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EDUARD von HARTMANN
Philosophie des Unbewußten
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"Wenn ein geköpfter Frosch, der lange nach der Operation ruhig liegen geblieben ist, plötzlich anfängt Schwimmbewegungen zu machen, oder fortzuhüpfen, so könnte man doch geneigt sein, dies als bloße physiologische Reflexwirkungen auf Reizungen der Luft an den durchschnittenen Nervenenden anzusehen, wenn aber der Frosch in verschiedenen Versuchen verschiedene Hindernisse auf verschiedene Weise, aber gleich zweckmäßig überwindet, wenn er eine bestimmte Richtung einschlägt und, aus dieser Richtung herausgebracht, mit seltenem Eigensinn dieselbe stets wieder zu gewinnen sucht, wenn er sich unter Spinde und in andere Winkel verkriecht, offenbar um vor den Verfolgern Schutz zu suchen, so liegen hier unverkennbar nichtreflektorische Willensakte vor. Zum Zustandekommen des Willens ist also  durchaus kein Gehirn  erforderlich."

II.
Wie kommen wir zur Annahme
von Zwecken in der Natur?

Eine der wichtigsten und bekanntesten Äußerungsformen des Unbewußten ist der Instinkt, und dieser ruht auf dem Zweckbegriff; deshalb ist eine Untersuchung des letzteren für unsere Aufgabe nicht zu vermeiden, und da dieselbe sich in den Abschnitt  A  nicht wohl einfügt, so habe ich sie hier in die Einleitung verwiesen. Zwar wird die hier folgende Behandlung des Gegenstandes leicht den Vorwurf der Trockenheit erfahren, und wer es scheut, sich durch Wahrhscheinlichkeitsuntersuchungen durchzuwinden, der möge, wenn er ohnedies schon von der Berechtigung einer Annahme von Zwecken in der Natur überzeugt ist, dieses Kapitel immerhin ungelesen lassen. Doch muß ich hinzufügen, daß die Art, in welcher die so wichtige Frage hier zur hypothetischen Entscheidung wenigstens nach ihrer  formalen  Seite gebracht wird, meines Wissen sowohl neu, als auch die einzig mögliche ist.

Bei vielen großen Denkern hat der Zweckbegriff eine höchst wichtige Rolle gespielt, und die Grundlage eines großen Teils des Systems ausgemacht, z. B. bei ARISTOTELES oder LEIBNIZ. KANT mußte ihm natürlich die Realität außerhalb des bewußten Denkens absprechen, da er sie für die Zeit nicht zugestand (vgl. TRENDELENBURG, Logische Untersuchungen, Kap. VIII, 5); der moderne Materialismus leugnet dieselbe ebenfalls, weil er den Geist außerhalb des tierischen Hirns leugnet; bei der modernen Naturwissenschaft ist der Zweckbegriff durch BACO mit Recht in Mißkredit gekommen, weil er so oft als bequemes Mittel der faulen Vernunft gedient hat, sich das Suchen nach den wirkenden Ursachen zu ersparen, und weil in dem bloß mit der Materie beschäftigten Teil der Naturwissenschaft allerdings der Zweck, als eine geistige Ursache, ausgeschlossen bleiben muß; SPINOZA verblendete sich vollständig gegen die Tatsache der Naturzwecke, weil er die Finalität im Widerspruch mit der logischen Notwendigkeit glaubte, - während sie doch mit ihr identisch ist, - und der Darwinismus leugnet die Naturzweckmäßigkeit zwar nicht als Tatsache, aber als Prinzip, und glaubte die Tatsache als  Resultat  geistloser Kausalität begreifen zu können, - als ob die Kausalität selbst etwas anders wäre als eine uns nur tatsächlich (nicht prinzipiell von innen heraus) erkennbare  logische  Notwendigkeit, und als ob die Zweckmäßigkeit, die aktuell erst nach längerer Vermittlung als Resultat zutage tritt, nicht schon von Anfang an das Prius dieser Vermittlungen als Anlage oder Prinzip hätte sein müssen! Wenn aber einerseits ein so großer und so ehrlicher Geist wie SPINOZA den Tatsachen ins Angesicht den Zweck zu leugnen imstande ist, wenn dagegen bei anderen der Zweck eine so große Rolle spielt, und selbst der Freigeist VOLTAIRE die Zwecke aus der Natur nicht wegzuleugnen wagt, wie unbequem und unvereinbar mit seiner sonstigen Überzeugung sie ihm auch seien, so muß es doch ein eigenes Ding damit sein.

Der Begriff des Zweckes bildet sich zunächst aus den Erfahrungen, die man an seiner eigenen bewußten Geistestätigkeit macht. Ein Zweck ist für mich ein von mir vorgestellter und gewollter zukünftiger Vorgang, dessen Verwirklichung ich nicht direkt, sondern nur durch kausale Zwischenglieder (Mittel) herbeizuführen imstande bin. Wenn ich den zukünftigen Vorgang nicht  vorstelle,  so existiert er für mich jetzt nicht; wenn ich ihn nicht  will,  bezwecke ich ihn nicht, sondern er ist mir gleichgültig oder zuwider; wenn ich ihn  direkt  verwirklichen kann, so fällt das kausale Zwischenglied, das Mittel fort, und damit verschwindet auch der Begriff  Zweck,  der nur in der Relation zum Begriff  Mittel  besteht, denn die Handlung folgt dann unmittelbar aus dem Willen. Indem ich einsehe, daß ich nicht imstande bin, meinen Willen direkt zu verwirklichen, und das Mittel als wirkende Ursache des Zwecks erkenne, wird mir das Wollen des Zwecks zum Motiv, d. h. zur wirkenden Ursache für das Wollen des Mittels durch meine Tat, und das verwirklichte Mittel wird wirkende Ursache der Verwirklichung des Zwecks. So haben wir eine dreifache Kausalität unter den vier Gliedern: Wollen des Zwecks, Wollen des Mittels, Verwirklichung des Mittels, Verwirklichung des Zwecks. Nur in seltenen Fällen wird dies alles auf rein subjektiv geistigem Gebiet bleiben, z. B. bei Verfassen eines Gedichts im Kopf, der gedanklichen Ausarbeitung einer anderweitigen künstlerischen Konzeption, oder sonst einer Kopfarbeit; meistenteils dagegen finden wir von den vier verschiedenen Arten der Kausalität drei unmittelbar dargestellt, nämlich Kausalität zwischen geistigem und geistigem Vorgang (Wollen des Zwecks, Wollen des Mittels), geistigem und materiellem Vorgang (Wollen und Verwirklichung des Mittels), und zwischen materiellem und materiellem Vorgang (Mittel und Zweck). Auch die vierte Art Kausalität: zwischen materiellem und geistigem Vorgang kommt hierbei öfters vor, sie liegt dann aber vor dem Beginn unserer Betrachtung in der Motivation des Wollens des Zwecks durch Sinneseindrücke. Man sieht hieraus, daß die Verbindung von gewolltem und verwirklichtem Zweck oder die Finalität, keineswegs etwas  neben  oder gar  trotz  der Kausalität bestehendes ist, sondern daß sie nur eine bestimmte Verbindung der verschiedenen Arten von Kausalität ist, derart, daß Anfangsglied und Endglied dasselbe sind, nur das eine ideal und das andere real, das eine in der gewollten Vorstellung, das andere in der Wirklichkeit. Weit entfernt, die Ausnahmslosigkeit des Kausalitätsgesetzes zu vernichten,  setzt sie dieselbe vielmehr voraus,  und zwar nicht nur für Materie untereinander, sondern auch zwischen Geist und Materie, und Geist und Geist. Daraus geht hervor, daß sie die Freiheit im einzelnen empirischen Geistesakt negiert, und auch ihn unter die Notwendigkeit des Kausalitätsgesetzes stellt. Dies möchte das erste Wort zur Verständigung mit den Gegner der Finalität sein.

Nehmen wir nun an, es ist  M  als wirkende Ursache von  Z  beobachtet worden, und sämtliche im Moment des Eintretens von  M  obwaltenden materiellen Umstände als  n.n.  konstatiert worden. Ferner steht der Satz fest, daß  M  eine zureichende wirkende Ursache haben muß. Nun sind 3 Fälle möglich: entweder ist die zureichende Ursache von  M  in  n.n.  enthalten, oder sie erhält ihre Vervollständigung durch andere materielle Umstände, welche der Beobachtung entgangen sind, oder endlich die zureichende Ursache von  M  ist überhaupt nicht auf materiellem Gebiet zu finden, muß also mithin auf geistigem gesucht werden. Der zweite Fall widerspricht der Annahme, daß sämliche materielle Umstände, die der Entstehung von  M  unmittelbar vorangehen, in  n.n.  enthalten sind. Wenn diese Bedingung auch in aller Strenge unerfüllbar ist, da die ganze Lage des Weltsystems darunter begriffen wäre, so ist doch leicht zu sehen, daß die Fälle sehr selten sind, wo außerhalb eines engen örtlichen Umkreises für den Vorgang wesentliche Bedingungen liegen können, und alle unwesentlichen Umstände brauchen nicht berücksichtigt zu werden. Zum Beispiel die wesentlichen Umstände, warum die Spinne spinnt, wird niemand außerhalb der Spinne suchen, etwa auf dem Mond. Nehmen wir also die Wahrscheinlichkeit, daß irgendein für den Vorgang wesentlicher materieller Umstand nicht berücksichtigt, und demnach in  n.n.  nicht enthalten ist, so gering an, daß sie vernachlässigt werden darf (1), so bleiben nur die beiden Fälle, daß die zureichende Ursache in  n.n.  enthalten ist, oder geistiger Natur ist. Daß der eine  oder  der andere Fall statthaben muß, ist also nunmehr Gewißheit, d. h. die Summe ihrer Wahrscheinlichkeit ist  = 1  (welche Gewißheit bedeutet). Ist nun die Wahrscheinlichkeit, daß  M  durch  n.n.  verursacht ist  = 1/x,  so ist folglich die Wahrscheinlichkeit, daß es eine geistige Ursache hat  = 1 - 1/x = x-1/x;  je kleiner  1/x  wird, desto größer wird  x,  desto mehr nähert sich  x-1/x  der  1,  d. h. der Gewißheit. Die Wahrscheinlichkeit  1/x  würde  = 0  werden, wenn man den direkten Beweis in Händen hätte, daß  M  nicht durch  n.n.  verursacht ist; wenn man nämlich einen Fall konstatieren könnte, wo  n.n.  vorhanden und  M  nicht eingetreten ist. Dies ist mit den ganzen  n.n.  freilich unmöglich, da jede geistige Ursache materielle Angriffspunkte braucht, aber es wird doch häufig gelingen, wenigstens einige oder mehrere der Umstände  n.n.  zu eliminieren, und je weniger von den Umständen  n.n.  als solche betrachtet werden müssen, bei deren Vorhandensein der Vorgang  M  jedesmal eintritt, desto leichter wird die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit, daß sie die zureichende Ursache von  M  nicht enthalten.

