cr-4cr-2ra-1P. RéeF. RittelmeyerW. EggenschwylerG. BrandesNietzsche    
 
RUDOLF EISLER
Nietzsches Erkenntnistheorie
[2/2]

"Jedes Wort wird sofort dadurch Begriff, daß es eben nicht für das einmalige ganz und gar individualisierte Urerlebnis, dem es sein Entstehen verdankt, etwa als Erinnerung dienen soll, sondern zugleich für zahllose, mehr oder weniger ähnliche, das heißt streng genommen niemals gleiche, also auf lauter ungleiche Fälle passen muß. Jeder Begriff entsteht durch Gleichsetzen des Nichtgleichen. Das Übersehen des Individuellen und Wirklichen gibt uns den Begriff."

"Denn  esse  heißt ja im Grunde nur atmen: wenn es der Mensch von allen anderen Dingen gebraucht, so überträgt er die Überzeugung, daß er selbst atmet und lebt, durch eine Metapher, das heißt durch etwas Unlogisches, auf die anderen Dinge und begreift ihre Existenz als atmen nach menschlicher Analogie."

"Einen Reiz als Tätigkeit zu empfinden, etwas Passives aktiv zu empfinden, ist die erste Kausalitätsempfindung. Der innere Zusammenhang von Sinnes-Reiz und -Tätigkeit übertragen auf alle Dinge ist Kausalität. An unseren Sinnesfunktionen denken wir uns die Welt, das heißt: wir setzen überall eine Kausalität voraus, weil wir selbst solche Veränderungen fortwährend erleben."

"Im Ansich gibt es nichts von Kausalverbänden, von Notwendigkeit, von psychologischer Unfreiheit, da folgt nicht die Wirkung auf die Ursache, da regiert kein Gesetz. Wir sind es, die allein die Ursachen, den Zwang, die Zahl, das Gesetz, die Freiheit, den Grund, den Zweck, erdichtet haben; und wenn wir diese Zeichenwelt als ansich in die Dinge hineindichten, hineinmischen, so treiben wir es noch einmal, wie wir es immer getrieben haben, nämlich mythologisch."


V. Die Kategorien des Erkennens

Von den allgemeinsten Begriffen, die den Grundbestand allen Erkennens bilden, glaubt der  Empirismus daß sie nichts weiter sind als komplizierte Vorstellungen, Synthesen von Empfindungen oder Abstraktionen aus solchen. Die Gewißheit, mit der wir in der Anwendung von Grundbegriffen wie  Wirken, Kraft, Ding  und dgl. verfahren, leitet der Empirist aus der wiederholten Erfahrung, aus dem Verfahren der Induktion, der Verallgemeinerung des in einer Reihe bedeutsmer Fälle Gefundenen für alle weiteren Fälle, ab. Kurz, dem Empiristen gilt es als sicher, daß die Kategorien sich in nichts von den sonstigen, empirisch erworbenen Begriffen unterscheiden, daß deren Inhalt in der Erfahrung schon mitgegeben und höchstens von uns zu Bewußtsein gebracht ist. Ist der Empirist bezüglich der Frage nach dem Gegenstand der Erkenntnis Realist, so gelten ihm die Kategorien für die Dinge nicht bloß wie sie sich uns im Bewußtsein darstellen, sondern auch ansich. Der idealistische Empiriker hingegen kann natürlich nur eine immanente Bedeutung der Kategorien anerkennen.

Vom eigentlichen Empirismus unterscheidet sich der kritische "Skeptizismus" eines HUME dadurch, daß er weder den empirischen noch den rationalen Ursprung der Grundbegriffe wie Kausalität, Substanz, zugibt. Die Erfahrung, sagt er, lehrt uns nichts über das Vorhandensein absolut beharrender Wesen, auch nehmen wir niemals ein "Wirken" wahr, es gibt kein objektives Band, das von der "Ursache" zur "Wirkung" führt. Andererseits kommt die Vernunft aus sich heraus, a priori, in keiner Weise zum Begriff der Wirkung einer bestimmten Ursache. Die Kategorien, schließt HUME, sind nichts als Produkte der Assoziation und Einbildungskraft, sie beruhen auf einem rein subjektiven Glauben, daß, weil in vielen Fällen ein Vorgang  A  wahrgenommen wurde, mit dem sich ein Vorgang  B  verband, nun auch in weiteren Fällen auf  A  das  B  folgen muß. Dieses "Müssen", die kausale "Notwendigkeit" liegt keineswegs in den Dingen selbst, sondern es hat rein psychologischen Charakter: wir sind es, die vermöge der Natur und Gesetzmäßigkeit unseres Bewußtseins nicht anders können, als den Eintritt der Wirkung nach dem Auftreten der Ursache zu  erwarten,  oder zu einem gegebenen Vorgang die Ursache zu suchen (1). Zugleich erklärt HUME, noch konsequenter als BERKELEY und auch die Schar der idealistischen Positivisten (JOHN STUART MILL u. a.): "Dinge" (Substanzen) sind nichts als Komplexe von Sinnesqualitäten, die von uns für objektive Wesenheiten gehalten werden, es sind im Grunde nur Komplexe von Wahrnehmungen und Wahrnehmungsmöglichkeiten, die wir "Dinge" nennen.

