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JULIUS von KIRCHMANN
Über die Gegenständlichkeit
der in den Sinneswahrnehmungen
enthaltenen Eigenschaften der Dinge

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"Die  Undurchdringlichkeit bildet das wesentliche Merkmal des Körperlichen. Alles, was daher  durchdringlich ist, was in sich selbst ein Anderes aufnehmen kann, ohne dadurch selbst in seinem Wesen verändert zu werden, ist kein Körperliches, vielmehr ein Unkörperliches und da wir nur den Gegensatz von Körper und Seele, oder Geist kennen, so kann dieses Unkörperliche auch das  Geistige genannt werden."

"Man ist sich noch heute nicht recht einig darüber, was man aus der anziehenden Kraft eigentlich machen soll, ob sie eine den Körpern innewohnende Eigenschaft ist oder nicht. Hauptsächlich stößt man sich dabei an dem Umstand, daß sich diese Eigenschaft über den Körper hinaus bis in die weitesten Fernen erstreckt und auch da wirkt, wo der Körper gar nicht ist; damit wäre diese Eigenschaft von ihrer Substanz getrennt. Alle diese Bedenken dürften sich erledigen, wenn man sich entschließt, die Gravitation bei den Körpern als eine geistige Sphäre aufzufassen, wo jedes Körperatom von einer solchen umgeben und durchdrungen ist. Diese Sphären sind dann keine Eigenschaft der Körper, sondern eigene geistige Substanzen, von denen eine jede mit einer körperlichen Substanz so untrennbar verbunden ist, wie die Seele mit dem Leib."

Mein Thema wird durch den Gegensatz verständlicher werden, in welchem es zur neueren Naturwissenschaft steht. Diese erkennt nur einen Teil der in den Sinneswahrnehmungen enthaltenen Eigenschaften als solche an, welche auch in den Dingen selbst und außerhalb der wahrnehmenden Seele bestehen. Es sind dies die räumliche Größe, die räumliche Gestalt und die Bewegung. Bei diesen nimmt die Naturwissenschaft an, daß die Sinneswahrnehmung diese  seienden  Eigenschaften mit großer Genauigkeit und Übereinstimmung der Seele zuführt. Die Wahrnehmung gilt hier nicht bloß als ein  Zeichen,  daß etwas Gegenständliches besteht, sondern auch als ein  Bild  desselben.

Mittelbar gehören zu diesen Eigenschaften auch das Glatte und Rauhe, das Harte und Weiche, die Schwere und der Druck, indem die beiden ersteren nur die mehr oder weniger gleichmäßige Oberfläche der Körper bezeichnen und die vier letzteren durch den Sinn des tätigen Fühlens oder durch den Muskelsinn in der Weise der Seele wahrnehmbar gemacht werden, daß mittels deren Wollens die motorischen Nerven erregt und die Glieder des eigenen Körpers zu einer Bewegung bestimmt werden, welche durch den, bald größeren, bald geringeren Widerstand, welchen die Teilchen des fremden Körpers oder dieser selbst jener Bewegung der Glieder entgegenstellen, der Seele die Wahrnehmung der entgegenwirkenden Kraft des fremden Körpers gewährt. Dieser Muskelsinn ist deshalb von einer abweichenden Natur; er verlangt eine von der wahrnehmenden Seele selbst durch den Willen erweckte eigene Kraftäußerung, und ihr Gegenstand ist eine, der eigenen gleichartige Kraftäußerung des fremden Körpers; während bei den übrigen Sinnen von einer solchen Aktion und Reaktion nichts empfunden wird, sondern eine solche nur erst durch Verstandesschlüsse von den meisten Systemen hineinverlegt wird. Jedenfalls gibt dieser Muskelsinn eine sehr bestimmte Wahrnehmung von der in einem fremden Körper bei seiner Bewegung oder Ruhe enthaltenen Kraft oder Undurchdringlichkeit; ja diese Wahrnehmung gilt dem Menschen als die objektivste von allen; denn niemand zweifelt an der Gegenständlichkeit dessen, was man mit den Händen greifen kann. Es ist deshalb, beiläufig gesagt, falsch, wenn alle Lehrbücher der Physik, z. B. das von MÜLLER-POUILLET, damit beginnen, daß das Wesen der  Kraft  für den Menschen nicht erkennbar ist. Man verwechselt dabei die durch den Muskelsinn gefühlte Kraft mit der vom Denken zwischen Ursache und Wirkung eingeschobenen Kraft, welche die Entstehung der Wirkung aus der Ursache begreiflicher machen soll; diese Kraft ist allerdings ein bloßes Geschöpf des Denkens, deshalb nicht wahrnehmbar und auch nicht erkennbar.

Alle übrigen hier nicht genannten Eigenschaften der Dinge, die sogenannten Qualitäten, wie das Licht, die Farben, die Wärme, der Schall, der Ton, der Geschmack und der Geruch der Dinge, in all ihren Besonderungen, gelten der Naturwissenschaft nur als subjektive; d. h. es entspricht denselben in der äußeren Natur nichts Ähnliches; sie sind kein  Bild  einer wirklichen Eigenschaft oder eines Zustands der Körper, sondern sie entstehen erst innerhalb der Seele bei ihren Wahrnehmungen; es bestehen nach der Naturwissenschaft nur feste Gesetze, nach welchen bestimmte äußere Bewegungsvorgänge immer mit bestimmten einzelnen von diesen subjektiven Eigenschaften oder Vorstellungen verknüpft sind. Wegen dieses kausalen Zusammenhangs gelten sie der Naturwissenschaft zwar als  Zeichen  für jene äußeren Vorgänge, aber nicht als  Bilder  eines Gegenständlichen.

Gegen diese Lehre richtet sich nun mein Thema. Ich bemerke jedoch gleich hier, daß ich nur gewisse Bedenken gegen diese Lehre geltend machen will und daß das, was ich stattdessen biete, von mir zunächst nur als Hypothese hingestellt werden kann, für welche sich ein direkter Beweis nicht führen läßt, sondern welche sich nur durch ihren inneren und äußeren Zusammenhang rechtfertigen soll. Nach meiner Ansicht bestehen die Farben, die Töne, die Wärme usw. als solche auch in der äußeren Natur. Die Natur ist nicht bloß ein Raum mit sich bewegenden Atomen des Äthers und ein Körper, ohne Licht, ohne Farben; sie ist nicht eine Welt, die laut- und farblos. gleichsam in eine ewige Finsternis und ewiges Schweigen gehüllt ist, sondern sie selbst ist mit all dem Reiz der Farben, der lauten und leisen Klänge geschmückt, wie sie uns von den Sinnen geboten werden.

Es war dies auch die allgemeine Überzeugung in der antiken Welt und im Mittelalter; und zwar nicht bloß bei der Masse des Volkes, sondern auch bei den Männern der Wissenschaft, bis auf wenige Ausnahmen streitsüchtiger Männer. Die Griechen gaben sich nicht einmal die Mühe, die Übereinstimmung zwischen diesen Qualitäten und den Wahrnehmungsvorstellungen zu erklären und selbst die  Skeptiker  konnten das Gegenteil nur behaupten, aber nicht beweisen. PLATO läßt beim Sehen das Licht aus den Augen ausströmen und sicht mit dem Licht von den Gegenständen begegnen; dies genügte ihm. ARISTOTELES hat zwar das Wahrnehmen in seinen drei Büchern über die Seele ausführlicher behandelt, allein er bleibt bei den abstrakten Begriffen der Form und des Stoffes und hilft sich mit dem, von ihm viel benutzten Übergang aus der Möglichkeit zur Wirklichkeit. Bei den Stoikern und  Epikuräern  verschwindet die Frage, da beide die Seelen aus körperlichen Atomen der feinsten Art bestehen lassen. Im allgemeinen genügte der dogmatischen Philosophie der Griechen der Satz, daß nur Gleiches von Gleichem erkannt werden kann.

Auch im Mittelalter galten diese Qualitäten der Dinge als objektiv. Die Allmacht des christlichen Gottes, welcher nach der allgemeinen Überzeugung jener Periode die Welt und die Menschen in ihr geschaffen hatte, half hier über alle Schwierigkeiten hinweg. Erst DESCARTES trat der Frage näher. Es ist höchst merkwürdig, daß er in seinen, 1644 erschienenen "Prinzipien der Philosophie" schon genau dieselbe Grundansicht ausgesprochen hat, welche noch heute in der Naturwissenschaft gilt; nur in der Ableitung des Subjektiven aus dem Objektiven hat er noch andere Ansichten, als die heutige Naturwissenschaft. SPINOZA berührt die Frage nur oberflächlich. Obgleich er einen Kommentar oder eine Begründung zu den Prinzipien des DESCARTES geschrieben hat, so begnügt er sich doch mit dem abstrakten Lehrsatz (Teil II, Pr. 1):
    "daß, wenn die Härte, das Gewicht und die übrigen sinnlichen Eigenschaften vom Körper abgetrennt werden, dadurch die Natur des Körpers nicht verändert wird",
ohne daß er sich näher auf die Erklärung der Farben, der Wärme usw. einläßt. Es ist dies umso auffallender als SPINOZA sich seinen Lebensunterhalt lange Zeit durch das Schleifen von Brillengläsern verdient und sich überhaupt viel mit der Optik beschäftigt hat. LOCKE trat trotz des großen Gegensatzes in dem seine Philosophie zu der des SPINOZA steht, den Ansichten von DESCARTES und SPINOZA in dieser Frage bei. Er nannte die objektiven Eigenschaften  primary qualities  und die subjektiven  secondary qualities.  Auch LEIBNIZ stimmte in seinen  Nouveaux Essays  dem bei, nur wollte er auch bei den zweiten Eigenschaften eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrem Gegenständlichen festhalten. Seine  petites perceptions  galten ihm noch als ein Bild von den Vorgängen im Gegenstand; erst die große Menge diese  petite perceptions  verwandelt sie zu einer Wahrnehmung mit subjektiven Qualitäten, wie seine Beispiele vom Brausen des Meeres und andere zeigen. LEIBNIZ hat dies jedoch nicht näher entwickelt und im Grunde hatte er es auch nach seiner Monadenlehre nicht nötig. Indem diese allen Einfluß zwischen den einzelnen Monaden aufhebt und die Vorstellungen in der Seelenmonade nur parallel mit den Bewegungen in ihren Körpermonaden gehen läßt, war eine solche Ableitung sogar unzulässig. In der Seelenmonade entwickelt sich die Reihe ihrer Vorstellungen rein aus ihr selbst und ebenso entstehen die ihnen entsprechenden Bewegungen in den Monaden ihres Körpers rein aus diesen selbst; die genaue Übereinstimmung beider ist nach LEIBNIZ nicht die Folge eines gegenseitigen Einflusses, sondern das Werk Gottes, welcher bei der Erschaffung der Welt diese Übereinstimmung ein für allemal und für alle Ewigkeit eingerichtet hat.