Betrachten wir zur Verdeutlichung ein Beispiel. Daß das Bebrüten des Eies die Ursache vom Herauskommen des jungen Vogels ist, ist eine beobachtbare Tatsache. Die dem Bebrüten (M) unmittelbar vorhergehenden materiellen Umstände (n.n.) sind das Vorhandensein und die Beschaffenheit des Eies, das Vorhandensein und die Körperkonstitution des Vogels, und die Temperatur an dem Ort, wo das Ei liegt; anderweitige wesentliche Umstände sind undenkbar. Die Wahrscheinlichkeit ist höchst gering, daß diese Umstände ausreichen, um den munteren, bewegungsfrohen Vogel zum Verlassen seiner gewohnten und instinktiv gebotenen Lebensweise und zum langweiligen Stillesitzen über den Eiern zu veranlassen; denn wenn auch der vermehrte Blutandrang im Unterleib ein erhöhtes Wärmegefühl herbeiführen mag, so wird dieses doch durch das Stillsitzen im warmen Nest auf den blutwarmen Eiern nicht vermindert, sondern erhöht. Hiermit ist schon die Wahrscheinlichkeit  1/x  als sehr klein, also  x-1/x  als nahe an  1  bestimmt. Denken wir aber an die andere Frage, ob uns ein Fall bekannt ist, wo Vogel und Eier dieselben sind, und doch das Bebrüten nicht stattfindet, so begegnen uns zunächst Vögel, die in heißen Treibhäusern genistet haben, und das Brüten unterlassen, ebenso bebrütet der Strauß seine Eier nur in der Nacht, im heißen Nigritien [heute Senegal, Gambia, Niger - wp] gar nicht. Hiermit sind von den Umständen  n.n.  Vogel und Eier als nicht zureichende Ursache für das Bebrüten (M) erkannt und es bleibt als einziger materieller Umstand, der die Ursache zureichend oder vollständig machen könnte, die Temperatur im Nest übrig. Niemand wird für wahrscheinlich halten, daß die niedrigere Temperatur die  direkte  Veranlassung für den Vorgang des Bebrütens ist, mithin ist für den Vorgang des Bebrütens das Vorhandensein einer geistigen Ursache, durch welche erst der konstatierte Einfluß der Temperatur auf den Vorgan  vermittelt  gedacht werden muß, so gut wie Gewißheit geworden, wenngleich die Frage nach der näheren Beschaffenheit dieser geistigen Ursache hiermit noch völlig offen bleibt.

Nicht immer ist die Wahrscheinlichkeitsbestimmung so leicht wie hier, und in seltenen Fällen wird sie bei einem einfachen  M  so nahe an Gewißheit grenzen. Dafür kommt uns aber zu Hilfe, daß das  M,  die beobachtete Ursache von  Z,  meistens nicht einfach, sondern aus verschiedenen, von einander unabhängigen (2) Vorgängen,  P1, P2, P3, P4  etc. besteht. [...]

Betrachten wir hierzu ein Beispiel. Als Ursache des Sehens (Z) ist ein Komplex (M) von Bedingungen (P1, P2, P3, P4) beobachtet worden, deren wichtigste folgende sind:
    1) besondere Nervenstränge geben vom Gehirn aus, welche so beschaffen sind, daß jeder sie treffende Reiz im Gehirn als Lichtempfindung perzipiert wird;

    2) sie endigen in einer eigentümlich gebauten, sehr empfindlichen Nervenhaut (Retina);

    3) vor derselben steht eine Camera obscura;

    4) die Brennweite dieser Camera ist im Allgemeinen für das Berechnungsverhältnis von  Luft  und Augenkörper passend (außer bei Wassertieren);

    5) die Brennweite ist durch verschiedenartige Kontraktionen für Sehweiten von einigen Zoll bis unendlich zu ändern;

    6) die einzulassende Lichtquantität wird durch Verengung und Erweiterung der Iris reguliert und dadurch zugleich bei deutlichem Sehen im Hellen die peripherischen Strahlen abgeblendet;

    7) die Endglieder der an die Nervenenden sich anschließenden Stäbchen oder Zapfen haben eine derartige geschichtete Konstruktion, daß jedes solches Endglied Lichtwellen von bestimmter Wellenlänge (Farbe) in stehende Wellen verwandelt, und so in der zugehörigen Nervenprimitvfaser die physiologischen Farbenschwingungen erzeugt;

    8) die Duplizität der Augen veranlaßt das stereoskopische Sehen mit der dritten Dimension;

    9) beide Augen können durch besondere Nervenstränge und Muskeln zugleich nur nach derselben Seite, also unsymmetrisch in Bezug auf die Muskeln bewegt werden;

    10) die von der Peripherie nach dem Zentrum zunehmende Deutlichkeit des Gesichtsbildes verhindert die sonst unvermeidliche Zerstreuung der Aufmerksamkeit;

    11) das reflektorische Hinwenden des deutlichen Sehpunkts nach dem hellsten Punkt des Gesichtsfeldes erleichtert das Sehenlernen und das Entstehen der Raumvorstellungen in Verbindung mit dem vorigen;

    12) die stets herabrinnende Tränenfeuchtigkeit erhält die Oberfläche der Hornhaut durchsichtig und führt den Staub ab;

    13) die hinter Knochen zurückgezogene Lage, die reflektorisch bei jeder Gefahr sich schließenden Lider, die Wimpern und Brauen schützen vor schnellem Unbrauchbarwerden der Organe durch äußere Einwirkungen.
Alle diese 13 Bedingungen sind nötig zum normalen Sehen und dessen Bestand; sie alle sind bei der Geburt des Kindes bereits vorhanden, wenn auch ihre Anwendung noch nicht geübt ist; die ihrer Entstehung vorangehenden und sie begleitenden Umstände (n.n.) sind also in der Begattung und dem Fötusleben zu suchen. Das wird aber wohl dem Physiologen niemals gelingen, in der Keimscheibe des befruchteten Eies und den zuströmenden Muttersäften die zureichende Ursache für die Entstehung all dieser Bedingungen mit nur einiger Wahrscheinlichkeit aufzuzeigen; es ist nicht abzusehen, warum das Kind sich nicht auch ohne Sehnerven oder ohne Augen entwickeln soll. Gesetzt nun aber, man stützte sich dabei auf unsere Unkenntnis, obwohl dies ein schlechter Grund für positive Wahrscheinlichkeiten ist, und nähme für jede der 13 Bedingungen eine ziemlich hohe Wahrscheinlichkeit an, daß sie sich aus den materiellen Bedingungen des Embryolebens entwickeln muß, meinetwegen im Durchschnitt neun Zehntel (was schon eine Wahrscheinlichkeit ist, die wenige unserer sichersten Erkenntnisse besitzen), so ist doch die Wahrscheinlichkeit, daß  alle  diese Bedingungen aus den materiellen Verhältnisse des Embryolebens folgen, also die Wahrscheinlichkeit, daß für diesen Komplex eine geistige Ursache in Anspruch genommen werden muß  = 0,746,  d. h. fast drei Viertel; in Wahrheit sind aber die einzelnen Wahrscheinlichkeiten vielleicht  = 0,25,  oder höchstens  0,5,  und demnach die Wahrscheinlichkeit einer geistigen Ursache für das Ganze  =, 9999985,  bzw.  0,99988,  d. h. Gewißheit.

