativ gesetzt ist, so liegt in ihrer Setzung schon die notwendige Relation auf ein Anderes. Dieses Andere aber kann als solches in seiner relationsmäßigen Gültigkeit mit gleichem Recht als eine Eins betrachtet werden, sofern es eben das Andere der Eins in Bezug auf die durch die Eins geforderte Systemeinheit darstellt. Aber es ist doch eine  andere  Eins, d. h. sie kann von der Eins, deren Anderes sie infolge der Relation präsentiert,  unterschieden  werden und ist in dieser Hinsicht nicht  identisch  mit ihr. Gemeinsam oder identisch ist nur das Moment des Einsseins, das der Eins wie dem Anderen der Eins zukommt. Trotz dieser bestehenden Identität also, welche eine feste innere Beziehung schafft, ist die Möglichkeit einer Unterscheidung gegeben, ja diese wird durch die Relation gefordert. Der Fortgang von der Eins zu anderen Einsen erweist sich als notwendig. Es scheint ein Widerspruch zu sein, daß die andere Eins Anderes und doch Eins sein soll, aber dieser Widerspruch bestände nur bei absoluter Setzung, in Wahrheit liegt gerade in ihm der Nachweis der Relationsmöglichkeit, in der die Bildung der Zahlen begründet ist. Die andere Eins ist als von der Eins unterschiedenes Anderes verschieden von der Eins, und doch enthält sie das identische Einssein. In derselben Beziehung des Anderen auf die Eins offenbart sich Identität und Verschiedenheit.

Damit ist ein neues Verhältnis gewonnen, das allein diese Beziehung bestimmbar macht, das der  Gleichheit Die andere Eins ist Anderes und doch Eins: das heißt, sie ist nicht einfach identisch mit der Eins, sonst wäre sie nicht Anderes, aber sie kann unbeschadet ihrer Verschiedenheit als eine andere Eins betrachtet werden, sie ist  gleich  der Eins. Gleichheit hat demnach allerdings die Identität zur Voraussetzung (10). Identität braucht nicht schlechthinnige Identität zu sein, sondern sie kann in bestimmter Beziehung gelten. Dann aber ist das aufeinander Bezogene als solches nicht identisch, aber es wird als Unterschiedenes doch auf ein identisches Moment bezogen, und diese Beziehung liegt im Verhältnis der  Gleichheit  des aufeinander Bezogenen. Gleichheit tritt erst auf einer fortgeschritteneren Stufe der gegenständlichen Bestimmbarkeit auf als Identität. Sie hat nicht nur die Identität, sondern auch die Andersheit zur Voraussetzung, und sie ist eine Beziehung zwischen Identischem und Verschiedenem. Als Beziehung gilt sie auch nicht absolut, sondern nur relativ, d. h. das Gleiche ist in anderer Beziehung notwendig auch Ungleiches. Bei der mathematischen Gleichheit (1 = 1) scheinen Gleichheit und Identität zusammenzufallen (11), aber das ist nur scheinbar. Wäre der Satz  1 = 1  Ausdruck der Identität, dann wäre er eine bloße Konstatierung, deren mathematische Fruchtbarkeit unbegreiflich wäre. Es ließe sich dann nicht einsehen, was die nochmalige Setzung für eine Bedeutung haben soll, vor allem nicht, inwiefern z. B.  5 = 5  und  3 + 2 = 5  in gleicher Weise richtig sein könnte und in einer solchen Gleichung eine mathematische Erkenntnis gewonnen wäre. Tatsächlich aber ist die bei der mathematischen Gleichheit vorausgesetzte Identität nicht die der gleichgesetzten Zahlen selbst schlechthin, denn die Zahlen müssen unterschieden werden, wenn sie gleichgesetzt werden sollen, und die Eins, die einer anderen Eins gleich sein soll, muß eben ein Anderes als diese sein (12). Allerdings ist eine bestehende Identität die Vorbedingung für dieses Verhältnis. Doch diese grundlegende Identität ist nicht die der einzelnen Glieder als solcher, sondern die allgemeine Identität, die in der Systemeinheit liegt, also die identische Gesetzmäßigkeit in der Bildung des Systems, der sich die einzelnen Glieder einordnen müssen. Nur aufgrund der Einheit und Identität des Zahlensystems können zahlenmäßige Gleichungen bestehen.  1 = 1  und  5 = 5  soll nicht heißen, daßß die Eins oder Fünf etwas absolut Festes und Identisches wäre, denn dann wäre die mathematische Operationsmöglichkeit unverständlich, sondern gerade dies, daß ihre Setzung relativ ist, daß aber bei jeder Setzung unter Voraussetzung der identischen Gesetzmäßigkeit des Systems und im Hinblick auf diese die andere Eins eben auch als  Eins  gelten kann. Nur weil die Identität der Systemeinheit besteht, kann  3 + 2 = 5  sein, bestände diese nicht, dann wäre es unbegreiflich, wie beide Seiten der Gleichung übereinstimmen könnten. Die grundlegende Relation ist bei beiden Gliedern ihrer systematischen Gesetzmäßigkeit nach dieselbe, und infolge des Vorhandenseins dieser Identität können die Glieder innerhalb des Systems als gleich gelten, nicht aber sind sie schlechthin identisch, denn sie stellen verschiedene Setzungen dar und müssen, um Glieder sein zu können, als solche unterschieden werden. Auch die mathematische Gleichheit besteht also darin, daß eine Verschiedenheit vorausgesetzt wird, aber das Verschiedene durch eine Beziehung auf Identisches eine Bedeutung und Bestimmung empfängt. Identität und Verschiedenheit zusammen erst machen als Bedingungen die Gleichheit möglich (13). Ein identisches muß vorhanden sein, aber es muß an Verschiedenem als einheitliches Moment hervortreten, damit das Verschiedene in dieser Beziehung als gleich betrachtet werden kann. Bei der mathematischen Gleichheit wird die Identität der systematischen Gesetzmäßigkeit als selbstverständlich vorausgesetzt, da die Beziehung hier ohne weiteres als die mathematisch-gesetzmäßige anerkannt ist, während bei der dinglichen Gleichheit z. B. oft die Art der identischen Beziehung noch genauer bestimmt werden muß, und die Verschiedenheit der Glieder ist mathematisch durch die gedankliche Unterscheidung der Setzung genügend bezeichnet, daher gewinnt die mathematische Gleichheit den Anschein einer einfachen und exakten Beziehung, die man fälschlich als Identität angesehen hat, während doch auch sie erst abgeleitet ist. In diesem Sinn kann man KANT Recht geben, wenn er mathematische Sätze nicht als analytische, sondern als synthetische bezeichnet, denn in der Gleichung  3 + 2 = 5  erfolgt nicht einfach analytisch eine bloße Konstatierung der Identität, sondern es soll zwischen Unterschiedenem aufgrund einer systematisch vorausgesetzten Identität eine neue Beziehung, nämlich die der Gleichheit gewonnen werden.