Auch für KANT war die subjektive Natur der Farben, Töne usw. eine ausgemachte Sache; er gab sich nicht einmal die Mühe, sie näher zu rechtfertigen; vielmehr tat er noch einen großen Schritt weiter und erklärte auch den Raum, die räumliche Größe und Gestalt der Körper für eine bloße Form unserer Sinnlichkeit; ja die Wahrnehmungen dieser Bestimmungen galten ihm sogar für subjektiver, als die Qualitäten der Farben usw.; denn letztere waren ihm zumindest ein Zeichen vom Dasein eines Dings ansich, während die räumlichen Bestimmungen von ihm zu einer bloßen Zutat der menschlichen Seele gemacht wurden, die ihre Beziehung auf das Ding-ansich erst durch die zweiten Qualitäten LOCKEs vermittelt erhielten. Bei FICHTE verschwand die Frage völlig, weil alles Seiende von ihm zu bloßen Vorstellungen des Ich erklärt wurde. Erst bei SCHELLING und HEGEL erhielten die Qualitäten der Dinge wieder Objektivität. Das Geistige, die Idee, ist bei beiden das  Seiende  in einem höchsten Sinn. Indessen wurde doch wieder ein Gegensatz zwischen dem Logischen und der Natur anerkannt. Die Natur ist nach HEGEL "die Idee in der Form des Andersseins und so das Negative ihrer selbst". Dieser Gedanke wird durch alle Besonderungen der organischen und unorganischen Natur durchgeführt, und gerade darin liegt das große Verdienst HEGELs; er blieb nicht bloß bei den obersten, orakelhaften Aussprüchen stehen, sondern entwickelte das Prinzip bis tief in das Besondere der Natur; denn mit einem Prinzip ist man leicht fertig; erst in seiner Entwicklung, welche den Besonderungen der Natur folgt, liegen die Schwierigkeiten und erst daraus kann der Wert eines Prinzips erkannt werden.

So scheute sich dann HEGEL auch nicht, auf das Wesen der durch die Sinneswahrnehmung gegebenen Qualitäten näher einzugehen; dies geschieht jedoch lediglich nach seiner dialektischen Methode. Das Besondere soll dabei aus dem Abstrakten durch dessen Umschlagen in das entgegengesetzte Abstrakte und deren spekulativen Vereinigung zu einem Konkreten mittels der eigenen Bewegung des Begriffs hervorgehen. Dadurch gerät HEGEL in vielfache Differenzen mit der Naturwissenschaft, welche bei unserer Frage besonders stark hervortreten. Wie erwähnt, gelten HEGEL alle von der Naturwissenschaft für subjektiv erklärten Qualitäten für objektiv; allein trotzdem tritt auch bei ihm eine Umwandlung des Wahrgenommenen ein. Ähnlich, wie in seiner Philosophie der Geschichte, werden logische Bestimmungen als das Wesen der Gattungen und Arten in der Natur aufgestellt; sehr viele dieser Bestimmungen sind sogar bloße Beziehungsformen, die nur dem Denken allein angehören, wie z. B. die Identität, die Negativität, das Ansich, das Fürsich usw., und wo ein inhaltlicher Begriff benutzt wird, ist er leicht als eine Bestimmung aufzuzeigen, die erst aus der Erfahrung entlehnt ist.

So wird z. B. der  Raum  für "die abstrakte Allgemeinheit des Außersichseins der Natur erklärt, für das ganz ideelle Nebeneinander". Allein dieses "Außer sich" und dieses "Nebeneinander" ist ja erst der schon vorher empfangenen Anschauung des Räumlichen entlehnt; man kann sich beides nicht vorstellen, wenn man nicht die Vorstellung vom Raum schon hat; beide sind selbst als Kategorien nicht denkbar, wenn das Sehen und Fühlen nicht zuvor das Nebeneinander durch ihr Wahrnehmen der Seele zugeführt haben. Es ist also eine solche Definition nichts weiter, als eine aus der sinnlichen Vorstellung des Raumes herausgehobene einzelne Bestimmung, die dann willkürlich zu seinem Wesen erklärt wird, obgleich noch andere nicht weniger wichtige Bestimmungen darin enthalten sind.

Ähnliches geschieht bei der  Zeit Sie ist, nach HEGEL, "die negative Einheit des Außersichsein", und er sagt wörtlich: "sie ist das Sein, das, indem es ist, nicht ist, und indem es nicht ist, ist". Mit diesen letzten Worten ist offenbar das Fließen der Zeit gemeint; der bekannte Satz, daß alle Bewegung, alles Fließen, alles Stetige niemals in einem Punkt der Zeit oder des Raums sein kann, sondern zu seinem Sein immer einer Zeit- oder Raum größe  bedarf, ist hier ohne Not in die Form des härtesten Widerspruchs gekleidet. Ebenso ist das "Negative" nur die grammatikalische Adjektivform des "Nicht" und als solche völlig inhaltslos. Man weiß dadurch noch nicht im Mindesten, was denn die Zeit in ihrer positiven Natur ist. Aus den, den Kollegienheften entnommenen Zusätzen zu HEGELs Naturphilosophie erhellt sich, daß er unter diesem Negativen eigentlich das Zerstörende der Zeit gemeint hat, indem bekanntlich alles Irdische im Laufe der Zeit untergeht. Allein dieses Zerstörende gehört nur für den unaufmerksamen Beobachter und für die Poeten der Zeit an; in Wahrheit hat die Zeit selbst nicht das Mindeste damit zu tun, sondern dieses Zerstören vollziehen die  Kräfte  der Natur; die Zeit gewährt ihnen nur den nötigen Platz dazu. Die Zeit ist für Petersburg und Kairo genau dieselbe; dennoch zerfällt dort die Granitsäule in zwanzig Jahren, während sie sich hier viele tausende von Jahren unversehrt erhält.

In ähnlicher Weise werden auch das Licht, die Farben, die Wärme, die Töne usw. behandelt. Beim Licht und den Farben wird die Ansicht GOETHEs für die allein richtige erklärt und HEGEL eröffnet in seiner Enzyklopädie einen weit über die Schranken einer solchen knappen Darstellung hinausgehenden Krieg gegen die Ansichten NEWTONs, obgleich doch schon zu HEGELs Zeit dessen Emissionstheorie längst von der Naturwissenschaft verlassen war.

Die Naturphilosophie HEGELs hat deshalb teils wegen ihres Inhalts, teils wegen ihrer dunklen, und in steten Widersprüchen sich bewegenden Darstellungsweise auf die Entwicklung der Naturwissenschaft gar keinen Einfluß ausgeübt; vielmehr ist die streng induktive Methode, gestützt auf die sorgfältigsten Beobachtungen und Versuche, der Weg gewesen, auf welchem die Naturwissenschaft in diesem Jahrhundert ihre wunderbaren Fortschritte gemacht hat; Fortschritte, welche sich nicht bloß innerhalb der Theorie bewährt haben, sondern ihre Wahrheit nicht minder dadurch bewiesen haben, daß sie die Macht des Menschen über die Kräfte der Natur ins Unermeßliche gesteigert haben; eine Macht, auf deren Benutzung unsere gesamte heutige Kultur in Staat, Kunst und Wissenschaft beruth.