Wir haben auf diese Weise erkannt, wie man  aus materiellen Vorgängen auf das Mitwirken geistiger Ursachen zurückschließen kann, ohne daß letztere der unmittelbaren Erkenntnis offen liegen.  Von hier zur Erkenntnis der Finalität ist nur noch  ein  Schritt. Eine geistige  Ursache  für materielle Vorgänge kann nur in geistiger  Tätigkeit  bestehen, und zwar muß, wo der Geist nach außen wirken soll, ein Wille vorhanden sein, und kann die Vorstellung dessen,  was  der Wille will, nicht fehlen, wie dies weiter unten (Kapitel A, IV) zur näheren Erörterung kommt. Die geistige Ursache ist also ein Wille in Verbindung mit einer Vorstellung und zwar der Vorstellung des materiellen Vorgangs, der bewirkt werden soll (M). Wir nehmen hier der Kürze halber an, daß  M direkt  aus einer geistigen Ursache hervorgeht, was keineswegs nötig ist. Fragen wir weiter: was kann die Ursache davon sein, daß  M gewollt  wird. Hier reißt uns jeder kausale Faden ab, wenn wir nicht zu der ganz einfachen und natürlichen Annahme greifen: das Wollen von  Z.  Daß  Z  nicht als reale Existenz, sondern nur idealiter, d. h. als Vorstellung den Vorgang beeinflussen kann, versteht sich von selbst nach dem Satz, daß die Ursache früher als die Wirkung sein muß. Daß aber  Z-Wollen ein hinreichendes Motiv für  M-Wollen ist, ist ebenfalls ein selbstverständlicher Satz, denn wer die Wirkung vollbringen will, muß auch die Ursache vollbringen wollen. Freilich haben wir an dieser Annahme nur dann eine eigentliche Erklärung, wenn uns das  Z-Wollen begreiflicher ist, als das  M-Wollen ansich ist. Das  Z-Wollen muß also entweder in der Verwirklichung von selbst sein genügendes Motiv haben, oder an einem Wollen von  Z1,  wobei  Z1  als Wirkung auf  Z  folgt; bei diesem wiederholt sich dann dieselbe Betrachtung. Je evidenter das letzte Motiv ist, bei dem wir stehen bleiben, umso wahrscheinlicher wird es, daß das  Z-wollen Ursache des  M-Wollens ist. - Daß dies in der Tat der Gang unserer Betrachtung den Naturzwecken gegenüber ist, ist leicht zu sehen. Wir haben z. B. gesehen, der Vogel brütet deshalb, weil er brüten will. Mit diesem dürftigen Resultat müssen wir uns entweder begnügen, und auf alle Erklärung verzichten, oder wir müssen fragen, warum wird das Brüten gewollt? Antwort: weil die Entwicklung und das Schlüpfen des jungen Vogels gewollt wird. Hier sind wir in demselben Fall; wir fragen also weiter: warum wird die Entwicklung des jungen Vogels gewollt? Antwort: weil die Fortpflanzung gewollt wird; diese, weil das längere Bestehen der Gattung trotz des kurzen Lebens der Individuen gewollt wird, und hiermit haben wir ein Motiv, das uns vorläufig befriedigen kann. Wir werden demnach zu der Annahme berechtigt sein, daß das Wollen der Entwicklung des jungen Vogels, die (gleichviel, ob direkt oder indirekt) Ursache zum Wollen des Bebrütens ist, d. h. daß ersteres durch das Mittel des Bebrütens bezweckt ist. (Hier handelt es sich nicht darum, ob dieser Zweck dem Vogel bewußt ist oder nicht, obwohl dies bei einem einsam erzogenen jungen Vogel unmöglich angenommen werden kann, denn woher sollte er die bewußte Kenntnis der Wirkung des Bebrütens erhalten haben?) Freilich bleibt immer noch die Möglichkeit übrig, daß eine geistige Ursache dem Vorgang  M  zugrunde liegt, ohne daß dieselbe durch das Wollen von  Z  motiviert ist, mithin wird die Wahrscheinlichkeit, daß  Z bezweckt  ist, ein Produkt sein aus der Wahrscheinlichkeit, daß  M  eine geistige Ursache hat. [...]

Wir haben hieraus gelernt, daß ganz besonders solche Wirkungen mit Sicherheit als Zwecke erkannt werden können, welche einen größeren Komplex von Ursachen zu ihrem Zustandekommen brauchen, deren jede eine gewisse Wahrscheinlichkeit hat, Mittel zu diesen Zweck zu sein. Es ist daher kein Wunder, daß gerade die allgemeinsten Naturerscheinungen von jeher die ungeteilteste Anerkennung als Zweck gefunden haben. Zum Beispiel die Existenz und der Bestand der organischen Natur als Zweck ihrer eigenen Einrichtungen, sowie derer der unorganischen Natur. Hier wirken geradezu eine unendliche Menge von Ursachen zusammen, um diese Gesamtwirkung, das Bestehen der Organismen, zu sichern. Soweit diese Ursachen in den Organismen selbst liegen, teilen sie sich in solche, die die Erhaltung des Individuums, und solche, die die Erhaltung der Gattung herbeiführen. Auch diese beiden Punkte sind wohl selten als Naturzwecke verkannt worden. Wenn wir nun einen solchen mit möglichster Gewißheit erkannten Zweck  Z  nennen, so wissen wir, daß keine seiner vielen Ursachen fehlen darf, wenn es erreicht werden soll, also auch zum Beispiel  M  nicht. Da ich nun weiß, daß  Z  und  M  beide  vor  ihrer realen Existenz gewollt und vorgestellt waren, und ich sehe, daß zum Zustandekommen von  M  unter anderem die äußere Ursache  M1  erforderlich ist, so erhält die Annahme, daß auch  M1 vor  seiner realen Existenz gewollt und vorgestellt war, durch diesen Rückschluß eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Mag nämlich  M  durch die unmittelbare Einwirkung einer geistigen Ursache verwirklicht sein, oder mittelbar, indem es aus materiellen Ursachen folgt, deren einige oder mehrere geistig verursacht sind, in beiden Fällen kann  M1  vor seiner realen Existenz als Mittel für den Zweck  M  gewollt und vorgestellt sein. Im letzteren Fall ist dies ohne weiteres klar, aber auch im ersteren Fall schließt die unmittelbare Einwirkung einer geistigen Ursache bei der Verwirklichung von  M  nicht aus, daß auch die materiellen Ursachen von  M,  also auch  M1,  zum größeren oder kleineren Teil wieder aus geistigen Ursachen entsprungen sind, die  M  und  Z  bezweckten; dies ist sogar in der organischen Natur der normale Sachverhalt. Mithin resultiert aus diesem Rückschluß jedenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Mag nämlich  M  durch die unmittelbare Einwirkung einer geistigen Ursache verwirklicht sein, oder mittelbar, indem es aus materiellen Ursachen folgt, deren einige oder mehrere geistig verursacht sind, in beiden Fällen kann  M1  vor seiner realen Existenz als Mittel für den Zweck  M  gewollt und vorgestellt sein. Im letzteren Fall ist dies ohne weiteres klar, aber auch im ersteren Fall schließt die unmittelbare Einwirkung einer geistigen Ursache bei der Verwirklichung von  M  nicht aus, daß auch die materiellen Ursachen von  M,  also auch  M1,  zum größeren oder kleineren Teil wieder aus geistigen Ursachen entsprungen sind, die  M  und  Z  bezweckten; dies ist sogar in der organischen Natur der normale Sachverhalt. Mithin resultiert aus diesem Rückschluß jedenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß auch  M1,  bezweckt worden ist, und wenn dieselbe auch ansich nicht groß sein mag, so ist sie doch immerhin eine nicht zu vernachlässigende Vermehrung der direkt gewonnenen Wahrscheinlichkeitsgröße, daß diese Unterstützung nicht nur allen folgenden Stufen zugute kommt, sondern sich bei einer jeden wiederholt.

Man sieht nach diesen Betrachtungen, daß sich die Wege, auf welchen man Zwecke in der Natur erkennt,mannigfach kombinieren. Es kann von einer Benutzung solcher Rechnungen in Wirklichkeit freilich keine Rede sein, aber sie dienen dazu, die Prinzipien aufzuklären, nach welchen sich der logische Prozeß über diesen Gegenstand mehr oder minder unbewußt in jedem vollzieht, der hierüber richtig nachdenkt, und nicht von erhabenen Systemstandpunkten von vornherein abspricht. Die in diesem Kapitel angeführten  Beispiele  sollen nicht etwa zum Beweis der Wahrheit der Teleologie dienen, sondern nur zur Erläuterung und Veranschaulichung der abstrakten Darlegungen, welche ebenfalls sicherlich keinen Gegner zu der Annahme von Naturzwecken bekehren werden, denn dies können nur Beispiele  en masse aber sie werden vielleicht manchen, der über die Annahme von Naturzwecken weit erhaben zu sein glaubte, vermögen, Beispiele daraufhin genauer und unbefangeren zu erwägen; und in diesem Sinne eine Vorbereitung für den Abschnitt  A  dieser Untersuchungen schaffen, war auch der alleinige Zweck dieses Kapitels.


A.
Die Erscheinung des Unbewußten
in der Leiblichkeit

Die Materialisten bemühen sich, zu zeigen,
daß  alle  Phänomene, auch die  geistigen,
physisch 
sind: mit  Recht;  nur sehen sie
nicht ein, daß alles Physische andererseits
 zugleich ein Metaphysisches  ist.