Wenn man die Gleichheit zur Voraussetzung aller mathematischen Setzung macht (14), so kann man das nur, indem man die Gleichheit von vornherein bloß als mathematische bestimmt, d. h. vorausgesetzt ist dabei die Gesetzmäßigkeit der mathematischen Systemeinheit, und in dieser Gesetzmäßigkeit ist es begründet, daß unter den Beziehungen die Gleichheit als wesentlich hervortritt. Aber Gleichheit ist keineswegs die einzige mathematisch maßgebende Beziehung, sie ist also nicht einfach konstitutiv für die mathematische Setzung, sondern nur ein Moment, das bei der Konstituierung des Mathematischen hervortritt. Auf einer bestimmten Stufe der gegenständlichen Bestimmbarkeit wird die Relation der Gleichheit notwendig, und die mathematische Operationsmöglichkeit setzt auch erst nach Erreichung dieser Stufe ein. Die Setzung der Eins fordert als relative Setzung innerhalb des Bezugssystems weitere Setzungen und damit die Bildung einer Reihe. Aber wenn so etwa mehrere Einsen gesetzt sind, von denen jede Eins als solche mit sich identisch ist und doch auch als ein Anderes unterschieden wird von einer anderen Eins, so muß es sich dann im logischen Fortschritt darum handeln, eine Beziehung zwischen den mit sich identischen und voneinander verschiedenen Einsen zu finden. Und diese Beziehung ergibt sich, indem man erkennt, daß bei der Verschiedenheit der Setzungen doch die identische Gesetzmäßigkeit der Systemeinheit als grundlegend wirkt, die ihrerseits selbst die Setzungen erst möglich macht. Durch die Konstatierung dieser neuen Beziehung sind die Beziehungsglieder als  gleich  gesetzt. Die Reihe der möglichen Setzungen wird dadurch als eine Reihe von gleichen Gliedern bestimmt.

Auch die Gleichheit ist nicht absolut, sie gilt immer nur in einer bestimmten Beziehung, sonst wäre sie sinnlos. Die Gleichheit in  einer  bestimmten Beziehung fordert aber Ungleichheit in einer anderen Beziehung. Die Eins ist dem Anderen gleich, sofern dieses auch  Eins  ist. Das Andere aber muß als solches auch Anderes als die Eins, d. h.  Nicht-Eins,  sein, und in dieser Beziehung ist das Andere verschieden von der Eins und unvergleichbar. In der Reihe der gleichen Einsen, die ohne Beschränkung fortgesetzt werden kann, lassen sich also doch Unterschiede annehmen, sofern nicht jede Eins jeder anderen in jeder Beziehung gleich ist (was unmöglich ist, da dann überhaupt keine Gleichheit bestehen würde), sondern jede ein  Anderes  als die andere ist, und gerade darauf beruth die Möglichkeit der Reihenbildung. Nun müssen aber die Eins und das Andere, das der Eins gleich und doch nicht diese Eins selbst ist, wieder aufeinander bezogen werden, wenn sie nicht in einem Widerspruch zueinander stehen sollen, wodurch sie sich selbst aufheben würden. Die Momente der Gleichheit und der Ungleichheit müssen am Anderen selbst in Beziehung gesetzt werden, der Widerspruch muß sich als Beziehung auffassen lassen. Das Andere, das gleich der Eins und doch auch Nicht-Eins ist, muß auch mit diesen Bestimmungen sinnvoll sein, es muß eine neue Einheitsbeziehung darstellen, die ihrerseits wieder einen Bezug auf die Eins hat. Das geschieht, indem der Widerspruch in den Bestimmungen am Anderen als  Zweiheit  bestimmt wird. Die Beziehung, die zwischen den Bestimmungen besteht, muß eine  Verbindung  sein. Der Widerspruch, daß das Andere Eins und doch auch Nicht-Eins sein soll, ist doch nur relativ, denn Eins wie Nicht-Eins gelten ihrem ursprünglichen Sinn nach in relativer Setzung. Dann aber kann das Nicht-Eins auch in Relation zur Eins und selbst als Eins betrachtet werden. Das Andere, das Eins und Nicht-Eins ist, muß aber die Beziehung zwischen beiden sein, es ist Verbindung der Bestimmungen, und diese Beziehung läßt sich nur so erfassen, daß diese Bestimmungen als Beziehungsglieder gelten und in dieser Hinsicht gleich sind, daß sich jede Bestimmung eben  ein  Beziehungsglied ist, also die Nicht-Eins auch als Eins bestimmen läßt. Danach ist das Andere, das in einer Beziehung Eins, in einer anderen Nicht-Eins ist, sofern es doch als Anderes die Beziehung dieser Momente enthält, "Eins  und  Eins", es ist von der Eins ausgegangen und wir von dieser aus bestimmt, aber es bedeutet einen Fortschritt über die Eins, es ist  mehr  als die Eins, eine neue Einheit, die  Zwei.  Damit erst tritt das Andere in die richtige Beziehung und den richtigen Gegensatz zur Eins, es bildet als Zwei den notwendigen Fortschritt in der Reihe, die von der Eins ausgeht und durch diese bedingt ist. Die Zwei ist das Andere, das, als Widerspruch aufgefaßt, Eins und doch nicht Eins ist, oder das dann bei einer Überwindung des Widerspruchs durch die Inbeziehungsetzung der Glieder als "Eins  und  Eins" gilt. Diese Verbindung ist nur dadurch möglich, daß die Beziehung der Gleichheit und der Ungleichheit zwischen der Eins und der anderen Eins oder der Eins und der Nicht-Eins besteht. Mit der Gewinnung der höheren Einheit in der Zwei hat die Reihe, die bereits durch die Bestimmung der Eins notwendig gesetzt war, in ihrem Charakter eine nähere Bestimmung erfahren. Es ist jetzt die Art des Fortgangs, durch den die Reihe gebildet wird, genauer bezeichnet. Der Eins tritt die Zwei als neue Einheit, als "Eins  und  Eins" gegenüber.