Bei dieser überzeugenden Gewalt, welche den, das Objektive betreffenden Lehren der Naturwissenschaft innewohnt, ist es nicht verwunderlich, daß die Philosophie nach der Zeit HEGELs sich wieder mehr und mehr der Naturwissenschaft genähert hat und daß man an ihren Grundgedanken jetzt kaum noch zu rütteln wagt. Wenn ich es daher trotzdem unternehme, die Objektivität auch bei den angeblich bloß subjektiven Qualitäten der Dinge zu verteidigen, so verkenne ich das Bedenkliche eines solchen Unternehmens nicht, und zwar umso weniger, als ich HEGEL auf dem Weg, auf welchem er diese Objektivität verteidigt hat, aus den vorher dargelegten Gründen nicht folgen kann und mag. Ich unternehme es deshalb auch nicht, die Prinzipien, von denen die heutige Naturwissenschaft beim Aufbau ihres Systems ausgegangen ist, anzugreifen; diese Prinzipien sind von den bedeutendsten und scharfsinnigsten Geistern der letzten drei Jahrhundert aufgrund der sorgfältigsten Untersuchungen immer wieder von Neuem geprüft worden und man ist mittels derselben bis jetzt imstand gewesen, die meisten und selbst die rätselhaftesten Erscheinungen auf Gesetze zurückzuführen, welche mit jenen Prinzipien in genauer Übereinstimmung stehen. Ich erkenne deshalb die Lehre von den Atomen an; und wenn diese Atome und die anderen obersten Begriffe der Naturwissenschaft auch nicht auf einer unmittelbaren Wahrnehmung beruhen, so sind sie doch bis jetzt die einzigen geblieben, welche sich zu einer gesetzlichen Erklärung der in die Wahrnehmung fallenden Tatsachen und Zustände als ausreichend erwiesen und bei der umsichtigsten Prüfung bewährt haben. Keine andere Hypothese hat dies bis jetzt vermocht und keine andere kann deshalb einen Anspruch auf Anerkennung erheben.

Aus all dem folgt, daß mein heutiger Vortrag keinen  Angriff  gegen die Grundlagen der Naturwissenschaft enthalten wird, sondern nur eine  Ergänzung  derselben bieten soll, und sich wesentlich auf eine Umgestaltung des Begriffs des  Geistigen  beschränken wird.

Das Körperliche gilt mir, wie der Naturwissenschaft, als das  Undurchdringliche;  es können deshalb zwei Körper nicht gleichzeitig dieselbe Stelle des Raumes einnehmen. Ich erkenne ferner an, daß die sinnlich wahrnehmbaren Körper aus einer Anzahl kleinster Körper bestehen, welche den von jenen eingenommenen Raum nicht vollständig ausfüllen, sondern Zwischenräume lassen, welche verschieden groß oder klein sein können, ohne daß die Sinne diese Lücken bemerken. Es sind dies die  Atome,  welche bei den meisten Körpern zu zwei oder mehreren Molekülen vereinigt sind. Diese Moleküle können durch keine mechanische Gewalt in ihre Atome zerlegt werden, wohl aber kann dies durch chemische Einwirkung geschehen. Diese Atome sind also allein das Undurchdringliche bei den Körpern. Obgleich sie einen Raum einnehmen, sind sie doch unteilbar und sie können durch keine Kraft in ihrer Gestalt oder Größe verändert werden. Allerdings nahm schon LEIBNIZ an diesem Begriff Anstoß, weil alles Raumerfüllende teilbar sein muß, mithin auch diese Atome nicht die letzten Einheiten sein können. Dieses Bedenken war es hauptsächlich, was ihn zu seinen unkörperlichen Monaden, als den letzten und alleinigen Einheiten veranlaßte. Allein wenn auch der bloße Raum als ins Endlose teilbar vorgestellt werden kann, so ist doch selbst diese Teilbarkeit nur eine Möglichkeit, welche erst aus der leeren Natur des Raumes abgeleitet wird. Man ist deshalb nicht berechtigt, diese endlose Teilbarkeit auch auf das, den Raum erfüllende Körperliche zu übertragen. Ebenso folgt aus dem Widerstand, welchen harte Körper dem Eindringen unserer drückenden Hände entgegenstellen, nicht daß dieser Widerstand allemal aus einer Kraft des gefühlten Körpers hervorgeht, vielmehr reicht die Undurchdringlichkeit seiner Atome dazu aus; in ihr liegt von selbst der Widerstand, ohne daß die Atome einer Kraft dazu bedürfen. Beruhte dieser Widerstand der Atome auf einer Kraft, so müßte sich ja beim Nachlassen des Druckes das Atom ausdehnen, was dessen Begriff widerstreitet. Somit bildet die  Undurchdringlichkeit  das wesentliche Merkmal des Körperlichen.

Alles, was daher  durchdringlich  ist, was in sich selbst ein Anderes aufnehmen kann, ohne dadurch selbst in seinem Wesen verändert zu werden, ist kein Körperliches, vielmehr ein Unkörperliches und da wir nur den Gegensatz von Körper und Seele, oder Geist kennen, so kann dieses Unkörperliche auch das  Geistige  genannt werden, insofern man nur dabei das Unräumlich und die besondere Einheit des Geistigen, wie sie bei der menschlichen Seele bisher angenommen worden sind, nicht als wesentliche Merkmale des Geistigen überhaupt festhält. Der Begriff des Geistigen wird daher auch durch seine räumliche Ausdehnung nicht aufgehoben und selbst in der christlichen Religion wird bereits von einem solchen Geistigen in der Allgegenwart Gottes Gebrauch gemacht.

Schon mit dieser Auffassung des Geistigen ergibt sich, daß dasselbe auch in der äußeren Natur in einem viel höheren Maß bestehen kann, als gewöhnlich von denen angenommen wird, welche das Geistige nur in der Besonderung auffassen, wie es bisher in der menschlichen Seele angenommen worden ist. Als ein solches Geistiges der äußeren Natur, wenn auch in der abstraktesten Gestalt zeigt sich nun der  Raum.  Man hat bekanntlich viel über dessen Natur gestritten; insbesondere über die Möglichkeit eines leeren Raumes. Das Nächste jedoch, was beim Raum hervortritt, ist seine vollständige Durchdringlichkeit. Diese Eigenschaft allein macht ihn schon nach dem eben Ausgeführten zu einem Unkörperlichen, also Geistigen. Der Raum ist ferner durchaus  stetig;  er hat auch in sich keine Unterschiede; die eine Stelle desselben ist wie die andere beschaffen. Er nimmt ohne Widerstand jedes Körperliche in sich auf und läßt es wieder schwinden, ohne daß es ihn affiziert [beeinflußt - wp]. Daraus erhellt sich schon, daß eine stetige Erfüllung des Raumes durch etwas Körperliches ihm nicht wesentlich ist. Wenn man auch den leeren Raum, als solchen, nicht wahrnehmen kann, so ist doch bei der Beweglichkeit und leichten Ortsveränderung der Körper in ihm, das Körperliche nicht wesentlich mti dem Raum verbunden und der Begriff des leeren Raumes enthält daher keinen Widerspruch. Allerdings ist es falsch, den leeren Raum aus der Bewegung der Körper abzuleiten, wie oft geschehen ist; schon DESCARTES, welcher keinen leeren Raum annahm, hat in seinen Prinzipien gezeigt, daß auch in einem durchaus erfüllten Raum die Bewegung der Körper möglich bleibt und LEIBNIZ stimmt ihm zu; allein ebensowenig kann bewiesen werden, daß die Erfüllung des Raumes zu seinem Wesen gehört; die leichte Ortsveränderung der Körper steht dem entgegen.

Der Raum hat ferner keine wahrnehmbaren Grenzen; ja wir sind nicht einmal imstande, uns eine solche Grenze zu erdenken. Dessenungeachtet kann aus dieser Unfähigkeit unseres Denkens nicht gefolgert werden, daß der Raum unendlich in seiner Ausdehnung sein muß. - Somit haben wir an einem Raum mit seiner Undurchdringlichkeit, Stetigkeit, durchgängigen Gleichartigkeit und völligen Unbeweglichkeit ein Geistiges in der einfachsten und abstraktesten Weise. Als das Unbegrenzte durchdringt und umgibt er alle begrenzten Körper. Während das Geistige unserer Seele ihren Körper nach der gewöhnlichen Auffassung außer sich hat, hat das Geistige, als Raum, das Körperliche in sich und Ähnliches wird sich auch für die menschliche Seele ergeben. Trotz seiner Ausbreitung fehlt dem Raum auch nicht die Einheit; sie liegt in seiner Stetigkeit, in seinem ununterbrochenen Zusammenhang und in der durchaus gleichen Natur seiner einzelnen Stellen; diese Einheit genügt vollkommen für die erste und abstrakteste Art des Geistigen, als welche sich der Raum darstellt. Er kann somit als die erste  geistige Sphäre  bezeichnet werden.

Das Dasein einer  zweiten  solchen geistigen Sphäre, ergibt sich aus der  Gravitation  der Körper. Alle Atome, mit Ausnahme der Ätheratome, haben ein Streben, sich einander zu nähern. Man hat daraus eine anziehende Kraft gemacht, welche den Körpern als eine Eigenschaft anhaften soll. Auch hat man aus der Beobachtung der Bewegungen der Himmelskörper das Gesetz gefunden, wonach diese anziehende Kraft in einem umgekehrten Verhältnis der Entfernung abnimmt, und im geraden Verhältnis der Masse zunimmt. Deshalb entzieht sich die eigene Gravitation der beweglichen Körper auf der der Erde der Wahrnehmung; man bemerkt nur die Anziehung der Erde, welche jedoch dem von ihr angezogenen einzelnen Körper abermals als eine besondere Eigenschaft, als seine Schwere beigelegt wird. Doch hat man auch die eigene Anziehung großer Bergmassen durch Beobachtung festgestellt und ebenso erhellt sich die Gravitation, welche der Mond übt, aus der in der Flut sich zeigenden Erhebung des Meeres.