- Schopenhauer


I.
Der unbewußte Wille in den selbständigen
Rückenmarks- und Ganglienfunktionen.

Die Zeit ist vorüber, wo man dem freien Menschen die Tiere als wandelnde Maschinen, als Automaten ohne Seele gegenüberstellte. Eine eingehendere Betrachtung des Tierlebens, die eifrige Bemühung um das Verständnis ihrer Sprache und die Motive ihrer Handlungen hat gezeigt, daß der Mensch von den höchsten Tieren, ebenso wie die Tiere untereinander, nur graduelle, aber nicht wesentliche Unterschiede der geistigen Befähigung zeigt; daß er sich vermöge dieser höheren Befähigung eine vollkommenere Sprache geschaffen und durch diese die Perfektibilität durch Generationen hindurch erworben hat, welche den Tieren eben wegen ihrer unvollkommenen Mitteilungsmittel fehlt. Wir wissen also jetzt, daß wir nicht den heutigen Gebildeten mit den Tieren vergleichen dürfen, ohne gegen diese ungerecht zu sein, sondern nur die Völker, die sich noch wenig von dem Zustand entfernt habe, in welche sie aus der hand der Natur entlassen wurden, denn wir wissen, daß auch unsere jetzt durch höhere Anlagen bevorzugte Rasse dereinst gewesen ist, was jene noch heute sind, und daß unsere heutigen höheren Gehirn- und Geistesanlagen nur durch das Gesetz der Vererbung auch des Erworbenen allmählich diese Höhe erreicht haben. So steht das Tierreich als eine geschlossene Stufenreihe von Wesen vor uns, mit durchgehender Analogie behaftet; die geistigen Grundvermögen müssen in allen dem Wesen nach dieselben sein, und was in höheren als den neu hinzutretendes Vermögen erscheint, sind nur sekundäre Vermögen, die sich durch eine höhere Ausbildung der gemeinsamen Grundfähigkeiten nach gewissen Richtungen hin entwickeln. Diese Grund oder Urtätigkeiten des Geistes in allen Wesen sind Wollen und Vorstellen, denn das Gefühl läßt sich (wie ich in Kapitel B III zeigen werde) aus diesen beiden mit Hilfe des Unbewußten entwickeln.

Wir sprechen in diesem Kapitel bloß vom Willen. Daß dasselbe, was wir als unmittelbare Ursache unseres Handelns zu kennen glauben und Wille nennen, daß eben dieses auch im Bewußtsein der Tiere als kausales Moment ihres Handelns lebt, und auch hier  Wille  genannt werden muß, unterliegt wohl keinem Zweifel, wenn man nicht so vornehm sein will (wie bei essen, trinken und gebären), für dieselbe Sache beim Tier andere Namen zu gebrauchen (fressen, saufen, werfen). Der Hund  will  sich nicht von seinem Herrn trennen, er  will  das ins Wasser gefallene Kind von den ihm wohlbekannten Tod retten, der Vogel  will  seine Jungen nicht beschädigen lassen, das Männchen  will  den Besitz seines Weibchens nicht mit einem anderen teilen usw. - Ich weiß wohl, daß es Viele gibt, die den Menschen zu heben glauben, wenn sie möglichst viel bei den Tieren, namentlich den unteren, als Reflexwirkung erklären. Wenn diese die gewöhnliche physiologische Tragweite des Begriffs Reflexwirkung als unwillkürliche Reaktion auf äußeren Reiz im Sinn haben, so kann man wohl sagen, sie müssen nie Thiere beobachtet haben, oder sie müssen mit sehenden Augen blind sein; wenn sie aber die Reflexwirkung über ihre gewöhnliche physiologische Bedeutung in ihren wahren Begriff ausdehnen, so haben sie zwar Recht, aber sie vergessen dann bloß: erstens, daß auch der Mensch in lauter Reflexwirkungen lebt und webt, daß jeder Willensakt eine Reflexwirkung ist, zweitens aber, daß  jede  Reflexwirkung ein Willensakt ist, wie in Kapitel V gezeigt wird.

Behalten wir also vorläufig die gewöhnliche engere Bedeutung von Reflex bei, und sprechen ur von solchen Willensakten, welche nicht in diesem Sinne Reflexe, also nicht unwillkürliche Reaktionen des Organismus auf äußere Reize sind. Zwei Merkmale sind es hauptsächlich, an denen man den Willen von den Reflexwirkungen unterscheiden kann, erstens der Affekt, und zweitens die Konsequenz in der Ausführung eines Vorsatzes. Die Reflexe vollziehen sich mechanisch und affektlos, es gehört aber nicht allzuviel Physiognomik dazu, um auch an den niedrigen Tieren das Vorhandensein von Affekten deutlich wahrzunehmen. Bekanntlich führen manche Ameisenarten Kriege untereinander, in denen ein Staat den anderen unterwirft und dessen Bürger zu seinen Sklaven macht, um durch dieselben seine Arbeiten verrichten zu lassen. Diese Kriege werden durch eine Kriegerkaste geführt, deren Mitglieder größer und stärker und mit kräftigeren Zangen bewehrt sind. Man braucht nur einmal gesehen zu haben, wie diese Armee an den feindlichen Bau anklopft, die Arbeiter sich zurückziehen und die Krieger herauskommen, um den Kampf aufzunehmen, mit welcher Erbitterung gekämpft wird, und wie sich nach einem unglücklichen Ausgang der Schlacht die Arbeiter des Baus gefangen geben, dann wird man nicht mehr zweifeln, daß dieser prämeditierte [vorausgeplante - wp] Raubzug einen sehr entschiedenen Willen zeigt, und nichts mit Reflexwirkungen zu tun hat. Ähnlich ist es bei Raubbienenschwärmen.

Die Reflexwirkung verschwindet und wiederholt sich mit dem äußeren Reiz, aber sie kann keinen Vorsatz fassen, den sie unter veränderten äußeren Umständen mit zweckmäßiger Änderung der Mittel längere Zeit hindurch verfolgt. Zum Beispiel wenn ein geköpfter Frosch, der lange nach der Operation ruhig liegen geblieben ist, plötzlich anfängt Schwimmbewegungen zu machen, oder fortzuhüpfen, so könnte man doch geneigt sein, dies als bloße physiologische Reflexwirkungen auf Reizungen der Luft an den durchschnittenen Nervenenden anzusehen, wenn aber der Frosch in verschiedenen Versuchen verschiedene Hindernisse bei gleichem Hautreiz an gleicher Stelle auf verschiedene Weise, aber gleich zweckmäßig überwindet, wenn er eine bestimmte Richtung einschlägt und, aus dieser Richtung herausgebracht, mit seltenem Eigensinn dieselbe stets wieder zu gewinnen sucht, wenn er sich unter Spinde und in andere Winkel verkriecht, offenbar um vor den Verfolgern Schutz zu suchen, so liegen hier unverkennbar nichtreflektorische Willensakte vor, in Bezug auf welche sogar der Physiologe GOLTZ mit Recht aus seinen sorgfältigen Versuchen schließt, daß man die Annahme einer nicht am Großhirn haftenden, sondern für die verschiedenen Funktionen an verschiedene Zentralorgane (z. B. für die Behauptung des Gleichgewichts an die Vierhügelplatte des Mittelhirns) gebundenen Intelligenz nicht umgehen kann.

Aus diesem Beispiel vom geköpften Frosch und dem Willen aller wirbellosen Tiere (z. B. der Insekten) geht hervor, daß zum Zustandekommen des Willens  durchaus kein Gehirn  erforderlich ist. Da bei den wirbellosen Tieren die Schlundganglien das Gehirn ersetzen, werden wir annehmen müssen, daß diese zum Willensakt auch genügen, und bei jenem Frosch muß das Kleinhirn und das Rückenmark die Stelle des Großhirns vertreten haben. Aber auch nicht bloß auf die Schlundganglien der wirbellosen Tiere werden wir den Willen beschränkten dürfen, denn wenn von einem durchschnittenen Insekt das Vorderteil den Akt des Fressens, und von einem anderen durchschnittenen Insekt das Hinterteil den Akt der Begattung fortsetzt, ja wenn sogar Fangheuschrecken mit abgeschnittenen Köpfen noch gerade wie unversehrte, Tage lang ihre Weibchen aufsuchen, finden und sich mit ihnen begatten, so ist wohl klar, daß der Wille zum Fressen ein Akt des Schlundringes, der Wille zur Begattung aber zumindest in diesen Fällen ein Akt anderer Ganglienknoten des Rumpfes gewesen ist. Die nämliche Selbständigkeit des Willens in den verschiedenen Ganglienknoten ein und desselben Tieres sehen wir darin, daß sich von einer zerschnittenen Ohrwurm häufig, von einer australischen Ameise regelmäßig, beide Hälften gegeneinander kehren und unter den unverkennbaren Affekten des Zorns und der Kampflust sich mit der Freßzange, bzw. dem Stachel bis zum Tod oder zur Erschöpfung wütend bekämpfen. Aber selbst auf die Ganglien werden wir die Willenstätigkeit nicht beschränken dürfen, denn wir finden selbst bei jenen tiefstehenden Tieren noch Willensakte, wo das Mikroskop des Anatomen noch keine Spur weder von Muskelfibrin, noch von Nerven, sondern statt beider nur die MULDERsche Fibroine (jetzt Protoplasma genannt) entdeckt hat und wo vermutlich die halbflüssige, schleimige Körpersubstanz des Tieres ebenso wie in den ersten Stadien der Embryo-Entwicklung die Bedingungen selbst schon in untergeordnetem Maße erfüllt, welchen die Nervensubstanz ihre Reizbarkeit, Leitungstätigkeit und Mittlerschaft für die Betätigung der Willensakte verdankt, nämlich die leichte Verschiebbarkeit und Polarisierbarkeit der Moleküle. Wenn man einen Polypen in einem Glas mit Wasser hat, und dieses so stellt, daß ein Teil des Wassers von der Sonne beschienen ist, so rudert der Polyp sogleich aus dem dunklen nach dem beschienenen Teil des Wassers. Tut man ferner ein lebendes Infusionstierchen hinein und dieses kommt dem Polypen auf einige Linien nahe, so nimmt er dasselbe, weiß Gott wodurch, wahr, und erregt mit seinen Armen einen Wasserstrudel, um es zu verschlingen. Nähert sich ihm dagegen ein totes Infusionstier, ein kleines pflanzliches Geschöpf oder ein Stäubchen auf dieselbe Entfernung, so bekümmert er sich gar nicht darum. Der Polyp nimmt also das Tierchen als lebendig wahr, schließt aus, daß es für ihn zur Nahrung geeignet ist, und trifft die Anstalten, um es bis zu seinem Mund zu heranzubringen. Nicht selten sieht man auch zwei Polypen um eine Beute in einem erbitterten Kampf. Einen durch eine so feine Sinneswahrnehmung motivierten und so deutlich kundgegebenen Willen wird niemand mehr physiologischen Reflex im gewöhnlichen Sinn nennen können, es müßte dann auch ein Reflex sein, wenn der Gärtner einen Baumast niederbeugt, um die reifen Früchte erlangen zu können. Wenn wir somit in nervenlosen Tieren noch Willensakte sehen, werden wir gewiß nicht scheuen dürfen, dieselben in Ganglien anzuerkennen.