Da aber auch die Setzung der Zwei notwendig relativ ist und sie als neue  Einheit  eben doch auch  Eins  sein muß, ergibt sich, wie auch von hier aus ein Fortschritt ins Unendliche durch Reihenbildung möglich ist. In der Zwei liegt auch schon der Gang über die Zwei hinaus notwendig begründet. Und die neue Einheit, die von der Zwei aus gewonnen wird, muß so entstehen, daß die Zwei als Einheit, d. h. als Eins gefaßt, in Beziehung tritt zur Eins als ein neues "Eins und Eins", das aber doch vom "Eins und Eins", wie es die Zwei selbst darstellt, unterschieden werden muß. Das neue "Eins und Eins" soll über die Zwei hinausführen, die Zwei tritt hier selbst als Glied auf, indem sie als Einheit gilt, es ist also "Zwei und Eins", während durch das andere "Eins und Eins" die Zwei selbst erst gebildet wurde. Die neue Einheit "Zwei und Eins" ist die  Drei.  Und so werden, da der Fortschritt in den Relationen nicht beschränkt ist, immer neue Einheiten durch eine Verbindung mit der Eins geschaffen, die  Zahlenreihe  ist dait ihrer Möglichkeit nach konstituiert. Die Entwicklung der Zahlenreihe beruth nicht auf einer additiven Setzung, denn bei einer solchen wird das Bestehen der Zahlenreihe schon vorausgesetzt, sondern sie ist der notwendige Fortschritt der Beziehungen, der durch die Systemeinheit gefordert wird und notwendig zur Bildung des Systems führt.