Trotz dieser Tatsachen ist man noch heute nicht recht einig darüber, was man aus dieser anziehenden Kraft eigentlich machen soll, ob sie eine den Körpern innewohnende Eigenschaft ist oder nicht. Hauptsächlich stößt man sich dabei an dem Umstand, daß sich diese Eigenschaft über den Körper hinaus bis in die weitesten Fernen erstreckt und auch da wirkt, wo der Körper gar nicht ist; damit wäre diese Eigenschaft von ihrer Substanz getrennt. Deshalb wagte schon NEWTON, der Entdecker der Gravitation und ihres Gesetzes, über die eigentliche Natur derselben nichts zu bestimmen und noch heute schwankt man, ob man diese Gravitation als etwas Substantielles oder nur als eine Akzidenz [Begleiterscheinung - wp] Ansehen soll.

Alle diese Bedenken dürften sich erledigen, wenn man sich entschließt, die Gravitation bei den Körpern als eine geistige Sphäre aufzufassen, wo jedes Körperatom von einer solchen umgeben und durchdrungen ist. Diese Sphären sind dann keine Eigenschaft der Körper, sondern eigene geistige Substanzen, von denen eine jede mit einer körperlichen Substanz so untrennbar verbunden ist, wie die Seele mit dem Leib. Für ihre geistige Natur sprechen dieselben Momente, wie für die geistige Natur des Raumes. Diese Gravitationssphären sind ebenso räumlich ausgedehnt wie die Raumsphäre, ebenso durchdringlich für jede körperliche oder geistige Substanz, ebenso kontinuierlich, ebenso ohne bestimmte Grenze; letzteres jedoch in einem anderen Sinne. Bei den Gravitationsshären nimmt deren Wirksamkeit, folglich auch ihr Dasein im quadratischen Verhältnis ihrer Entfernung vom körperlichen Mittelpunkt ab und erlischt also da, wo diese Wirksamkeit zu Null herabsinkt. Es liegen dabei zwei einander entgegenwirkende Unendlichkeiten vor, aus denen deshalb wieder ein Endliches hervorgeht. Ein Beispiel dazu liefern viele gemeine Brüche, wenn sie in Dezimalbrüche verwandelt werden. Wenn dies z. B. mit dem endlichen Bruch ⅓ geschieht, so hat sein Dezimalbruch eine ohne Ende fortlaufende Reihe von Gliedern, aber da diese Glieder ebenfalls ohne Ende abnehmen, so führen beide Unendlichkeiten zu einem Endlichen, was in diesem ⅓ auch wirklich vorhanden ist. Ähnliches findet bei der Ausdehnung der Gravitationssphären statt.

Es wird ferner die Wirksamkeit dieser Sphären durch die in sie eintretenden fremden Substanzen nicht im mindesten gehemmt oder geschwächt. Ein Pfundgewich bleibt gleich schwer, wenn man auch eine noch so dicke und dichte Metallplatte zwischen dasselbe und die anziehende Erde einschiebt; die Schwere der Steine auf dem höchsten Teil einer Mauer ist dieselbe, wie die am Boden derselben, obgleich eine dichte und hohe Masse anderer Steine zwischen ihnen liegt.

Wenn all das die Annahme geistiger Sphären für die Gravitation rechtfertigen dürfte, so sind doch diese Sphären  zweiter  Art zu einer Besonderen fortgeschritten, welche sie von der abstrakten Raumsphäre wesentlich unterscheidet, trotzdem daß jene von dieser mit befaßt sind. Gegenüber der  einen  Raumsphäre haben wir hier schon eine Besonderung in  viele  und jede derselben hat bereits an ihrem Körper ein Zentrum, was ihre Individualität ausmacht. Der Zustand dieser Gravitationssphären ist auch kein bloß passiver, wie bei der Raumssphäre; sondern es besteht in ihnen bereits eine Aktivität, womit sie die in sie eintretenden Körper ihrem Zentrum zutreiben. Diese Aktivität ist unerschöpflich und wird durch kein Dazwischentreten anderer Substanzen gehemmt. Es können sich ferner die Wirksamkeiten mehrerer, ja unbeschränkt vieler Sphären so weit verbinden und durchdringen, wie ihre Atome aneinander rücken können. Dadurch unterstützt eine Sphäre die andere und es wird möglich, nach dem Parallelogramm der Kräfte  einen  Schwerpunkt für einen aus vielen Atomen zusammengesetzten Körper zu finden, welcher damit das gemeinsame oder ideale Zentrum für diese vereinten Sphären abgibt. Dadurch kann die Wirksamkeit solcher vereinter Sphären sich viel weiter erstrecken, als die der einzelnen Atome, wie sich dies aus den Bewegungen der Planeten um die Sonne ergibt.

Nach dieser Auffassung ist die Gravitation keine, gleichsam vom Körper im Zentrum ausstrahlende und anziehende Kraft, sondern sie besteht in einer, seiner geistigen Sphäre angehörenden Wirksamkeit, indem jeder Punkt dieser Sphäre fremde Körper nach ihrem Zentrum treibt, während ihr Körper sich im Zentrum ganz passiv verhält. Die Schwierigkeit, daß eine Eigenschaft des Körpers da wirken soll, wo dieser Körper nicht ist, wird dadurch gehoben. Auch das NEWTONsche Gesetz stimmt dann besser mit der Wirklichkeit; denn ist die Gravitation eine dem Körper angehörende Eigenschaft, so müßte sie nach geometrischen Gesetzen nicht bloß im quadratischen, sondern in einem kubischen umgekehrten Verhältnis der Entfernung abnehmen, da sie nicht bloß an der Oberfläche ihrer Sphäre, sondern auch an allen Stellen innerhalb der Kugelsphäre wirksam ist und der Inhalt einer Kugel im kubischen Verhältnis ihres Halbmessers zunimmt. Wenn die Gravitation sich nicht bloß bei ihrer Ausdehnung nach der geraden Richtung verlängert, sondern sich auch in die Breite ausdehnen muß, um an allen Stellen ihrer Sphäre zu wirken und wenn sie überhaupt durch ihre Ausdehnung abnimmt, so müßte dies offenbar in einem kubischen Verhältnis geschehen. Nur wenn diese Wirksamkeit einer geistigen Sphäre angehört, auf welche die Gesetze der Körperwelt keine Anwendung finden, läßt sich die Abnahme im quadratischen Verhältnis verstehen. Übrigens hat die Naturwissenschaft selbst anerkannt, daß ihre abstoßenden Kräfte, welche sie den Körpern beilegt, in einem viel höheren Verhältnis, als dem quadratischen abnehmen müssen; die Physiker gehen hier bis zur sechsten Potenz und doch ist hier die Sachlage genau, wie bei der Gravitation.

Das einzige Bedenken, was man meiner Ansicht von der Wirksamkeit dieser Sphären entgegenstellen könnte, wäre, daß es unbegreiflich ist, wie etwas Geistiges eine Wirksamkeit auf ein Körperliches ausüben kann. Es besteht jedoch bereits eine solche Wirksamkeit als Tatsache zwischen der Seele und ihrem Körper, indem das Wollen der Seele die Bewegung der Glieder herbeiführt. Wenn auch die Naturwissenschaft diese Wirksamkeit darauf zurückführt, daß die Glieder durch die Verkürzung der Muskeln und diese durch die Einwirkung der sie umgebenden motorischen Nerven herbeigeführt wird, so muß doch die Erregung dieser Nerven zuletzt on einer Einwirkung des Willens, also von etwas Geistigem abgeleitet werden; und ist dies hier möglich, so kann es auch innerhalb der Gravitationssphären nicht als etwas Unmögliches behauptet werden.

Es wird nun nicht mehr unnatürlich erscheinen, wenn von diesem wichtigen Begriff geistiger Sphären noch ein weiterer Gebrauch gemacht wird und eine  dritte  solche Sphäre angenommen wird, in welcher das  Licht,  die  Farben  ihren Sitz haben und von welcher die  Wärme  bewirkt wird. Die Tatsachen, welche hier vorliegen, führen dahin, daß diese Sphäre nicht, wie die vorhergehende, in viele zerfällt, sondern gleich der Raumsphäre als  eine  auftritt, deren Ausdehnung mindestens so weit reicht, wie der Weltraum von Ätheratomen erfüllt ist. Diese dritte, oder  Lichtsphäre  durchdringt die beiden anderen Sphären, so wie sie von ihnen durchdrungen wird, und enthält die Ätheratome so in sich, wie die Naturwissenschaft dies annimmt. Diese Ätheratome unterliegen nach der Lehre der Naturwissenschaft nicht der Gravitation; sie dringen bei hrer großen Feinheit selbst in die Lücken ein, welche die Körperatome in den einzelnen Körpern frei lassen. Sie besitzen eine hohe Elastizität und können durch Bewegungen der Körperatome in Oszillationen versetzt werden, wobei die einzelnen Ätheratome nur hin- und herschwingen und ihre benachbarten Atome in gleiche Schwingungen versetzen. Während die Erregung der nächsten Atome nach allen Richtungen geradeaus erfolgt, was man mit Lichtstrahlen bezeichnet, geht die Schwingung der einzelnen Atome transversal [querstrebend - wp] zu dieser Richtung. Indem das nächste Atom nicht gleichzeitig mit dem zuerst erregten, sondern eine kurze Zeit später seine Schwingungen beginnt, bilden sich durch diese Oszillationen Wellen, deren Länge sich nach der Entfernung zweier Atome bestimmt, die in der fortgehenden Reihe gleichzeitig ihre Gleichgewichtslage verlassen.