Dieses Resultat wird auch durch die vergleichende Anatomie unterstützt, welche lehrt, daß das Gehirn ein Konglomerat von Ganglien in Verbindung mit Leitungsnerven, und das Rückenmark in seiner grauen Zentralsubstanz ebenfalls eine Reihe miteinander verwachsender Ganglienknoten ist. Die Gliedertiere zeigen zuerst ein schwaches Analogon des Gehirns in Gestalt zweier durch den Schlundring zusammenhängenden Knötchen und des Rückenmarks im sogenannten Bauchstrang, ebenfalls Knoten, die durch Fäden verbunden sind, und von denen je einer einem Glied und Fußpaar des Tieres entspricht. Dem analog nehmen die Physiologen soviele selbständige Zentralstellen im Rückenmark an, wie Spiralnervenpaare aus demselben entspringen. Unter Wirbeltieren kommen noch Fische vor, deren Gehirn und Rückenmark aus einer Anzahl Ganglien besteht, welche in einer Reihe gedrängt hintereinander liegen. Eine mehr als ideelle, eine volle Wahrheit erhält die Zusammensetzung eines Zentralorgans aus mehreren Ganglien in der Metamorphose der Insekten, indem dort gewisse Ganglien, welche im Larvenzustand des Tieres getrennt sind, in der höheren Entwicklungsstufe zur Einheit verschmolzen erscheinen.

Diese Tatsachen möchten genügen, um die Wesensgleichheit von Hirn und Ganglienzellen, von Hirnwille und Ganglienwille zu bezeugen. Wenn nun aber die Ganglien niederer Tiere ihren selbständigen Willen haben, wenn das Rückenmark eines geköpften Froschs ihn hat, warum sollen dann die soviel höher organisierten Ganglien und das Rückenmark der höheren Tiere und des Menschen nicht auch ihren Willen haben? Wenn bei Insekten der Wille zum Fressen in den vorderen, der Wille zur Begattung in den hinteren Ganglien liegt, warum soll dann beim Menschen nicht auch eine solche Arbeitsteilung für den Willen vorgesehen sein? Oder wäre es denkbar, daß dieselbe Naturerscheinung in unvollkommenerer Gestalt eine hohe Wirkung zeigt, die ihr in vollkommenerer Gestalt gänzlich fehlt? Oder wäre etwa im Menschen die Leitung so gut, daß jeder Ganglienwille sofort ins Gehirn geleitet würde und uns von dem im Gehirn erzeugten Willen ununterscheidbar ins Bewußtsein tritt? dies kann für die oberen Teile des Rückenmarks vielleicht bis zu einem gewissen Maß wahr sein, für alles übrige gewiß nicht, da ja schon die Empfindungsleitungen aus dem Unterleibsgangliensystem bis zum Verschwinden dumpf sind. Es bleibt also nichts anderes übrig, als auch den menschlichen Ganglien und Rückenmark einen selbständigen Willen zuzuerkennen, dessen Äußerungen wir nur noch empirisch nachzuweisen haben. Daß bei höheren Tieren die Muskelbewegungen, welche die äußeren Handlungen bewirken, mehr und mehr dem kleinen Gehirn unterworfen und somit zentralisiert werden, ist bekannt, wir werden also in dieser Hinsicht weniger Tatsachen auffinden, und ist dies auch der Grund, warum bis jetzt die Selbständigkeit des Gangliensystems in höheren Tieren von Physiologen wenig anerkannt worden ist, obwohl die neuesten Forscher sie verteidigen. Diejenigen Willensakte dagegen, welche wirklich den Ganglien zuzuschreiben sind, hat man sich gewöhnlich als Reflexwirkungen vorgestellt, deren Reize im Organismus selbst liegen sollten, welche Reize dann willkürlich angenommen wurden, wenn sie nicht nachweisbar waren. Zum Teil mögen diese Annahmen berechtigt sein, dann gehören sie eben in das Kapitel über Reflexwirkungen; ein großer Teil ist es aber jedenfalls nicht, und außerdem kann es auch nicht schaden, selbst dasjenige, was Reflexwirkungen sind, hier vom Standpunkt des Willens zu betrachten, da später nachgewiesen wird, daß jede Reflexwirkung einen unbewußten Willen enthält.

Die selbständig, d. h. ohne Mitwirkung des Gehirns und Rückenmarks vom sympathischen Nervensystem geleiteten Bewegungen sind:
    1. der Herzschlag
    2. die Bewegung des Magens und des Darms,
    3. der Tonus der Eingeweide, Gefäße und Sehnen,
    4. ein großer Teil der vegetativen Prozesse, sofern sie von einer Nerventätigkeit abhängig sind.
Herzschlag, Tonus der Arterien und Darmbewegungen zeigen den intermittierenden [unterbrochenen - wp] Typus der Bewegung, die übrigen den kontinuierenden. Der Herzschlag beginnt, wie man an einem bloßgelegten Froschherzen sieht, bei den kontraktilen Hohlvenen, dann folgt die Zusammenziehung der Vorhöfe, dann der Ventrikel, schließlich des Bulbus aortae. In einem ausgeschnittenen und mit Salzwasser ausgespritzten Forschherzen vollziehen die Herzganglien noch stundenlang ihre Funktion, den Herzschlag anzuregen. Am Darm beginnt die Bewegung am unteren Teil der Speiseröhre, und schreitet wurmförmig von oben nach unten fort, aber eine Welle ist noch nicht abgelaufen, so beginnt schon die nächste. Haben diese Darmbewegungen nicht die täuschendste Ähnlichkeit mit dem Kriechen eines Wurmes, bloß mit dem Unterschied, daß sich der Wurm dadurch auf der Unterlage fortschiebt, während hier der Wurm befestigt ist, und die (innere) Unterlage, die Speisemassen und die  Fäzes  [Fäkalien - wp] fortgeschoben werden, - sollte das eine Wille heißen drfen und das andere nicht? - Der Tonus ist eine gelinde Muskelkontraktion, welche unaufhörlich bei Lebzeiten an allen Muskeln stattfindet, selbst im Schlaf und Ohnmacht. Bei den der Willkür, dem Hirnwillen, unterworfenen Muskeln bewirkt ihn das Rückenmark, und es entstehen nur deshalb keine Bewegungen der Glieder, weil die Wirkungen der entgegengesetzten Muskelt (Antagonisten) sich aufheben. Wo daher keine entgegengesetzten Muskeln sind (wie z. B. bei den kreisförmigen Schließmuskeln), da ist auch der Erfolg der Kontraktion deutlich, und kann nur durch einen starken Andrang der den Ausweg suchenden Massen überwunden werden. Der Tonus der Eingeweide, Arterien und Venen hängt vom Sympathicus ab und letzterer ist für die Blutzirkulation durchaus notwendig. - Was schließlich die Absonderung und Ernährung betrifft, so können die Nerven dieselben teils durch Erweiterung und Verengung der Kapillargefäße, teils durch Spannung und Erschlaffung der endosmotischen Membranen, teils schließlich durch die Erzeugung von chemischen, elektrischen und thermischen Strömungen beeinflussen; alle solche Funktionen werden ausschließlich von untergeordneten Ganglien aus durch die allen Körpernerven beigemengten sympathischen Nervenfasern geleitet, die sich namentich durch eine geringere Stärke vor den sensiblen und motorischen Fasern auszeichnen. Die sichersten Beweise für die Unabhängigkeit des Gangliensystems liegen in BIDDERs Versuchen mit Fröschen. Bei vollständig zerstörtem Rückenmark lebten die Tiere oft noch sechs, bisweilen zehn Wochen (mit allmählich langsamer werdendem Herzschlag). Bei einer Zerstörung des Gehirns und Rückenmarks mit alleiniger Schonung des verlängerten Markes (zum Atmen) lebten sie noch sechs Tage; wenn auch dieses zerstört war, konnte man Herzschlag und Blutkreislauf noch bis in den zweiten Tag hinein beobachten. Die Frösche mit geschontem verlängertem Mark fraßen und verdauten ihre Regenwürmer noch nach sechsundzwanzig Tagen, wobei auch die Urinabsonderung regelmäßig vor sich ging.