Zur Gewinnung der Zahlen ist keine besondere Mehrheit von Setzungen nötig, sondern nur eine Bestimmung von der Einheit des Systems aus, und jede einzelne Zahl ist durch ihren Bezug auf das System ohne weiteres bestimmt. Die Zahlen unterscheiden sich nicht durch ihren verschiedenen Stellenwert innerhalb eines Mediums (15), sondern nur durch die Art der systematischen Relation, durch die sie ihre Bestimmung erfahren. Ein "homogenes Medium", in dem sich Stellen unterscheiden lassen, ist dazu nicht erforderlich, der Bezug auf die systematische Einheit, die das Prius ist, gewährleistet die Einordnung in das System, und die Bestimmung der Zahl bedeutet Bestimmung dieses systematischen Bezugs. Die Zahl hat als systematisch bestimmtes Relationsprodukt auch noch keinen "quantitativen Charakter" (16), sondern nur Relationscharakter. Damit ist die moderne mathematische Auffassung der Zahl als einer Funktion, nicht einer Größe gerechtfertigt (17). Auch wo wir die Zahl auf Quanta beziehen - und das ist in der anschaulich praktischen Wirklichkeit allerdings der Fall -, wird die Zahl selbst dadurch nicht zu einem Quantum, sondern sie ist immer nur die Beziehung von der Einheit des Systems her auf einen bestimmbaren Gegenstand. Die Quantität aber gehört nicht zur zahlenmäßigen Bestimmbarkeit überhaupt, sondern sie ist nur eine anschauliche Darstellung in der sinnlichen Wirklichkeit. Die Ordnung, wie sie sich durch den Zusammenhang der Relation im System ergibt, ist systematische Ordnung im allgemeinsten Sinn, noch keine bestimmte Ordnung des Nebeneinander oder Nacheinander, denn das sind besondere Arten, die ihrerseits abhängig sind vom Allgemeinen der systematischen Ordnung, von diesem aus entstehen und bestimmt werden. Der Zahl als solcher liegt jeder unmittelbare Bezug auf ein Medium, auf Raum oder Zeit fern, sie ist durch ihren systematischen Relationscharakter hinlänglich bestimmt. Die Zeit ist ebenso wie der Raum eine bereits logisch spezieller bestimmte Art der Anordnung. Wenn der Akt der Zählung praktisch-psychisch in der Zeit verläuft, so hat das doch keinen Einfluß auf die logische Bestimmung der Zahl. Nur weil wir eben praktisch von der bestimmten Gegenständlichkeit des Wirklichen ausgehen, nicht, wie das bei einer  logischen  Betrachtung erforderlich ist, von der übergeordneten, vorausgesetzten logischen Einheit des Systems, darum mischen sich in unsere Bestimmungen so leicht Merkmale eines aposteriorischen [im Nachhinein - wp] Charakters, die auf logisch frühere Stufen übertragen werden, weil vom praktisch-anschaulichen Standpunkt aus das logisch Spätere und Aposteriorische das Begreiflichere ist. Man kann die Zahl wohl mit KANT eine "Einheit der Synthesis des Mannigfaltigen" nennen, aber nicht, wie es bei KANT weiter heißt, die "einer gleichartigen Anschauung überhaupt, dadurch daß ich die Zeit selbst in der Apprehension [Zusammenfassung - wp] der Anschauung erzeuge". (18) Die Anschauung gehört gar nicht zur  logischen  Bestimmung des systematischen Relationsverhältnisses, wie es die Zahl fordert, erst wenn wir rückwärts vom Einzelnen der Wirklichkeit aus die Zahl  darstellen  wollen, dann nehmen wir die Anschauung zu Hilfe. Und ebenso liegt im logischen Begriff der Zahl keine Vorstellung des Nacheinander schon notwendig begründet, erst wenn wir über den logischen Begriff der Zahl durch eine weitere Bestimmung der Gegenständlichkeit dem besonderen Wirklichen näher kommen, dann ergibt sich durch die Beziehung auf die bestimmtere Ordnung des Nacheinanders die Möglichkeit einer gegenständlich bestimmteren Darstellung der Zahl. Ihrer logischen Bedeutung nach aber ist die Zahl vom System her als begriffliche Relationseinheit bestimmt, und die Beziehung auf das System konstituiert ihr logisches Wesen, während die Beziehung auf eine Anschauung oder Zeit etwas Sekundäres, in ihrem logischen Wesen ansich nicht nowendig Begründetes bedeutet.

Die Zahl ist logisch zunächst eine  Zahl,  wie sie von der Systemeinheit her gewonnen ist, und nichts weiter, erst durch eine neue Beziehung kann sie Zahl  von etwas  werden. Da der Relationszusammenhang keinen Abschluß duldet, kann die Zahl allerdings keine einseitige Beziehung zur Systemeinheit hin bedeuten, sondern es muß in ihr auch der Fortschritt in der Richtung einer weiteren gegenständlichen Bestimmung gefordert sein. So liegt in der logischen Bestimmung der Zahl auch bereits der Fortschritt über die Zahl hinaus auf die Gegenständlichkeit hin begründet. Zunächst ist die Zahl logisch an und für sich noch kein "So-viel", erst wenn sie sich auf etwas  Anderes  bezieht, kann man  durch  sie das Wieviel bestimmen, es wird dann  etwas  gezählt. Die Zahl erhält damit ihren weiteren gegenständlichen Sinn als Zahl  von etwas.  Sie muß sich allerdings, da sie eine Relation ist, auf ein Anderes beziehen, da die Relation in ihrer weiteren Bestimmung immer eine Relation auf Etwas ist. Und dann tritt auch erst das Moment der Einheit in der Zahl deutlicher hervor, indem die Zahl als die  Einheit  des Etwas erscheint, also das formale, auf die Systemeinheit bezogene Moment des Einen an einem inhaltlichen Etwas hervortreten läßt.

Als systematisch bestimmte Relationsordnung ist die Zahl vorerst weder Kardinal- noch Ordinalzahl; der Streit, ob diese oder jene Zahlengattung die ursprünglichere ist, wird also vom logischen Gesichtspunkt aus hinfällig (19). Logisch ist die Zahl eine Zahl überhaupt, und sie spezialisiert sich dann erst in der Richtung auf eine besondere Art der Zählung. Ist die Zahl als eine Zahl überhaupt bestimmt, dann muß sie als Ordnung und Gliederung des gegenständlich Gesetzten, d. h. Zählbaren und Gezählten erscheinen. Das durch die Zahl systematisch bestimmte Etwas läßt sich nun aber so zahlenmäßig bestimmen, daß entweder das  Zusammen  der Glieder in der Beziehung durch eine Unterscheidung hervortritt, d. h. daß die  Anzahl,  das  Wieviel  festgestellt wird, oder daß sich die  Ordnung  in ihrem Zusammen durch die Zahlreihe fixieren läßt. Beides sind aber nicht verschiedenartige Operationen, sondern Zählweisen, die korrelativ zueinander gelten und beide in gleicher Weise aus dem reinen Charakter der Zahl fließen. Wo eine Anzahl vorhanden ist, da ist auch eine Ordnung nach der Zahl möglich, und umgekehrt, wo ein Glied ordinal [Beschreibung der Position in einer geordneten Menge - wp] bestimmt ist, muß es auch zu einer Anzahl gehören. Die Eins ist auch das Erste, und durch die Bestimmung der Eins als des ersten Gliedes der Zahlenreihe werden sowohl die Kardinalzahlen wie die Ordinalzahlen möglich. Die Zahl ist die Bestimmung einer Menge von der Einheit des Systems aus. Damit die Menge aber bestimmt werden kan, muß sie als systematisch geordnetes Zusammenbegriffen werden, als Beziehungszusammenhang von Gliedern. Die Glieder müssen demnach notwendig ein einem Zusammen stehen, sie müssen eine  Anzahl  bilden, aber die Anzahl darf auch kein bloßes Zusammen sein, sondern sie muß, um überhaupt eine bestimmte Anzahl sein zu können, auch irgendwie eine  geordnete  Anzahl sein, nur so ist das Zusammen als ein Beziehungszusammenhang der Menge möglich. Und eine  Ordnung  nach der Beziehung in der Menge hat auch nur da Sinn, wo ein Zusammen, eine Anzahl bestimmbar ist. Ordinal und Kardinalzahl sind also im Grunde gar nichts Verschiedenes, sondern sie sind beide in gleicher Weise Zahl, nur kehren sie die eine oder die andere Seite derselben Zahl hervor, die sich aber notwendig ergänzen und fördern, wenn überhaupt eine zahlenmäßige Bestimmbarkeit möglich sein soll.