Diese Wellen der Ätheratome gelangen somit auch zum Auge: durchdringen dasselbe und stoßen gegen die Netzhaut in dessen Innern. Diese Netzhaut wird dadurch in ihren einzelnen Nervenfäden erregt und diese Erregung pflanzt sich zum Gehirn fort und wird dort von der Seele als Farbe wahrgenommen. Die Naturwissenschaft sagt weiter, daß diese Wellen der Ätheratome verschiedene Längen haben und aus dieser verschiedenen Länge wird der Unterschied der wahrgenommenen Farben abgeleitet. Die längsten Wellen bewirken das Rot, die kürzesten das Violett und die zwischen diesen liegenden Farben des Regenbogens oder des Spektrums entstehen aus der allmählichen Abnahme der Wellenlänge von Rot zu Violett. Die weiße Farbe entsteht in der Seele, wenn Wellen aller verschiedenen Längen zugleich auf die Netzhaut des Auges wirken. Das Dunkel bezeichnet nur den Mangel solcher Oszillationen, also die Ruhe der Ätheratome, wobei die Netzhaut nicht erregt wird.

Das  Licht  ist nicht, wie GOETHE und HEGEL behaupten, das allein Substantielle, aus dem sich die Farben erst ableiten, sondern es bezeichnet der Naturwissenschaft nach nur die Intensität, also eine Eigenschaft der Farben, und entspringt aus der größeren Breite, in der die Ätheratome in ihren Wellen transversal oszillieren. Je breiter dies geschieht, desto leuchtender werden die Farben; nimmt die Breite ab, so nimmt auch die Intensität der Farben ab, und bei völliger Ruhe verschwinden alle Farben ins Dunkel. Deshalb gibt es kein Licht, das nicht auch eine bestimmte Farbe zeigt. Übrigens hören die Ätherwellen jenseits des Spektrums nicht gleich auf; vielmehr ergeben die Versuche, daß jenseits der roten Seite noch Wellen bestehen, welche von der Haut als Wärme empfunden werden und jenseits der violetten Seite noch kleinere Wellen, welche sich als chemische Motoren wirksam zeigen.

Mittels dieser Annahmen hat die Naturwissenschaft vermocht, alle Erscheinungen innerhalb dieses Gebietes mit voller Genauigkeit zu erklären. Dies gilt nicht nur für die Zurückwerfung und für die Brechung der Lichtstrahlen, bis wohin GOETHE und HEGEL ebenfalls, wenn auch mit Mühe nachfolgen konnten, sondern auch für die merkwürdigen Erscheinungen der Interferenz, der Polarisation, der doppelten Brechung des Lichts und für die Frauenhoferschen Linien im Spektrum, wobei letztere zu den staunenswerten Entdeckungen mittels der Spektralanalyse geführt haben. Alle diese Erscheinungen können aus den Annahmen HEGELs in keiner Weise abgeleitet werden. Ja, man hat selbst mittels sinnreicher Vorrichtungen die Schnelligkeit, mit der die Ätheroszillationen sich fortpflanzen und welche bereits aus astronomischen Beobachtungen bekannt war, durch Versuche auf der Erde gemessen und mit den Beobachtungen und Rechnungen der Astronomen übereinstimmend gefunden. Ebenso hat man mit Hilfe der Interferenzerscheinungen die Länge der Wellen des Äthers nach den verschiedenen Farben berechnet und auch gefunden, daß die Bewegung des Äthers in  einer  Zeitsekunde sich beim roten Licht über vier Billionen Wellen und beim violetten Licht über sieben Billionen Wellen fortsetzt.

Es ergeben sich jedoch bei dieser Lehre der Naturwissenschaft schon innerhalb ihrer selbst einige Bedenken. So ist bei einer transversalen Oszillation der Ätheratome die gerade aus sich fortgesetzte Bewegung der Wellen schwer zu begreifen. Bei den Wellen des Wassers findet zwar dasselbe statt; allein hier erklärt sich dies aus der Schwere des Wassers; wird die horizontale Oberfläche des Wassers an einem Punkt gestört und werden da die Wasseratome niedergedrückt, so müssen allerdings die nächsten rings herum steigen und geraten dadurch in eine auf und ab gehende Bewegung. Allein die Ätheratorme unterliegen nicht der Schwere und ein transversaler Anstoß kann wohl die Fortsetzung der Bewegung der Ätheratome in dieser transversalen Richtung erklären, aber nicht in der darauf senkrecht stehenden Richtung. Auch die Bewegung der Atome eines schwingenden Seiles geschieht zwar perpendikulär zur Schwingungswelle des Seiles; aber hier erklärt sich dies durch die molekulare Anziehung der Atome des Seiles.

Sodann muß nach dieser Lehre ein und dasselbe Ätheratom gleichzeitig in den verschiedensten Richtungen oszillieren; denn wenn z. B. tausend Menschen in einem Kreis sitzen und je zwei in der Diagonale sich gegenüber Sitzende einander sehen, so gehen die, dieses Sehen vermittelnden Wellenbewegungen durch  ein- und dasselbe  Ätheratom im Mittelpunkt des Kreises und der fünfhundert da sich schneidenden Diagonalen; es muß also dieses Ätheratom gleichzeitig in ebensoviel transversalen Richtungen oszillieren, wenn die Ätherwellen nicht eine Unterbrechung erleiden sollen. Nun sind diese gleichzeitigen Schwingungen ein und desselben Atoms in verschiedenen Richtungen doch eine Unmöglichkeit. Auch wird diese Unmöglichkeit noch größer, wenn es sich dann um weißes oder anderes gemischtes Licht handelt; denn dann muß sich das Ätheratom in der Mitte gleichzeitig in verschiedenlangen Wellen schwingen und sich gleichzeitig in der Gleichgewichtslage und auch in den verschiedensten Entfernungen von dieser befinden ähnlich einem Seil, was  gleichzeitig,  sowohl in  einem  Bogen, wie auch in  zwei  Bogen oder Bäuchen mit  einem  Knotenpunkt in der Mitte sich schwingen sollte. Dieselben Schwierigkeiten zeigen sich bei den im Kreuzungspunkt des Auges einander durchkreuzenden Lichtwellen.

Sehr tüchtige Lehrer der Physik, denen ich diese Bedenken mitteilte, haben sie mir nicht beseitigen können. Ich will diese Bedenken hier jedoch nicht weiter urgieren [darauf dringen - wp], da hier doch ein Irrtum auf meiner Seite obwalten könnte; aber jedenfalls bleiben andere Bedenken gegen diese Lehre der Naturwissenschaft stehen, wenn man fragt, wie die Stöße der Ätheratome gegen die Nervenfäden der Netzhaut im Auge, die Farben in der Wahrnehmung der Seele herbeiführen? Man sagt, die da erfolgende  Erregung  der Nerven setze sich in diesen zum Gehirn und dessen Sehhügeln fort, und diese Erregung im Gehirn veranlasse in der Seele die Farben. Nun ist aber die Erregung nur ein Wort ohne bestimmten Inhalt; man spricht auch von Innervation [Nervenimpulse - wp], von Reizen der Sehnerven; allein der eigentliche Vorgang in den Nerven bleibt dabei ebenfalls völlig unbestimmt. Ebensowenig ist die weitere Fortsetzung dieses Reizes zum Gehirn erklärt; elektrische Ströme, die man beobachtet hat, lassen die Natur dieses Reizes ebenfalls ganz ungeklärt und schließlich bricht alle Erklärung beim Gehirn ab; der Übergang dieser Erregung in die Seele und des in dieser auftretenden Zustandes der Farbe, liegen, wie DUBOIS-REYMOND offen eingestanden hat, jenseits der Grenzen des Naturerkennens.

Diese Schwierigkeiten verschwinden, wenn man, wie gesagt, eine  dritte  geistige Sphäre, die Lichtsphäre, annimmt, welche sich durch den Weltraum kontinuierlich nach allen Richtungen ausdehnt, und welche von den beiden früheren Sphären ebenso durchdrungen wird, wie sie jene durchdringt; in welcher sich ferner die Ätheratome befinden und  in ihr,  bei deren, durch Körperatome bewirkten Oszillation, innerhalb dieser Oszillationen und Wellen, die Farben hervorbringen, welche daher schon außerhalb der Seele in dieser Sphäre bestehen und nur bis zu den Sehnerven des Auges fortgeführt werden. Hier treffen diese Farben, als geistige Zustände der geistigen Lichtsphäre mit der bis in diese Nervenenden sich erstreckenden Sphäre der Seele zusammen und gehen als ein Geistiges in die Sphäre der Seele über; ein Vorgang, der später noch näher erläutert wird.

Danach sind die Farben schon außerhalb der Seele ein in der Lichtssphäre wirklich Bestehendes; sie sind aber, wie diese Sphäre, nur ein Geistiges und deshalb durchdringlich. Daher stören die Kreuzungen derselben innerhalb der Lichtsphäre sie nicht; jede Farbe folgt ihren eigenen Wellen und nur, wo diese Wellen sich so kreuzen, daß die entgegengesetzten Schwingungen derselben sich einander aufheben, erlischt für diesen Punkt der Welle die Farbe, sie entsteht aber sofort wieder im Fortgang der Welle nach dieser Kreuzung, ähnlich wie bei den, sich kreuzenden Wellenbergen und Wellentälern des Wassers, welche sich nur im Kreuzungspunkt aufheben, aber wo jede dahinter sich wieder in ihrer regelmäßigen Bewegung fortsetzt. Mischungen der Farben entstehen deshalb in dieser Lichtsphäre nur dann, wenn in derselben Richtung die Ätheratome in verschiedenlangen Wellen gleichzeitig oszillieren.