Das Rückenmark (inklusive des verlängerten Markes) steht außer dem schon erwähnten Tonus der willkürlichen Muskeln allen unwillkürlichen Bewegungen der willkürlichen Muskeln (Reflexbewegungen, siehe Kapitel V) und den Atembewegungen vor. Letztere haben ihr Zentralorgan im verlängerten Mark, und wirken zu diesen höchst komplizierten Bewegungen nicht bloß ein großer Teil der Spinalnerven, sondern auch der  nervus phrenius, accessorius Willisii, vagus  und  facialis.  Wenn auch der Hirnwille eine kurze Zeit lang imstande ist, die Atembewegungen zu verstärken oder zu unterdrücken, so kann er sie doch nie ganz aufheben, da nach einer kleinen Pause der Rückenmarkswille wieder die Oberhand gewinnt.

Die Unabhängigkeit des Rückenmarks vom Gehirn ist ebenfalls durch schöne physiologische Versuche nachgewiesen. Eine Henne, welcher FLOURENS das ganze große Gehirn fortgenommen hatte, saß zwar für gewöhnlich regungslos da; aber beim Schlafen steckte sie den Kopf unter den Flügel, beim Erwachen schüttelte sie sich und putzte sich mit dem Schnabel. Angestoßen lief sie geradeaus weiter, in die Luft geworfen flog sie. Von selbst fraß sie nicht, sondern verschluckte nur das in den Gaumen geschobene Futter. VOIT wiederholte diese Versuche an Tauben; dieselben verfielen zunächst in tiefen Schlaf, aus dem sie erst nach einigen Wochen erwachten; dann aber flogen sie und bewegten sich von selbst, und benahmen sich so, daß man am Vorhandensein ihrer Sinnesempfindungen nicht zweifeln konnte, nur daß ihnen der Verstand fehlte und sie nicht freiwillig fraßen. Als z. B. eine Taube mit dem Schnabel an eine aufgehängte hölzerne Fadenspule stieß, ließ sie es sich über eine Stunde lang bis zu VOITs Dazwischenkunft gefallen, daß die pendelnde Spule immer von neuem gegen ihren Schnabel stieß. Dagegen sucht eine solche Taube der nach ihr greifenden Hand zu entschlüpfen, beim Fliegen Hindernissen sorgfältig auszuweichen und weiß sich geschickt auf schmalen Vorsprüngen niederzulassen. Kaninchen und Meerschweinchen, denen das große Gehirn herausgenommen wurde, laufen nach der Operation frei umher; das Benehmen eines geköpften Frosches war schon oben erwähnt. Alle diese Bewegungen, wie das Schütteln und Putzen der Henne, das Herumlaufen der Kaninchen und Frösche erfolgen ohne merklichen äußeren Reiz, und sind den nämlichen Bewegungen bei gesunden Tieren so völlig gleich, daß man unmöglich in beiden Fällen eine Verschiedenheit des ihnen zugrunde liegenden Prinzips annehmen kann; es ist eben hier wie dort eine Willensäußerung. Nun wissen wir aber, daß das höhere tierische Bewußtsein von der Integrität des großen Gehirns bedingt ist (siehe Kapitel C II), und da dieses zerstört ist, sind auch jene Tiere, wie man sagt, ohne Bewußtsein, handeln also unbewußt und wollen unbewußt. Indessen ist das Hirnbewußtsein keineswegs das einzige Bewußtsein im Tier, sondern nur das höchste, und das einzige, was in höheren Tieren und dem Menschen zum Selbstbewußtsein, zum  Ich  kommt, daher auch das einzige, welches ich  mein  Bewußtsein nennen kann. - Daß aber auch die untergeordneten Nervenzentren ein Bewußtsein, wenn auch von geringerer Klarheit, haben müssen, geht einfach aus dem Vergleich der allmählich absteigenden Tierreihe und des Ganglienbewußtseins der wirbellosen Tiere mit den selbständigen Ganglien und Rückenmarkszentralstellen der höheren Tiere hervor.

Es ist unzweifelhaft, daß ein des Gehirns beraubtes Säugetier immer noch eines klareren Empfindens fähig ist, als ein unversehrtes Insekt, weil das Bewußtsein seines Rückenmarks jedenfalls immer noch höher steht, als das der Ganglien des Insekts. Demnach ist der in den selbständigen Funktionen des Rückenmarks und der Ganglien sich dokumentierende Wille keineswegs ohne Weiteres als unbewußt ansich hinzustellen, vielmehr müssen wir vorläufig annehmen, daß er für die Nervenzentren, von denen er ausgeht, gewiß klarer oder dunkler bewußt wird; dagegen ist er in Bezug auf das Hirnbewußtsein, welches der Mensch ausschließlich als  sein  Bewußtsein anerkennt, allerdings unbewußt, und es ist damit gezeigt, daß  in uns ein für uns unbewußter Wille existiert,  da doch diese Nervenzentren alle in unserem leiblichen Organismus, also in  uns,  enthalten sind.

Es scheint erforderlich, hier zum Schluß eine Bemerkung anzufügen über die Bedeutung, in der hier das Wort  Willen  gefaßt ist. Wir sind davon ausgegangen, unter diesem Wort eine bewußte Intention zu verstehen, in welchem Sinn dasselbe gewöhnlich verstanden wird. Wir haben aber im Laufe der Betrachtung gefunden, daß in  einem  Individuum, aber in verschiedenen Nervenzentren mehr oder weniger voneinander unabhängige Bewußtseine und mehr oder weniger voneinander unabhängige Willen existieren können, deren jeder  höchstens  für das Nervenzentrum bewußt sein kann, durch welches er sich äußert. Hiermit hat sich die gewöhnliche beschränkte Bedeutung von  Wille  selbst aufgehoben, denn ich muß jetzt auch noch einen anderen Willen  in mir  anerkennen, als den, der durch mein Gehirn hindurchgegangen und dadurch  mir  bewußt geworden ist. Nachdem diese Schranke der Bedeutung gefallen ist, können wir nicht umhin, den Willen nunmehr als immanente Ursache jeder Bewegung in Tieren zu fassen, welche nicht reflektorisch erzeugt ist. Auch möchte dies das einzige charakteristische und unfehlbare Merkmal für den uns bewußten Willen sein, daß er  Ursache  der vorgestellten Handlung ist; man sieht nunmehr, daß es etwas  für  den  Willen zufälliges  ist, ob er durch das  Hirnbewußtsein hindurchgeht odre nicht, sein Wesen bleibt dabei unverändert. Was durch das Wort "Wille" also hier bezeichnet wird, ist nichts als das in beiden Fällen wesensgleiche Prinzip. Will man aber beide Arten  Wille  in der Bezeichnung noch besonders unterscheiden, so bietet für den bewußten Willen die Sprache bereits ein diesen Begriff genau deckendes Wort:  Willkür,  während das Wort  Wille  für das allgemeine Prinzip beibehalten werden muß. Der Wille ist bekanntlich die Resultante aller gleichzeitigen Begehrungen; vollzieht sich dieser Kampf der Begehrungen im Bewußtsein, so erscheint er als Wahl des Resultats, oder  Willkür,  während die Entstehung des unbewußten Willens sich dem Bewußtsein entzieht, folglich auch der Schein der Wahl unter den Begehrungen hier nicht eintreten kann. Man sieht aus dem Vorhandensein dieses Wortes  Willkür,  daß die Ahnung eines Willens von  nicht  erkorenem Inhalt oder Ziel, dessen Handlungen dann also dem Bewußtsein nicht als frei, sondern als innerer Zwang erscheinen, im Volksbewußtsein auch schon längst vorhanden war.

Es ist nicht bloß die naheliegende Berufung auf die Vorgängerschaft SCHOPENHAUERs und auf die weitverbreitete Anerkennung (selbst im Ausland), zu welcher dessen Gebrauch des Wortes "Wille" bereits gelangt ist, sondern auch die Erwägung, daß kein anderes in der deutschen Sprache übliches Wort besser geeignet ist, das allgemeine Prinzip zu bezeichnen, um welches es sich hier und im Folgenden handelt. Das "Begehren" ist noch ein unfertiges, erst in der Bildung begriffenes, weil einseitiges und nocht nicht die Probe des Widerstandes anderer Begehrungen überstanden habendes Wollen, es ist nur ein Glied aus der psychologischen Werkstatt des Wollens, nicht der endgültige Gesamtausdruck der Betätigung des ganzen Individuums (höherer oder niederer Ordnung), es ist nur eine  Komponente  des Wollens, die infolge der Paralysierung durch entgegengesetzte andere Begehrungen dazu verurteilt werden kann, Velleität [bloße Willensregung ohne Tat - wp] zu bleiben. Wenn schon das "Begehren" nicht das "Wollen" ersetzen kann, so ist es der  "Trieb"  noch weniger imstande, da er nicht nur an derselben Einseitigkeit und Partialität wie das Begehren leidet, sondern auch nicht einmal wie dieses den Begriff der Aktualität in sich schließt, vielmehr nur die  latente Disposition  zu gewissen einseitigen Richtungen der Betätigung darstellt, welche, wenn sie infolge eines Motivs zur Aktualität hervortreten,  nicht mehr Trieb  sondern  Begehrungen  heißen. Jeder Trieb bezeichnet also eine bestimmte Seite nicht des Wollens, sondern des  Charakters,  d. h. die Disposition desselben, auf gewisse Motivklassen mit Begehrungen von bestimmter Richtung zu reagieren (z. B. Geschlechtstrieb, Wandertrieb, Erwerbstrieb usw.; vgl. die phrenologischen "Triebe" und "Grundvermögen"). Als spezifische Charakteranlagen gelten die Triebe mit Recht als die inneren Triebfedern des Handelns, wie die Motive als die äußeren. Der Trieb hat also als solcher notwendig einen bestimmten konkreten Inhalt, welcher durch die physischen Prädispositionen der allgemeinen Körperkonstitution und der molekularen Konstitution des Zentralnervensystem bedingt ist; der Wille hingegen steht als allgemeines formelles Prinzip der Bewegung und Veränderung überhaupt  hinter  den konkreten Dispositionen, welche, als durchlebt vom Willen gedacht, Triebe genannt werden, und betätigt sich in einem resultierenden Wollen, das seinen spezifischen Inhalt eben durch jenen angedeuteten psychologischen Mechanismus der Motive, Triebe und Begehrungen erhält (vgl. Kapitel B, IV). Wenngleich sich dieser Mechanismus in niederen Tieren und in den untergeordneten menschlichen Zentralorganen im Verhältnis zu dem im menschlichen Gehirn vereinfacht, so ist der doch vorhanden, und namentlich bei den Reflexbewegungen leicht kenntlich. Auch bei den selbständigen Funktionen des Rückenmarks und der Ganglien kann man sehr wohl z. B. die durch Ererbung angeborene materielle Prädisposition des verlängerten Marks zur Vermittlung der Atembewegungen einen "Atmungstrieb" nennen, wenn man nur nicht vergißt, daß hinter dieser materiellen Disposition das Prinzip des Willens steht, ohne welches sie so wenig in Funktion treten würde, wie etwa die angeborene Hirndisposition für das Mitleid, und daß die Ausübung der Atembewegungen selbst ein wirkliches  Wollen  ist, dessen Richtung und Inhalt durch jene Prädisposition mit bedingt ist.