In der "natürlichen" Zahlenreihe ist die einfachste Form der Ordnung und Gliederung von der Einheit des Systems aus in Bezug auf eine Menge gewonnen. Von  einem  Ausgangspunkt, der Eins, wird in  einer  Richtung durch gleichmäßigen Fortschritt und Unterscheidung der Glieder (die Reihung der Einsen) eine Beziehungsmöglichkeit bis ins Unendliche hergestellt. Bringt man die Reihe zu einem Abschluß, so erhält man eine bestimmbare Menge. Durch die Zahlenreihe wird die Bildung und Bestimmung unendlich vieler Mengen möglich. Die Mengen selbst sind durch die Einheit des Systems und ihre Beziehung auf diese in ihrem Wesen begründet. Die Messung der Menge durch die Anzahl der Einsen ist eine sekundäre Analysierung, denn die Menge als solche ist das Prius vor der Eins, da man von der Allheit der systematischen Einheit zunächst zur Einheit der Menge gelangt, aus der dann erst die Eins als Glied, das als solches einen notwendigen Bezug auf die Menge hat, durch eine Unterscheidung herausgelöst wird. Will man die Menge näher bestimmen, so muß man sie gliedern und unterscheiden, d. h. man muß die Menge zählen und durch die Zahl messen. Dann geht man von dem durch die Menge gesetzten Eins aus, um von diesem zurück zur Menge zu gelangen, man nimmt den Weg von der Eins durch die Vielheit der Einsen zur Einheit der Vielheit, und damit wird dann die Menge als gegliederte und geordnete Einheit der Vielheit bestimmt. Da der Bezug auf die Menge von vornherein in der Eins liegt, ist dieser Fortschritt in der gegenständlichen Bestimmbarkeit notwendig.

Wenn aber so unendlich viele Mengen bestimmbar sind, müssen diese als Mengen wieder in einem Verhältnis von Beziehung und Unterscheidung zueinander stehen. Sie können nicht dieselbe identische Menge sein, da sie ja doch unendlich viele sind, aber sie müssen doch, da sie alle  Mengen  sein sollen, in diesem ihrem Charakter als Mengen irgendwie vergleichbar sein, das Menge-sein muß bei ihnen als identisches Moment vorhanden sein, und zwischen ihnen muß eine Beziehung der Gleichheit oder der Ungleichheit möglich sein. Soll dieses zwischen den Mengen bestehende Verhältnis der Gleichheit oder der Ungleichheit nun aber bestimmbar sein, so kann es das nur durch eine Beziehung auf die Einheit als identischen Ausgangspunkt. Die Menge wird bestimmt und gemessen durch eine Beziehung auf die Eins; ist die Art der Messung in der einen wie der anderen Menge die gleiche, und das muß sie als Zahlbestimmung sein, dann lassen sich dadurch auch die gemessenen Mengen  vergleichen.  Vergleichen aber heißt die Beziehungen der Mengen untereinander bestimmen. Besteht eine Gleichheit, so läßt sich das ja einfach konstatieren, und es ist nur zu prüfen, daß und worin die Gleichheit besteht. Ist z. B. eine Menge  = 5  und eine andere Menge ebenfalls  = 5,  so ist die Zahl in beiden Fällen gleich, und man kann setzen  5 = 5  (wobei man die Menge natürlich nur ihrer  Zahl  nach betrachtet und den übrigen etwaigen inhaltlichen Charakter unberührt läßt). Wird aber eine Ungleichheit festgestellt, so muß diese noch näher bestimmt werden, es muß das Verhältnis der ungleichen Mengen doch durch eine Beziehung auf eine Einheit begriffen werden, der Unterschied selbst muß sich  messen  lassen. Es genügt nicht, daß man konstatiert, die eine Menge ist  5,  die andere ist  7,  sondern es muß eine Beziehung zwischen der  5  und der  7  hergestellt werden, und diese Beziehung muß selbst bestimmbar, d. h. da es sich um ein zahlenmäßiges Messen handelt, durch die Zahl meßbar sein.