Allerdings kann man dieser Annahme entgegenstellen, daß sie eine Entstehung der Farben aus den Oszillationen der Ätheratome setzt, ohne sie weiter zu erklären. Es liegt dies jedoch in der Natur jedes obersten Gesetzes und jedenfalls stehen sich hier die Farben und Oszillationen weit näher, da sie beide innerhalb der geistigen Lichtsphäre vor sich gehen, die Farbe unmittelbar mit der Bewegung und innerhalb dieser entsteht, und die außerordentliche Feinheit der Ätheratome und die beinahe unfassbare Schnelligkeit ihrer Oszillationen sie der Natur des Geistigen viel näher rückt, als nach der bisherigen Annahme.

Eine weitere Wirkung der Ätheroszillationen ist die  Wärme.  Nach der Naturwissenschaft ist auch die Wärme als solche nur ein Zustand innerhalb der Seele. Die Ätheratome sollen, besonders wenn sie in längeren Wellen oszillieren, die Moleküle oder Atome der von ihnen betroffenen irdischen Körper in eine Bewegung versetzen und diese soll deshalb auch in den Molekülen der menschlichen Haut, wenn sie von diesen Ätherwellen betroffen wird, stattfinden. Dann soll diese Bewegung die in der Haut zerstreuten Enden der sensiblen Nerven erregen; diese Erregung soll sich bis zum Gehirn fortsetzen und von da aus das Gefühl der Wärme in der Seele hervorrufen.

Auch chemische Verbindungen und galvanische Ströme sollen diese Bewegungen der Ätheratome in den von ihnen betroffenen Körpern veranlassen und auf die gleiche Weise soll sich dann diese Bewegung fortpflanzen und in der Seele das Gefühl der Wärme hervorrufen. Die Fortpflanzung der Wärme innerhalb des Körpers, oder von einem auf den andern ihn berührenden Körper soll dadurch geschehen, daß die Bewegung seiner Atome sich auf die noch nicht bewegten Atome in ihm, oder im anderen Körper auf mechanische Weise fortpflanzt. Die Strahlung der Wärme wird dadurch erklärt, daß die bewegten Atome des Körpers die in und um ihn befindlichen Ätheratome in Oszillationen versetzen und diese Oszillationen sich bis zu entfernteren Körpern fortsetzen, wo sie dann auch in diesen deren Atome in die wärmeerzeugende Bewegung versetzen. Aus dieser Bewegung der Atome wird dann auch die größere Ausdehnung dieser erwärmten Körper abgeleitet, und ebenso die latente Wärme, welche als Bewegung beim Wechsel der Aggregatzustände eines Körpers zur größeren Entfernung seiner Atome voneinander verwendet wird und so auf die Erwärmung anderer so lange nicht einwirken kann, wie der Körper nicht bei zu großer Abnahme dieser Bewegung plötzlich in einen dichteren Aggregatzustand zurückkehrt und so die nun überschüssige Bewegung wieder auf andere Körper einwirken kann.

Ich nehme auch diese Lehre, so weit sie sich im Körperlichen hält, als richtig an, wenn auch die Wissenschaft hier noch manche Lücken läßt; dagegen stehen dieser Lehre bei der Erregung der sensiblen Nerven, deren Fortpflanzung zum Gehirn und deren Bewirkung des Wärmegefühls in der Seele die gleichen Bedenken, wie bei den Farben entgegen. Nur weil man innerhalb der äußeren Natur mit der Wärme als solcher, nicht weiß, für was man sie ansehen soll, ob als etwas Körperliches oder Geistiges, ob als ein Substantielles oder eine bloße Eigenschaft, so schafft man sie aus der äußeren Natur ganz fort und verlegt sie als ein bloßes Gefühl der Seele in diese. Allein dies ist keine Lösung der Frage, sondern nur eine Verschiebung derselben. Auch in der Seele ist die Wahrnehmung der Wärme ein  seiender  Zustand, der von der Wissenschaft dort ebenso seine Erklärung verlangt, wie wenn man den Zustand als einen objektiven der Körper nimmt. Wenigstens die Physiologie erscheint verpflichtet, diesen Zustand in der Seele näher zu begründen.

Diese Bedenken dürften sich auch hier durch die Annahme einer besonderen Wärmesphäre erledigen. Sie ist, wie die bisherigen, für alle Körper und für alle anderen Sphären durchdringlich, deshalb geistiger Natur, wie diese und es bestehen deren so viele wie es Himmelskörper gibt; sie reichen aber bei jedem nicht weiter, als die Ausbreitung seiner Körperatome. Jede dieser Sphären ist in sich stetig zusammenhängend und mit ihrem Himmelskörper untrennbar verbunden, so daß sie denselben in seinen Bewegungen durch den Weltraum begleitet. Nur in diejenigen Teile der Lichtsphäre reicht sie nicht, welche bloß mit Ätheratomen gefüllt sind; deshalb fehlt in diesen Teilen die Wärme, oder, wie die Physiker sagen, es herrscht da eine absolute Kälte, die man sonderbarerweise auch nach Graden berechnet hat.

Indem die Bewegung der Körperatome in ihrer Wärmesphäre geschieht, wird diese da, wo diese Bewegung stattfindet, in Wärme versetzt; die Wärme ist deshalb etwas Geistiges und schon in der äußeren Natur Vorhandenes. Indem durch die früher beschriebenen Vorgänge auch die Atome der Haut in diese Bewegung versetzt werden und die Wärmesphäre auch die Haut durchdringt, wird ihre Wärme unmittelbar der bis in die Enden der sensiblen Nerven sich ausbreitenden Sphäre der Seele durch Berührung mitgeteilt und nun als Wärme ihrer Haut wahrgenommen. Da die Bewegung der Hautatome eine unregelmäßige ist, so fehlen hier die Strahlen, wie bei der Lichtsphäre und deshalb wird die Wärme durch die Wahrnehmung nur als Wärme der eigenen Haut oder der betreffenden Teile des eigenen Körpers empfunden und erst durch Verstandesschlüsse auf die sie berührenden oder strahlenden Körper übertragen. Man nimmt deshalb die in der Sonne selbst vorhandene Wärme nicht wahr, sondern schließt nur auf sie aus der von ihr bewirkten Wärme seiner eigenen Glieder. Damit sind die Lücken, welche die Naturwissenschaft in der Wärmelehre läßt, in ähnlicher Weise, wie bei den Farben, ausgefüllt. Es bleibt auch hier nur das Bedenken, wie diese Bewegung der Körperatome in ihrer Wärmesphäre die objektive Wärme derselben herbeiführen kann. Diese Schwierigkeit trifft jedoch, wie schon früher gesagt wurde, jedes höchste Naturgesetz, welches seine unterschiedenen Glieder in kausaler Weise verknüpft und sie ist bei der beschränkten Natur des menschlichen Erkennens nicht zu beseitigen. Diese Schwierigkeit ist jedoch durch meine Annahme, wie bei der Lichtssphäre, doch so weit gemindert, wie es überhaupt bei kausalen Vorgängen möglich ist.

Was nun die  Töne  und den  Schall  anbelangt, so leitet die Naturwissenschaft sie ebenfalls aus den Bewegungen der Körperatome ab; nur geschehen hier diese Bewegungen regelmäßig, oszillierend und bewirken dadurch Wellen, gleich denen der Lichtwellen, welche sich wie diese fortpflanzen und wenn sie das menschliche Ohr erreichen, die im Labyrinth-Wasser liegenden Gehörnerven erregen.

Diese Erregung pflanzt sich ins Gehirn fort und veranlaßt dort in der Seele die Wahrnehmung des Schalls, und bei andauernden gleichen Oszillationen die des Tones. Für die auf der Oberfläche der Erde in deren Luftkreis lebenden Menschen ist die Luft der Körper, welcher vorzüglich die Töne und den Schall fortpflanzt. Die Oszillationen geschehen aber hier nicht transversal, sondern in derselben Richtung, in der sich die Wellen fortpflanzen. Die Schwingungen der einzelnen Luftatome können je nach deren Erregung verschieden weit ausschlagen; ebenso können die Wellen kürzer oder länger sein; doch bliebt die Fortpflanzung der Oszillationen der Atome immer die gleich schnelle, mögen die Schwingungen weit oder nicht und die Wellen lang oder kurz sein; deshalb können in derselben Zeit, z. B. in einer Sekunde, das Ohr mehr oder weniger Wellen treffen. Danach bestimmt sich die verschiedene Höhe der in der Seele wahrgenommenen Töne; die Zahl der Wellen in  einer  Sekunde schwankt von 16 bis über 4000; jene geben den tiefsten, noch als Ton vernehmbaren Klang, und diese die höchsten Töne. Die Intensität der Töne und des Schalls beruth auf der Ausschlagweite der einzelnen oszillierenden Atome. Durch HELMHOLTZ ist die objektive Seite in der Tonlehre bekanntlich in höchst sinnreicher Weise aufgrund der feinsten Beobachtungen und sinnreichsten Versuche bis ins Detail ausgebildet worden, insbesondere ist die Ableitung der Klangfarben, der Harmonien und Disharmonien, des Mitklingens von Obertönen usw. aus dieser mechanischen Bewegung der Atome von HELMHOLTZ geschehen und zur allgemeinen Anerkennung gelangt.