II.
Die unbewußte Vorstellung bei der Ausführung
der willkürlichen Bewegung

Ich will meinen kleinen Finger heben und die Hebung desselben findet statt. Bewegt etwa mein Wille den Finger direkt? Nein, denn wenn der Armnerv durchschnitten ist, so kann der Wille ihn nicht bewegen. Die Erfahrung lehrt, daß es für jede Bewegung nur eine einzige Stelle gibt, nämlich die zentrale Endigung der betreffenden Nervenfasern, welche imstande ist, den Willensimpuls für diese bestimmte Bewegung dieses bestimmten Gliedes zu empfangen und zur Ausführung zu bringen. Ist diese eine Stelle beschädigt, so ist der Wille ebenso machtlos über das Glied, als wenn die Nervenleitung von dieser Stelle nach den betreffenden Muskeln unterbrochen ist. Den Bewegungsimpuls selbst können wir uns, abgesehen von der Stärke, für verschiedene zu erregende Nerven nicht füglich verschieden denken, denn da die Erregung in allen motorischen Nerven als gleichartig anzusehen ist, so ist es auch die Erregung am Zentrum, von welcher der Strom ausgeht; mithin sind die Bewegungen nur dadurch verschieden, daß die zentralen Endigungen verschiedener motorischer Fasern vom Willensimpuls getroffen werden und dadurch verschiedene Muskelpartien zur Kontraktion genötigt werden. Wir können uns also die zentralen Endigungstellen der motorischen Nervenfaser gleichsam als eine Klaviatur im Gehirn denken; der Anschlag ist, abgesehen von der Stärke, immer derselbe, nur die angeschlagenen Tasten sind verschieden. Wenn ich also eine ganz bestimmte Bewegung, z. B. die Hebung des kleinen Fingers beabsichtige, so kommt es darauf an, daß ich diejenigen Muskeln zur Kontraktion nötige, welche in ihrer kombinierten Wirksamkeit diese Bewegung hervorbringen, und daß ich zu diesem Zweck denjenigen Akkord auf der Klaviatur des Gehirns mit dem Willen anschlage, dessen einzelne Tasten die betreffenden Muskeln in Bewegung setzen. Werden bei diesem Akkord eine oder mehrere falsche Tasten angeschlagen, so entsteht eine mit der beabsichtigten nicht korrespondierende Bewegung, z. B. beim Versprechen, Verschreiben, Fehltreten, beim ungeschickten Greifen der Kinder usw. Allerdings ist die Anzahl der zentrale Faserendigungen im Gehirn bedeutend kleiner, als die der motorischen Fasern in den Nerven, indem durch eigentümliche, in Kapitel V. zu besprechende Mechanismen für die gleichzeitige Erregung vieler peripherischer Fasern durch  eine  zentrale Faser Sorge getragen ist; indessen ist doch die Anzahl der dem bewußten Willen unterworfenen, mithin vom Gehirn zu leitenden verschiedenen Bewegungen schon für jedes einzelne Glied durch tausend kleine Modifikationen der Richtung und Kombination groß genug, für den ganzen Körper aber geradezu unermeßlich, so daß die Wahrscheinlichkeit unendlich klein sein würde, daß die bewußte Vorstellung vom Heben des kleinen Fingers ohne eine kausale Vermittlung mit dem wirklichen Heben zusammentrifft. Unmittelbar kann offenbar die bloß geistige Vorstellung vom Heben des kleinen Fingers auf die zentralen Nervenenden nicht wirken, da beide miteinander gar nichts zu tun haben; der bloße Wille als Bewegungsimpuls aber wäre absolut blind, und müßte daher das Treffen der richtigen Tasten dem reinen Zufall überlassen. Wäre überhaupt keine kausale Verbindung da, so könnte die Übung hierfür auch nicht das mindeste tun; denn niemand findet in seinem Bewußtsein eine Vorstellung oder ein Gefühl dieser unendlichen Menge von zentralen Endigungen; also wenn zufällig einmal oder zweimal die bewußte Vorstellung des Fingerhebens mit der ausgeführten Bewegung zusammengetroffen wäre, so würde durchaus kein Anhalt für die Erfahrung des Menschen hieraus resultieren, und beim dritten Mal, wo er den Finger heben will, der Anschlag der richtigen Tasten ebensosehr dem Zufall überlassen bleiben, wie in den früheren Fällen. Man sieht also, daß die Übung nur dann für die Verknüpfung von Intention und Ausführung etwas tun kann, wenn eine kausale Vermittlung beider vorhanden ist, bei welcher dann allerdings der Übergang von einem zum anderen Glied durch die Wiederholung des Prozesses erleichtert wird; es bleibt demnach unsere Aufgabe, diese kausale Vermittlung zu finden; ohne dieselbe wäre Übung ein leeres Wort. Außerdem ist sie aber in den meisten Fällen gar nicht nötig, nämlich bei fast allen Tieren, die bei den ersten Versuchen schon ebenso geschickt laufen und springen, wie nach langer Übung. Daraus geht auch zweitens hervor, daß alle Erklärungsversuche ungenügend sind, welche eine solche kausale Vermittlung einschieben, die nur durch eine zufällige Assoziation von Vorstellung und Bewegung erkannt werden kann; z. B. das bewußte Muskelgefühl der intendierten Bewegung, das nur aus früheren Fällen gewonnen und dem Gedächtnis eingeprägt werden kann, könnte allenfalls für den Menschen als Erklärung gebraucht werden, aber nicht für den bei weitem größeren Teil der Naturwesen, die Tiere, da sie vor jeder Erfahrung von Muskelgefühl schon die umfassendsten Bewegungskombinationen nach der bewußten Vorstellung des Zwecks mit staunenswerter Sicherheit ausführen; z. B. ein auskriechendes Insekt, das seine sechs Beine so richtig in der Ordnung zum Gehen bewegt, als wenn es ihm gar nichts Neues wäre, oder eine eben schlüpfende Brut Rebhühner, die von einem Haushuhn im Stall ausgebrütet, regelmäßig trotz aller Vorsichtsmaßregeln sofort die Bewegungsmuskeln ihrer Beine richtig dazu gebrauchen, um die Freiheit ihrer Eltern wieder zu erobern, auch ihren Schnabel vollständig so zum Aufpicken und Verzehren eines ihnen begegnenden Insekts zu brauchen wissen, als ob sie das schon hundert Mal getan hätten.