Damit daß sich Beziehungen zwischen Mengen als notwendig erweisen - und sie müssen das infolge der notwendigen Herstellung des Systems als des Beziehungszusammenhangs -, werden die  mathematischen Operationen  ermöglicht. Die "Grundrechenarten"ergeben sich notwendig durch den Fortschritt der Bestimmungen in der Beziehung. Vergleich man die Menge  5  und die Menge  7,  so erscheint ein Unterschied darin, daß die Menge  7  der Zahl nach "mehr" ist, als  5,  die  5  "weniger" als  7.  Das Mehr und Weniger wird festgestellt durch eine Beziehung auf die gleiche, von der Eins ausgehenden Zahlenreihe, wobei sich zeigt, daß die Reihe der Anzahl ihrer Glieder nach zur  7  hin weiter fortsetzbar ist als zur  5.  Damit aber der Unterschied bestimmt werden kann, muß man noch feststellen,  wie  weit die Reihe von der  5  aus fortsetzbar ist,  wieviele  Glieder die Reihe zur  7  weiter geht und wieviel demnach die Menge  7  mehr enthält als  5.  Man muß die Anzahl der Glieder zählen, die den Unterschied ausmachen. Das Resultat ist, daß die Menge  7  der Menge  5  gegenüber  2  Glieder  mehr  enthält, oder, was eine korrelative Aussage bedeutet, da die Beziehung von der  7  zur  5  auch eine Beziehung der  5  zur  7  notwendig setzt, daß die Menge  5  der Menge  7  gegenüber  2  Glieder  weniger  besitzt. Mathematisch gewinnen wir damit die Sätze:  5 + 2 = 7  und  7 - 2 = 5.  Hat man verschiedene Mengen, dann müssen sich diese also zu einer systematischen Einheit zusammenfassen lassen, sie müssen dadurch in Beziehung treten, daß sie einem System eingeordnet werden. Dann aber muß dieses System als einheitliches die eingeordneten Mengen auch wirklich enthalten, und die Mengen müssen zusammen eine systematische Einheit bilden. Zusammenfassung und Zerlegung müssen korrelativ sein. Die Summe enthält die Glieder, und sie ist nichts mehr als die Summe der Glieder. Also  5 + 2  kann nur  = 7  sein, weil nur die  7  eine zahlenmäßige Zusammenordnung der  5  und der  2  bietet, wenn beide auf ein einheitliches System bezogen werden. Und ebenso muß man eine Menge als systematische Einheit fassen können derart, daß sie sich in Glieder zerlegen läßt, die aber doch in ihrer Zusammenordnung eine Einheit bilden, und man muß vin der Einheit der Menge aus durch die Bestimmung einer Teilmenge eine andere Teilmenge finden, die mit dieser zusammengeordnet die ursprüngliche systematische Einheit der Menge als des Ganzen ergibt. So wird ein Relationsverhältnis zwischen Mengen ausgedrückt, wie es in den Sätzen  5 + 2 = 7  und  7 - 2 = 5  enthalten ist. Es ist im Grunde immer dieselbe Beziehung, die man nur von dieser oder jener Seite aus ansehen kann. Die Rechenoperationen der  Addition  und der  Subtraktion  sind damit ermöglicht. Sie beruhen auf einer  Vergleichung  von Mengen und gelten notwendig korrelativ zueinander.

Wo eine Beziehung des Mehr vorhanden ist, da ist durch die Umkehrung notwendigerweise auch eine Beziehung des Weniger möglich: die eine Beziehung geht von dem  einen  Glied aus zum andern, die andere ergibt sich notwendig, wenn man vom  anderen  Glied aus zum vorherigen "einen" zurückgeht. Keine der beiden Beziehungen und somit keine der beiden Rechenoperationen der Addition und der Subtraktion ist ursprünglicher als die andere, jede fordert die andere notwendig zur Ergänzung. Nicht etwa ist die Zahl selbst durch Addition entstanden, denn die Zahl entsteht nur durch Zählung, Addition aber ist bereits eine Vergleichung von Mengen, setzt also bestimmte, gezählte Mengen voraus und ist die Bestimmung einer Beziehung zwischen diesen, sie bedeutet demnach eine besondere weitere Stufe der Bestimmbarkeit gegenüber der Zählung. Auch  1 + 1 = 2  ist nicht etwa eine bloße Zählung, denn die Zählung bedeutet ein dreifaches Fortschreiten in der Reihe  1, 2  usw., wobei allerdings der Fortschritt dadurch erzielt wird, daß "Eins und Eins" als neue Einheit in der Zwei gesetzt wird. Aber damit wird nur die fortschreitende Zahlenreihe logisch konstituiert, wie das von der Einheit des Systems aus erfordert wird. Vollzieht man aber eine Addition, so nimmt man die Zahlen bereits als bestimmte und bestimmt eine Beziehung zwischen gezählten Mengen. In dem Satz  1 + 1 = 2  soll also nicht etwa die Zwei von der Eins aus gewonnen und damit die Zahlenreihe hergestellt werden, sondern die  1  ist bereits eine bestimmte, gezählte Menge (welche das Bestehen der Zahlenreihe schon voraussetzt), ebenso auch die  2,  und es wird eine Beziehung zwischen diesen beiden Mengen errichtet. Erst wenn die Zahlenreihe vorausgesetzt ist und die Mengen zahlenmäßig bestimmt werden, ist ein "Hinzufügen" oder "Wegnehmen" möglich. Das "und" bei der Setzung der Zwei durch "Eins und Eins" bedeutet somit in der Tat etwas ganz anderes als das "plus" im Satz  1 + 1 = 2.  Das "und" kennzeichnet die Beziehung, durch welche die Zahl selbst in der Zahlenreihe konstituiert wird, das "plus" bestimmt eine Beziehung zwischen bereits festgesetzten Zahlen. Durch das "und" wird die Setzung der Zahl erreicht, beim "plus" bestimmt eine Beziehung zwischen bereits festgesetzten Zahlen. Durch das "und" wird die Setzung der Zahl erreicht, beim "plus" wird eine Operation mit den Zahlen vorgenommen, die Setzungen müssen dabei schon ihre Bestimmung erfahren haben (20). Addition und Subtraktion entwickeln sich auf diese Weise streng korrelativ, sie ergeben sich beide in gleicher Weise durch die notwendige Beziehung und Vergleichung der Menge untereinander. Es hat auch nicht etwa die Subtraktion einen Vorrang vor der Addition, wie das NATORP (21) meint.