Ich bin daher weit entfernt, diese mechanischen Vorgänge zu bestreiten; auch hat man hier eine Art Klaviatur der Gehörsnerven innerhalb des Ohres ermittelt, wo jeder einzelne dieser nebeneinander liegenden Nerven nur einen Ton von bestimmter Höhe vermittelt. Aber auch bei dieser Lehre bleibt das, was unter einer Erregung der Nervenenden, unter der Überleitung derselben zum Gehirn und unter der Entstehung des Tones in der Seele eigentlich zu verstehen ist, unaufgeklärt. Es wird deshalb gerechtfertigt sein, wenn auch hier eine geistige Tonsphäre angenommen wird, welche, wie die Wärmesphäre, bei jedem einzelnen Weltkörper besteht und so weit reicht, wie sich seine Atome erstrecken und mit demselben untrennbar verbunden ist. Diese Tonsphäre ist für Körper und andere Sphäre vollkommen undurchdringlich und  in ihr  erecken die beschriebenen Oszillationen der Körperatome jene Töne und Schalle nebst deren mannigfachen Mischungen und Modifikationen mittels der Oszillationen, wie sie die Naturwissenschaft annimmt. Die Töne und der Schall sind deshalb in all ihrer Mannigfaltigkeit schon in der äußeren Natur da vorhanden, wo diese Oszillationen stattfinden. Gelangen sie ins Ohr, so treffen sie die bis in die Nervenenden desselben reichende Sphäre der Seele und erwecken in ihr durch diese unmittelbare Berührung die Wahrnehmung dieser in der äußeren Tonsphäre schon vorhandenen Töne und Schalle. Auch die Nervenklaviatur von HELMHOLTZ verträgt sich damit, insofern die Atome der einzelnen Nerven bei denselben in der Art gestellt sind, daß sie nur Wellen von bestimmter Länge aufnehmen und so in die sie durchdringende Sphäre der Seele überleiten. Die gegen meine Auffassung möglichen Bedenken lassen sich ebenso, wie bei Licht und Wärme beseitigen und ich enthalte mich deshalb hierbei der weiteren Ausführung.

Was die  abstoßenden  Kräfte der Körper- und Ätheratome anbelangt, so sind sie, analog der Gravitatitionssphäre, ebenfalls durch eine, die Atome durchdringende und umgebende Sphäre zu erklären, deren Wirksamkeit nur die entgegengesetzte, wie die jener ist. Die  chemischen  Vorgänge werden von der Naturwissenschaft ebenfalls auf Bewegungen der Körperatome zurückgeführt, welche aus Anziehungen und Abstoßungen derselben in den kleinsten Entfernungen hervorgehen, aber da mit einer ungeheuren Kraft wirken. Diese Anziehungen und Abstoßungen äußern sich bei den einzelnen Elementen immer nur gegen bestimmte andere Elemente und es entstehen daraus Moleküle mit ganz neuen Eigenschaften. Aus der Verbindung dieser Moleküle gehen dann diejenigen Körper hervor, welche die Chemie als Säuren, Basen, Salze usw. bezeichnet. Auch hier treten dieselben Bedenken gegen diese Lehre auf, wie sie bei der Gravitation dargelegt worden sind, und sie lassen sich in gleicher Weise wie dort beseitigen, wenn man diesen abstoßenden und anziehenden Kräften substantielle geistige Sphären substituiert, welche hier nur eine geringe Ausdehnung haben und je nach der Besonderheit der in sie eintretenden fremden Elemente bald abstoßend von ihrem Atom im Zentrum, bald zutreibend wirken. Es zeigt dies eine fortwährende Besonderung dieser Sphären zu einem konkreteren Inhalt und eine Annäherung zur höchsten uns bekannten Stufe, wie sie in der Seelensphäre auftreten wird.

Auch der  Magnetismus  läßt sich durch diese Sphären begreiflicher machen. Der Gegensatz der magnetischen Pole, die dabei doch untrennbar sind, wird von der Naturwissenschaft so erklärt, daß die größeren Magnete aus sehr vielen kleinen, atomartigen Magneten bestehen. Solange das betreffende Metall noch nicht magnetisch ist, liegen diese kleinen Magnete darin ohne Ordnung durcheinander und heben sich damit gegenseitig in ihrer Wirksamkeit auf. Das Magnetisieren eines solchen Metalls, sei es durch Streichen mit einem schon fertigen Magneten, oder durch die Einwirkung des galvanischen, es umkreisenden Stromes, setzt diese kleinen Magneten in Bewegung und gestattet ihnen sich so zu ordnen, daß die gleichen Pole sich sämtlich in dieselbe Richtung stellen. Dadurch summiert sich deren Wirksamkeit zu der größeren des nun magnetischen Metallstücks. Deshalb zeigen die getrennten Stücke eines solchen Magneten wieder dieselben magnetischen Pole, wie der große.

Man kann dieser Erklärung der Naturwissenschaft beitreten; es bleibt dabei nur auffallend, wie die Atome eines durchaus gleichartigen Metalls, z. B. des Eisens, zwei so entgegengesetzte Eigenschaften an entgegengesetzten Stellen haben können, wonach das eine Ende eines Atoms das gleiche Ende eines anderen abstößt und das entgegengesetzte Ende anzieht. Viel begreiflicher wird es, wenn man annimmt, daß das Eisen und andere magnetisierbare Metalle zweierlei Arten von Atomen oder Atome von allotropischer [sich verändernder - wp] Natur in sich enthalten, von denen eins mit einem der anderen Art sich zu einem Molekül verbunden hat, und von denen jedes mit einer Sphäre umgeben ist, welche das entgegengesetzte Atom eines andern Moleküls zu dem seinigen hintreibt und das ihm gleiche hinwegtreibt. Damit beseitigen sich auch hier die Bedenken, welche gegen alle abstoßenden und anziehenden Kräfte überhaupt, als Eigenschaften der Körper, geltend gemacht worden sind und es erklären sich die magnetischen Pole auf die einfachste Weise.

Die  elektrischen  und  galvanischen  Erscheinungen sind von der Naturwissenschaft bis jetzt noch nicht auf ihre letzten Elemente zurückgeführt worden; es ist deshalb auch nicht nötig, hier näher auf sie einzugehen; doch wird man nach dem bisherigen leicht einsehen, daß auch hier die Annahme von geistigen Sphären, welche die Atome der dabei in Wirksamkeit tretenden Körper und Flüssigkeiten nach Art der magnetischen Sphären durchdringen und umgeben, die Erklärung sehr erleichtert. Die entgegengesetzten Ströme in der galvanischen geschlossenen Kette sind dann nur die vereinigte Wirksamkeit der in der Kette enthaltenen, magnetisch geordneten geistigen Sphären. Daraus erklärt sich, daß beide sogenannten Ströme, da sie nur geistiger Natur sind, einander durchdringen können, ohne sich zu hemmen und daß sie sich mit einer dem Licht nahezu gleichkommenden Geschwindigkeit fortpflanzen.

Es bleiben dann nur noch die Wahrnehmungen des  Geschmacks  und  Geruchs  der Dinge zu erklären. Sie werden von der Naturwissenschaft als chemische Vorgänge genommen, welche beim Schmecken zwischen den Speisen oder Getränken und dem Mundspeichel an den Geschmacksorganen, und beim Riechen zwischen den Gasen der riechenden Substanzen und der von den Geruchsorganen abgesonderten Flüssigkeit stattfinden. Auch hier sollen diese Annahmen nicht bestritten werden; aber es treten hier dieselben Bedenken auf, über die Art der Erregung der Nervenenden, deren Leitung ins Gehirn und die Erweckung der Wahrnehmung des Geschmacks und Geruchs in der Seele. Sie lassen sich ebenso, wie bisher beseitigen, wenn man annimmt, daß die chemischen Sphären, welche die Elemente des Gegenstandes und die des Speichels und der Nasenfeuchtigkeit umgeben, sich durch ihre Durchdringung zu  einer  Sphäre dabei verbinden, in welcher sich dadurch der Geschmack und Geruch als ein wirklicher und geistiger Zustand dieser Sphären entwickelt und mit der bis in diese Nervenenden reichenden Sphäre der Seele in Berührung kommt.

Somit wären die Vorgänge in der unorganischen Natur durch die Einführung von geistigen Sphären mannigfacher Art so weit erklärt, wie das menschliche Erkenntnisvermögen dies überhaupt, wie erwähnt, gestattet und die Lücken wären ausgefüllt, welche die Naturwissenschaft hier, namentlich für den Übergang des Körperlichen in das Geistige, gelassen hat. Indem die von der Naturwissenschaft aus der äußeren Natur in die Seele geschobenen Eigenschaften dadurch aus subjektiven Vorstellungen und Empfindungen wieder zu gegenständlichen, schon in der äußeren Natur wirklich bestehenden, aber geistigen Zuständen gewisser geistiger, die Körper durchdringender und umgebender Sphären erhoben werden, erhält der unwiderstehliche Drang der Seele, diese in ihren Wahrnehmungen enthaltenen Eigenschaften auch als wirkliche, außerhalb der Seele bestehende zu nehmen, wieder seine Rechtfertigung. Die Sinne und das Wahrnehmen der Seele, auf denen all unser Wissen von der Natur zunächst beruth, sind dann keine Betrüger, zu denen man sie nur deshalb hat machen müssen, weil man das, was sie von der Außenwelt aussagten, über die Bewegung der Atome hinaus nicht zu erklären vermochte. Seit DESCARTES schleppt sich diese Meinung fort und der ganze Reichtum der Natur muß sich gefallen lassen, in Armut verwandelt und auf Bewegungen der Atome zurückgeführt zu werden. Vielleicht zeigt sich der Begriff geistiger Sphären als ein Mittel, dieses dürre Gespenst, in das man die Natur verwandelt hat, wieder mit all dem Reichtum zu umkleiden, von dem die Sinne uns berichten.