Man könnte ferner daran denken, daß die Gehirnschwingungen der bewußten Vorstellung: "ich will den kleinen Finger heben", an dem selben Ort im Gehirn vor sich gehen, an dem das zentrale Ende der betreffenden Nerven liegt; dies ist aber anatomisch falsch, da die bewußten Vorstellungen im großen Gehirn, die motorischen Nervenenden aber im verlängerten Mark oder kleinen Gehirn liegen. Ebensowenig kann eine mechanische Fortleitung der Schwingungen der bewußten Vorstellung nach den Nervenenden eine Erklärung für das Anschlagen der richtigen Tasten bieten; außer man müßte annehmen, daß die bewußte Vorstellung: "ich will meinen kleinen Finger heben", an einer  anderen Stelle  im großen Gehirn vor sicht geht als die andere bewußte Vorstellung: "ich will meinen Zeigefinger heben" und daß jede der Stellen des großen Gehirns, welche einer besonderen Vorstellung über irgendeine auszuführende Bewegung entspricht, durch einen angeborenen Mechanismus gerade nur mit dem Zentralende der zur Ausführung dieser Vorstellungen erforderlichen motorischen Nerven in Verbindung steht. Die Konsequenzen dieser sonderbaren Annahmen wäre noch sonderbarer, es müßte z. B. die bewußte Vorstellung: "ich will die fünf Finger der rechten Hand heben" in den fünf Stellen des Großhirns  gleichzeitig  vor sich gehen, welche den Einzelvorstellungen der fünf Fingerhebungen angehören, während man doch viel mehr geneigt sein dürfte, anzunehmen, daß die Vorstellungen, den oder die Finger Nummer so und so heben zu wollen, im materiellen Substrat des Denkens sich untereinander durch eine geringe Modifikation der Schwingungsform als durch fest abgegrenzte Bezirke unterscheiden werden. Wäre es ferner allein die Fortpflanzung der von einer solchen bewußten Vorstellung herrührenden Molekularschwingungen zu den Zentralenden der motorischen Nerven, welche ausreicht, um die Bewegung auszulösen, so müßte eine solche bewußte Vorstellung: "ich will den kleinen Finger heben",  immer und allemal  die Bewegung hervorrufen; nicht nur müßte bei so einem durch Fixierung und Isolierung der Leitungen hergestellten Mechanismus ein Fehlgreifen  unmöglich  sein, sondern es müßte dann auch jener unsagbare Impuls des Willens überflüssig sein, der, wie die Erfahrung lehrt, zu den Schwingungen jener bewußten Vorstellung er noch  hinzukommen  muß, ehe eine Wirkung eintritt. Wo kein Fehlgreifen möglich wäre, wäre schließlich auch keiner sicherer- oder fester-Werden egal durch welche Einflüsse denkbar; es könnte also auch die Übung keinen Einfluß auf die kausale Vermittlung zwischen bewußter Vorstellung und ausgeführter Bewegung haben. Diese Folgerung widerspricht aber der Erfahrung ebenso wie die Unmöglichkeit des Fehlgreifens, und diskreditiert daher rückwärts die Hypothese eines Leitungsmechanismus. Gesetz aber wirklich, es gäbe einen solchen Mechanismus, so würde der Materialismus weiter annehmen müssen, daß er ererbt, und in irgenwelchen früheren Vorfahren allmählich durch Übung und Gewohnheit entstanden ist. Bei dieser Entstehungsgeschichte aber würde bei dem jedesmal entstehenden Teil dieses Mechanismus das Problem der Möglichkeit einer kausalen Verknüpfung zwischen bewußter Vorstellung und Ausführung der Bewegung doch wiederum in der Gestalt auftauchen, wie wir es jetzt vor uns haben, nämlich  ohne Hilfe  eines solchen schon bestehenden Mechanismus für den gegebenen Fall. Die Theorie der Leitungsmechanismen würde also doch unser Problem nur nach rückwärts  verschieben,  nicht  lösen,  und die unten gegebene  Lösung  würde selbst dann, wenn jene Theorie richtig wäre, die einzig mögliche sein.

Um endlich noch einmal auf das Einschieben des Muskelgefühls der intendierten Bewegung aus der Erinnerung früherer Fälle von zufälliger Assoziation zurückzukommen, so zeigt sich diese Erklärung nicht nur einseitig und unzulänglich, weil sie höchstens den Anspruch machen könnte, die Möglichkeit der Übung und Vervollkommnung bei einer  bereits bestehenden  kausalen Verbindung, aber nicht diese selbst erklären zu wollen, sondern weil sie in der Tat auch  nicht einmal jene erklärt,  sondern auch nur das Problem um eine Stufe verschiebt. Vorher nämlich sah man nicht ein, wie das Treffen der richtigen Gehirntasten durch den Willensimpuls, durch die Vorstellung des Fingerhebens bewirkt werden soll; jetzt sieht man nicht ein, wie dasselbe durch die Vorstellung des Muskelgefühls im Finger und Unterarm bewirkt werden soll, da das  eine  mit der Lage der motorischen Nervenenden im Gehirn so wenig etwas zu tun hat, wie das andere; auf diese kommt es aber an, wenn der richtige Erfolg eintreten soll. Was soll eine Vorstellung, die sich auf den Finger bezieht, für die Auswahl des im Gehirn vom Willen anzuregenden Punktes für einen direkten Nutzen haben? Daß die Vorstellung des Muskelgefühls  bisweilen,  aber verhältnismäßig selten, vorhanden ist, leugne ich keineswegs; daß sie, wenn sie vorhanden ist, eine vermittelnde Übergangsstufe zur Bewegung sein  kann,  leugne ich ebensowenig, aber das leugne ich, daß für das Verständnis der gesuchten Verbindung mit dieser Einschaltung etwas gewonnen ist, - das Problem ist nach wie vor da, nur um einen Schritt verschoben. Diese Einschaltung hat übrigens umso weniger Bedeutung, als in der größten Zahl der Fälle, wo ein solches Muskelgefühl vor der Bewegung überhaupt existiert, es  unbewußt  existiert.

Fassen wir noch einmal zusammen, was wir über das Problem wissen, dann wird die Lösung sich von selbst aufdrängen. Gegeben ist ein Wille, dessen Inhalt die bewußte Vorstellung des Fingerhebens ist; erforderlich als Mittel zur Ausführung ein Willensimpuls auf den bestimmten Punkt  P  im Gehirn; gesucht die Möglichkeit, wie dieser Willensimpuls gerade nur den Punkt  P  und keinen anderen trifft. Eine mechanische Lösung durch Fortpflanzung der Schwinungen erschien unmöglich, die Übung vor der Lösung des Problems ein leeres, sinnloses Wort, die Einschaltung des Muskelgefühls als bewußten kausalen Zwischengliedes einseitig und nichts erklärend. Aus der Unmöglichkeit einer mechanischen materiellen Lösung folgt, daß die Zwischenglieder geistiger Natur sein müssen, aus dem entschiedenen Nichtvorhandensein genügender bewußter Zwischenglieder folgt, daß dieselben unbewußt sein müssen. Aus der Notwendigkeit eines Willensimpulses auf den Punkt  P  folgt, daß der bewußte Wille, den Finger zu heben, einen unbewußten Willen, den Punkt  P  zu erregen, erzeugt, um durch das Mittel der Erregung von  P  den Zweck des Fingerhebens zu erreichen; und der Inhalt dieses Willens,  P  zu erregen, setzt wiederum die unbewußte Vorstellung des Punktes  P  voraus (vgl. Kapitel A, IV). Die Vorstellung des Punktes  P  kann aber nur in der Vorstellung seiner Lage zu den übrigen Punkten des Gehirns bestehen, und hiermit ist das Problem gelöst: "jede willkürliche Bewegung setzt die unbewußte Vorstellung der Lage der entsprechenden motorischen Nervenenden im Gehirn voraus." Jetzt ist auch begreiflich, wie den Tieren ihre Fertigkeit angeboren ist, es ist ihnen eben jene Kenntnis und die Kunst ihrer Anwendung angeboren, während der Mensch infolge seines bei der Geburt noch unreifen und breiigen Gehirns erst allmählich durch längere Übung dazu gelangt, die angeborene unbewußte Kenntnis zur sicheren Fertigkeit der Innervation [Nervenimpulse - wp] zu verwerten. Jetzt ist auch verständlich, wie das Muskelgefühl bisweilen als Zwischenglied auftreten kann; es verhält sich nämlich die Erregung dieses Muskelgefühls zum Heben des Fingers auch wie das Mittel zum Zweck, jedoch so, daß es der Vorstellung der Erregung des Punktes  P  schon eine Stufe näher steht, als die Vorstellng des Fingerhebens; es ist also ein Zwischenmittel, das eingeschoben werden kann, aber noch besser übersprungen wird.

Wir haben also als feststehendes Resultat zu betrachten, daß jede noch so geringfügige Bewegung, sei dieselbe aus bewußter oder unbewußter Intention entsprungen, die unbewußte Vorstellung der zugehörigen zentralen Nervenenden und den unbewußten Willen der Erregung derselben voraussetzt. Hiermit sind wir zugleich über die Resultate des ersten Kapitels weit hinaus gegangen. Dort war nur von relativ Unbewußtem die Rede; dort sollte der Leser nur an den Gedanken gewöhnt werden, daß geistige Vorgänge innerhalb seiner (als eines einheitlichen geistig-leiblichen Organismus) existieren, von denen  sein  Bewußtsein (d. h. sein Hirnbewußtsein) nichts ahnt, jetzt aber haben wir geistige Vorgänge angetroffen, die, wenn sie im Gehirn nicht zum Bewußtsein kommen, für die anderen Nervenzentra des Organismus erst recht nicht bewußt werden können, wir haben also etwas für das ganze Individuum Unbewußtes gefunden.
LITERATUR - Eduard von Hartmann, Philosophie des Unbewußten, Berlin 1870
    Anmerkungen
    1) Man hat sich hierbei stets gegenwärtig zu halten, daß es für einen Allwissenden in den Ereignissen überhaupt keine Wahrscheinlichkeit, sondern bloß Notwendigkeit gibt, und daß nur unsere Unwissenheit die Ungewißheit ermöglicht, welche die Bedingung jeder Wahrscheinlichkeitsrechnung ist. Nur wenn unsere Unwissenheit relativ allzugroß wird im Verhältnis zum Wissen, das wir zum Rechnungsansatz verwerten, nur dann wird der wahrscheinliche Fehler, den jeder Wahrscheinlichkeitskoeffizient an sich hat, so groß, daß er den Wert desselben illusorisch macht. Andernfalls wenn die wahrscheinlichen Fehler im Ansatz sich in bescheidenen Grenzen halten, wird der wahrscheinliche Fehler im Resultat in unseren Exempeln unerheblich klein.
    2) Die wirkliche  Unabhängigkeit  der zusammenwirkenden Bedingungen voneinander in einem bestimmten gegebenen Fall zu konstatieren, kann oft sehr schwer und eine Hauptquelle des Irrtums sein; diese materielle Schwierigkeit in der praktische Anwendung geht uns aber hier nichts an, wo es sich nur um die Feststellung der formalen Seite des zweckerkennenden Denkprozesses handelt.