Nun ist aber die Möglichkeit der Beziehung zwischen Mengen durch die Operationen der Addition und Subtraktion nicht erschöpft. Beide Rechenarten ergaben sich bei der Bestimmung des Unterschieds von Mengen und ihrer Beziehung auf die Einheit des Systems. Aber auch wenn man  gleiche  Mengen annimmt, müssen sich Beziehungen zwischen ihnen bestimmen lassen und muß aufgrund ihrer  Gleichheit  ein Bezug auf eine systematische Einheit möglich sein. Hat man eine Menge  5  und eine andere Menge  5,  deren Gleichheit mit der ersten konstatiert ist, so muß sich doch eine Zusammenordnung dieser Mengen ermöglichen lassen. Die beiden Mengen werden dadurch systematisch bezogen, daß sie, gerade durch die Konstatierung ihrer Gleichheit, als  2  Mengen erkannt werden. Aber die 2 Mengen müssen als Mengen, von denen jede  = 5  ist, zu einer systematischen Einheit zusammengeordnet werden, in der sie beide vollständig enthalten sind. Diese Einheit ist also der Beziehungszusammenhang von  2  Mengen, die beide  = 5  sind. Es ist hier eine andere Beziehung vorhanden als etwa bei der Addition, es handelt sich nicht um eine Menge  5  und eine Menge  2,  sondern um  2  Mengen  5,  es werden dabei demnach die Mengen selbst als Mengen noch einmal gezählt, und dies ist möglich, sofern sie als Mengen gleich sind, sich also unter demselben Begriff unterordnen lassen und so ein Allgemeines, eine Gesamtmenge bilden, welche die systematische Einheit ihres Zusammens bedeutet. Diese Beziehung durch die Zählung gleicher Mengen ist die des  "Mal",  wie es in der Rechenoperation der  Multiplikation  ausgedrückt wird. Die Gesamtmenge aber, welche die systematische Einheit der so zusammengeordneten, gezählten Mengen darstellt, muß als solche selbst wieder eine zählbare Menge sein, und sie muß in der Weise zählbar sein, daß sie sich auf dasselbe einheitliche Zahlensystem beziehen läßt wie ihre Glieder, die Eins, welche das Maß für die Zählung abgibt, muß bei ihr wie bei den in ihr enthaltenen Mengen dasselbe sein. Es müssen also die Einer in beiden Teilmengen auch fortlaufend gezählt werden können, und es muß sich dann die Gesamtmenge ergeben. In der Menge  5  sind  5  Einer und ebenso in der anderen Menge ebenfalls  5  Einer. Zählt man die in den beiden Mengen enthaltenen Einer ohne Rücksicht auf ihre Zugehörigkeit zu der einen oder der anderen Menge, so muß die Gesamtmenge entstehen, welche die  2  Mengen  5  enthält, da in sie alle Glieder der beiden Mengen aufgenommen sind. Damit ist dann ein einheitlicher Beziehungszusammenhang hergestellt. So wird der Satz gewonnen  2 · 5 = 10.  Die  10  ist die systematische Einheit, welche die  2  gleichen Mengen  5  enthält, sofern beide, ebenso wie das Produkt, auf dasselbe Zahlensystem bezogen ist, also die zugrundeliegende Eins immer dieselbe ist. Mit der Multiplikation ist nun zugleich auch notwendig die  Division  ermöglich. Denn sofern die Gesamtmenge die Teilmengen enthält, muß auch eine Beziehung von der Gesamtmenge aus zu den Teilmengen feststellbar sein. Wenn die  10  notwendig die  2  Mengen  5  in sich faßt, man also durch die Operation des "Zweimal" von der  5  zur  10  gelangt, so muß man auch umgekehrt von der  10  zur  5  gelangen können, wenn man die Zusammenordnung der beiden Mengen  5  in der Einheit der  10  löst. Man muß dann prüfen, wieviel mal die Menge  5  in der  10  enthalten ist. So teilt man die Gesamtmenge in gleiche Teilmengen und zählt diese Teilmengen. Auf diesem Weg kommt man zu dem Satz:  10 : 5 = 2.  Es ist ersichtlich, daß Division und Multiplikation notwendig zusammengehören und logisch keine von ihnen einen Vorrang besitzt, daß sie beide im Grunde denselben Beziehungszusammenhang, nur jeweils von einer anderen Seite der Beziehung her ausdrücken. Immer wieder erweist sich die Notwendigkeit der fortschreitenden Beziehung, wie sie von der ursprünglichen Einheit des Systems her gefordert sind, und dann die Relativität dieser Beziehungen.

Auf diesem methodischen Weg lassen sich nun leicht auch die übrigen mathematischen Operationen ableiten, es lassen sich weiterhin, wenn man den systematischen Beziehungscharakter festhält, auch die Erweiterungen des Zahlenbegriffs über die natürliche Zahlenreihe hinaus begreifen. Brüche, negative, irrationale, imaginäre Zahlen usw., sie alle sind Bestimmungen von Beziehungen, die sich im logischen Fortschritt von der Einheit des Zahlensystems aus notwendig ergeben und die als solche zur Konstruktion des Systems gesetzt werden müssen (22).