Dieser hier für die unorganische Natur entwickelte Begriff geistiger Sphären dürfte jedoch auch noch weiter reichen und sich selbst innerhalb der organischen Natur bewähren. Man hat in neuerer Zeit von Seiten der Naturwissenschaft die äußersten Anstrengungen gemacht, um die Organismen, welche die Natur in den Pflanzen und Tieren bietet, aus dem Unorganischen mit Hilfe bloßer mechanischer, physikalischer, chemischer und elektrischer Kräfte abzuleiten. Bei einzelnen Vorgängen ist dies zwar gelungen; so bei der Ableitung der Wärme aus der Verbrennung des Kohlenstoffes im venösen Blut der Lungen; bei der Assimilation der Nahrung innerhalb der Verdauungs- und Ausscheidungsprozesse und es kann nicht bestritten werden, daß diese Kräfte unzweifelhaft bei der Bildung und Erhaltung der Organismen mitwirken; allein das Meiste bleibt hier noch unerklärt und selbst wenn man mit DARWIN eine Anzahl von Organismen als ursprünglich vorhanden setzt und die große Mannigfaltigkeit der Gattungen und Arten im Pflanzen und Tierreich nur aus diesen wenigen Arten ableiten will, so erscheinen auch da die von DARWIN benutzten Mittel des Kampfes ums Dasein, der natürlichen Zuchtwahl und der Vererbung dazu nicht ausreichend, wie am schärfsten bereits durch WIGAND und von HARTMANN in seiner Schrift "Wahrheit und Irrtum im Darwinismus" dargelegt worden ist. Zudem bleibt die Vererbung dabei in völlig dunkler Begriff, der weit über die physikalischen Kräfte hinausgeht. Die Schwierigkeiten bei der Ableitung des Organischen aus dem Unorganischen, und selbst bei dessen Entwicklung aus der Keimzelle liegen vorzüglich in der kunstvollen  Gestaltung  des Organischen, wofür die bloß geradeaus wirkenden Kräfte des Unorganischen in keiner Weise ausreichen.

Man wird sich deshalb wahrscheinlich immer genötigt sehen, noch Kräfte anderer Art zu Hilfe zu nehmen und diese Kräfte können hier wohl nicht anderer, als nur geistiger Natur sein. Vielleicht erregen sie in der Weise geistiger Sphären, wie die bisher besprochenen, auch weniger Anstoß bei den Physikern. Ähnliche Gedanken finden sich bei den bedeutendsten Männern aller Zeiten. Schon die Ideen PLATOs, welche er als die ewigen Urtypen aller Gattungen und Arten des Organischen in eine jenseitige Sphäre versetzt und von denen die irdischen Individuen durch ihr Teilhaben (metexein) ihre Gestaltung erhalten, gehören hierher. Ebenso erklärt ARISTOTELES das Organische in dessen mannigfachen Gattungen aus den dafür seit Ewigkeit bestehenden Formen (eide), welche rein geistiger Natur sind und ihm als das allein wahrhaft Wirkliche gelten. Diese Formen erhalten bei ihm durch den Hinzutritt des Stoffes (hyle) ihre Vereinzelung zu Individuen, wie die Natur sie uns bietet.

Ebenso suchten die  Scholastiker  im Mittelalter, als sie sich allmählich vom Druck der Kirche befreiten, die Erklärung für diese Organismen in sogenannten "plastischen Naturen", oder in einem "allgemeinen Archäus" [Geist des Körpers - wp]. DESCARTES hilft sich mit seinen Lebensgeistern, einem Mittelding zwischen Körperlichem und Geistigem. Auch die Monaden von LEIBNIZ sind geistiger Natur. Später fand der Begriff der  Lebenskraft  eine allgemeine Annahme; ihr wurden Leistungen aufgebürdet, welche man aus rein physikalischen Kräften nicht zu erklären vermochte. Die neuere Philosophie hilft sich mit einer Weltvernunft, welche die Welt durchdringt, und die Bildung dieser Organismen in zweckmäßiger Weise leitet. Bei HEGEL (Enzyklopädie § 337) ist das Organische
    "eine Erhebung des Körpers in die erste  Idealität der Natur, so daß sie aber eine erfüllt und wesentlich auf sich beziehende negative Einheit, eine selbstische und subjektive geworden ist".
Bei von HARTMANN verrichtet sein Unbewußtes dasselbe, wie die vorher genannte Lebenskraft. Dieses Unbewußte hilft ohne Unterlaß bei allen Individuen da aus, wo die von demselben zu seiner Erleichterung geschaffenen physikalischen Kräfte nicht ausreichen; dasselbe irrt nie, ermüdet nie, und ist, trotz seiner Unbewußtheit, allwissend und allgegenwärtig.

Alle diese physikalischen und philosophischen Theorien leiden freilich alle an dem  einen  Hauptmangel, daß sie die Rätsel und Verwicklungen, welche die organische Welt bietet, nicht lösen, sondern nur unter einem anderen Namen wiederholen und nur in einen Begriff zusammenfassen, in welchem aber diese Rätsel und Verwicklungen genau in derselben Weise fortbestehen. Das, was der menschliche Geist verlangt, eine Auflösung dieser verwickelten organischen Bildungen und Gestaltungen in die Wirksamkeit einzelner einfacher, nach festen Gesetzen wirkender Kräfte, ist damit nicht erreicht; nur bei einzelnen Vorgängen, wie bei der tierischen Wärme und Ernährung hat LIEBIG dies annähernd vermocht, allein lange nicht für den ganzen Inhalt des Organischen; vielmehr ist es höchst wahrscheinlich, daß man mit den bloß physikalischen Kräften dies nie zu erreichen imstande sein wird.

Dagegen wird die Entstehung und Natur des Organischen viel verständlicher, wenn man auch hier den Begriff  geistiger Sphären  einführt, welche z. B. die Keime der Pflanzen durchdringen und umgeben, und die innerhalb ihrer Sphäre vorhandenen oder eintretenden körperlichen Substanzen, welche der Ernährung dieses Keims entsprechen, so leiten, daß mit Hilfe der gleichfalls in ihr bestehenden allgemeinen Sphären der Gravitation und der chemischen Anziehung aus diesen Keimen sich die Pflanzen allmählich bilden und zur völligen Reife heranwachsen können. Von dieser organischen Sphäre würde hauptsächlich die Gestaltung der Pflanze und ihrer Organe ausgehen, während die innere Umbildung der Säfte und Stoffe von den chemischen Sphären vollführt werden würde. Mit der Reife und Ausbildung des Samens würde sich auch diese Sphäre, gleich der ersten Keimzelle, in mehrere spalten und sich mit diesen Samenkernen verbinden, um, wenn sie in den Boden gelangen, eine gleiche Pflanze zu bilden, während die Sphäre in der alten Pflanze infolge dieser Spaltung nur in schwächerem Maße fortwirken und allmählich vergehen würde. Dann fällt die nun tote Pflanze den sie noch umgebenden Sphären der unorganischen Natur anheim und würde wieder in ihre unorganischen Atome aufgelöst werden. Ähnliches könnte auch bei den tierischen Organismen angenommen werden.

Es würde so jede besondere Gattung und Art des Organischen auch seine besondere Gattung und Art geistiger Sphäre um sich haben und es erscheint dann auch leichter faßlich, wie das erste Organische in seiner einfachsten Gestalt, als Protoplasma, aus dem Unorganischen hat entstehen können. Schon letzteres ist von vielen geistigen Sphären durchdrungen und umgeben, welche eine fortschreitende Besonderung und Entwicklung zeigen. Die innige Durchdringung dieser verschiedenen Sphären steht der rohesten organischen Sphäre des Protoplasmas sehr nahe und die Entwicklung einer solchen aus jenen wird dadurch viel begreiflicher, als bei den jetzt geltenden Annahmen der Naturwissenschaft. Ebenso stehen diese Sphären bei ihrer geistigen Natur dem Lebendigen viel näher, und es ist daher begreiflich, daß, ähnlich wie die geistige Sphäre der Seele sich bei einzelnen Individuen höher entwickelt, diese Entwicklung auch in den niederen organischen Sphären bei einzelnen Individuen stattfinden und so zu höheren Organismen führen kann. Bei dieser Auffassung werden auch die Prinzipien DARWINs verständlicher und können unzweifelhaft zur Entwicklung höherer Organismen mit beitragen.
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LITERATUR | Julius von Kirchmann, Über die Gegenständlichkeit der in den Sinneswahrnehmungen enthaltenen Eigenschaften der Dinge, [Vortrag gehalten am 26. April 1879 in der "Philosophischen Gesellschaft" zu Berlin] Verhandlungen der Philosophischen Gesellschaft zu Berlin, 16. Heft, Leipzig 1880.