Geht man weiter von der "natürlichen" Zahl zur algebraischen, so tut man damit scheinbar einen Schritt rückwärts in der logisch-gegenständlichen Bestimmbarkeit, denn man setzt für die bestimmte, besondere Zahl eine allgemeine Zahl überhaupt, die jener gegenüber doch unbestimmter zu sein scheint. Aber auch dieser Schritt ist notwendig, und auch er ist in Wahrheit ein Schritt vorwärts in der logisch-gegenständlichen Bestimmung. Die algebraische Zahl nimmt als allgemeine doch die Bestimmtheit der natürlichen Zahlen in sich auf, sie setzt den mathematischen Beziehungszusammenhang des natürlichen Zahlensystems voraus und ist von diesem aus bestimmt. Auch sie ist von der systematischen Einheit aus bedingt und auf diese hin orientiert. Aber in ihr wird die Beschränkung, die in der einzelnen natürlichen Zahl solcher liegt, überwunden, und diese Überwindung erfolgt notwendig durch die weitere logische Beziehungsbestimmung. Durch die algebraische Zahl wird der Weg über das Zahlensystem hinaus zum System der gegenständlichen Beziehungen als solchem gewonnen, und damit ist auch die Wiederanknüpfung an die ursprüngliche, noch nicht zahlenmäßig bestimmte Einheit des Systems erreicht. Die algebraische Zahl  a  etwa stellt eine allgemeine Zahl dar, d. h. ein Gemeinsames, für das sich verschiedene besondere Zahlen setzen lassen. Sie repräsentiert eine neue  Einheit,  eine Einheit, die eine reichere mathematische Beziehungsmöglichkeit in sich enthält, sofern sie einer beliebigen Mehrheit natürlicher Zahlen entspricht. Das besondere Zahlsein wird abgestreift, und gerade dadurch tritt das reine allgemeine Zahlenmoment hervor. Und wie damit das Einheitsein der Zahl wieder betont wird, so erscheint hierbei auch die reine Gegenständlichkeit, die das Korrelat der Einheit ist und infolge deren die Zahl als ein Etwas gilt.

Mit der Zahl ist die logische Bestimmung des Gegenstandes noch nicht vollendet, es bedarf dazu noch einer weiteren Erfüllung mit gegenständlichem Inhalt. Aber die Zahl bietet bereits eine bestimmte Möglichkeit von Beziehungen, einen Beziehungszusammenhang, der gegenständlich erfüllbar ist. Sie kann daher als möglicher Gegenstand, als ein ideales Schema der Gegenständlichkeit angesehen werden, und sie weist damit den Weg von der Einheit des Systems zum logisch bestimmten Gegenstand, der als einheitliches Ganzes begriffen werden soll.
LITERATUR - Willy Moog, Einheit und Zahl, Kantstudien, Bd. 23, Berlin 1919
    Anmerkungen
    10) JOHANNES REHMKE, Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Bd. 144, 1911, Seite 117:  "Gleiches  ist niemals Identisches, wohl aber findet sich  Identisches  in Gleichem".
    11) WILHELM WINDELBAND, Über Identität und Gleichheit, Sitzungsbericht der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, vom 15. Oktober 1910) Seite 16. WINDELBAND verkennt die begriffliche Unterscheidung zwischen Identität und Gleichheit, wenn er Gleichheit als reflexive Kategorie und Identität als konstitutive (als "seiende Gleichheit") bestimmt. JOHANNES von KRIES, Logik, Tübingen 1916, Seite 17 unterscheidet numerische Gleichheit und logische Identität. Auch JONAS COHN, Voraussetzungen und Ziele des Erkennens, Leipzig 1908, Seite 16 weist mit Recht die Auffassung ab, daß  1 = 1  eine Identitätssetzung bedeutet.
    12)  1 = 1  ist daher an und für sich keine Gleichung, wie REHMKE a. a. O., Seite 130 richtig betont. Erst wen die eine  1  von der anderen  1  unterschieden wird, kann auch eine Gleichsetzung stattfinden. Eine solche Unterscheidung ist meines Erachtens aber doch möglich und sinnvoll.
    13) Die Gleichheit erhält durch die systematische Beziehung ihren bestimmten begrifflichen Sinn. Sie ist kein bloßer "Grenzfall der Unterscheidung" (WINDELBAND, "Die Prinzipien der Logik" in der  Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften,  herausgegeben von ARNOLD RUGE, Bd. I, Seite 30) oder ein "Grenzfall der Stetigkeit" (EDMUND HUSSERL, Logische Untersuchungen I, zweite Auflage, Seite 239).
    14) RICKERT, a. a. O., Seite 40.
    15) RICKERT, a. a. O., Seite 44
    16) RICKERT, a. a. O., Seite 68
    17) Allerdings braucht man nun nich schon mit ERNST CASSIRER, Substanzbegriff und Funktionsbegriff" (Berlin 1910) zu meinen, weil die Mathematik keine allgemeine Wissenschaft der Größe ist, man müsse sie einfach die der Form und der Qualität sein (Seite 121).
    18) KANT, Kritik der reinen Vernunft (Ausgabe KEHRBACH), Seite 146.
    19) NATORP, a. a. O., Seite 103f. HANS DRIESCH, Ordnungslehre, Jena 1912, Seite 97.
    20) Nach RICKERT a. a. O., Seite 45f wäre das "und" rein logisch, das "plus" jedoch nicht mehr. Ein "alogisches Moment" im RICKERTschen Sinn kann ich allerdings nicht anerkennen.
    21) NATORP, a. a. O., Seite 135f.
    22) Eine Weiterführung und umfassendere Begründung der in dieser Skizze niedergelegten Gedanken werde ich in einer größeren Arbeit über den Begriff der Einheit geben.