Im vollsten Gegensatz zum Empirismus setzt der  Rationalismus  älterer Zeit voraus, daß die Grundbegriffe wie  Sein, Substanz, Kausalität ... nicht aus der Erfahrung ihre Provenienz [Herkunft - wp] haben, sondern daß ihre Quelle im Denken, in der Vernunft liegt. Die Lehre von den "angeborenen" Begriffen meint (in ihrer besseren Gestalt), daß unser Denken  von vornherein so angelegt  ist, daß es  bei Gelegenheit (Veranlassung) der Erfahrung aus sich heraus, mit  größter Sicherheit und Gewißheit (Evidenz) die Grundbegriffe produziert und mittels dieser den Inhalt der Erfahrung formt. Hierbei aber angenommen, daß die Kategorien sich direkt auf das Ansich der Dinge, auf die für das Bewußtsein transzendente Wirklichkeit beziehen, sei es, weil wir in einem Zustand der Präexistenz im "Jenseits" (PLATO) die Dinge-ansich unmittelbar geschaut haben und uns jetzt, bei Gelegenheit der Erfahrung, gleichsamm an das Geschaute erinnern (Anamnesis) (2), oder sei es, weil eine gewisse prästabilierte [vorgefertigte - wp], vorherbestimmte Harmonie zwischen unserem Denken und der Wirklichkeit besteht, derzufolge das notwendig Gedachte mit dem Seienden kongruent, konform sein muß. Daß das notwendig zu Denkende auch wirklich ist, das ist der Grundgedanke allen  Ontologismus,  wie er bei den Eleaten, bei PLATO und ARISTOTELES, bei den Scholastikern, bei DESCARTES, SPINOZA, LEIBNIZ und WOLFF, auch bei HEGEL und anderen neueren Denkern auftritt.

Einen neuen Standpunkt nimmt bekanntlich der Königsberger Philosoph ein. KANTs Lehre ist sicherlich keine Mischung von Empirismus und Rationalismus, sondern ein genialer Versuch, sich über beide Parteien durch originelle schärfste Kritik des Erkenntnisvermögens zu erheben. Aber den Einflüssen, denen er sowohl seitens des Rationalismus, aus dessen Schule er kam und den er nie ganz los wurde, als auch seitens des "Skeptizismus" HUMEs unterlag, ist es teilweise zuzuschreiben, daß die Einseitigkeiten und Gegensätze in der Vernunftkritik doch nicht völlig überwunden sind. Mit HUME behauptet KANT: die Kategorien gelten nicht für die Wirklichkeit ansich, sondern nur für die Welt objektiver Bewußtseinsinhalte. Mit dem Empirismus teilt er die Überzeugung, daß es keinerlei "angeborene" Begriffe gibt, daß zu aller Erkenntnis Erfahrung gehört. Aber wenn er auch den Rationalismus in seiner alten, unkritischen Form geradeso wie den dogmatischen Empirismus bekämpft, so ist KANT doch weit entfernt, mit jenem ganz zu brechen. Denn es ist für ihn ausgemacht, daß eine solche Gewißheit und Notwendigkeit, eine solche allgemeine Geltung, wie sie den Kategorien (wie in den Anschauungsformen) zukommt, nicht Produkt der Erfahrung, der Induktion oder Assoziation sein kann. Die Notwendigkeit der Anwendung der Grundbegriffe entstammt weder der Erfahrung noch der Phantasie, sie ist nicht psychologisch-subjektiver, individuell-menschlicher Art. Die Kategorien sind zwar nicht angeboren, aber  a priori,  d. h. wir haben sie nicht eher im Bewußtsein, als wir sie in und mit der Erfahrung gebildet haben, aber sobald und wenn wir sie auf die Erfahrung anwenden, geschieht dies mit einer "Apodiktizität", d. h. mit der Gewißheit einer unbedingten Geltung dieser Begriffe. Vermöge unserer Intelligenz, der allgemeinen, in allen Individuen gleichartigen, in diesem Sinne also  überindividuellen  Vernunft und ihrer immanenten Gesetzmäßigkeit sind wir genötigt, logisch, nicht psychologisch dazu determiniert, den Stoff der Erfahrung in bestimmter Weise zu ordnen und zu gliedern. Erst aus dem Zusammen des Erfahrungsmaterials und der apriorischen, transzendentalen "Formen" des Anschauens und des Denkens erwächst wirkliche Erfahrung, wirkliche Erkenntnis. Die Bedingungen aller Erfahrung können nach KANT nicht Ergebnisse der Erfahrung sein, diese setzt jene immer schon (logisch) voraus. Jeder Schritt im Erkennen stützt sich schon auf die Anwendung der Kategorien. Da nun aber diese nicht aus der Erfahrung stammen, sondern in letzter Linie aus der  Einheit des Ich,  die in allen Individuen die gleiche ist, und sie nur dazu dienen, Ordnung und Gesetzmäßigkeit im Chaos der Vorstellungen herzustellen, ist ihre Gültigkeit eine rein immanente, beziehen sie sich nur auf "Erscheinungen". Vom "Ding-ansich" ausgesagt, verlieren die Kategorien ihren Sinn, ihre Bedeutung. Da wir aber aus den Formen unseres Anschauens und Denkens nicht herauskommen, so gibt es für uns keine Erkenntnis der Dinge, wie sie ansich, unabhängig von der Art, wie wir sie perzipieren und apperzipieren, sein mögen (3).

Während der Rationalismus als Grund der Apriorität der Grundbegriffe eine metaphysische Präexistenz oder eine von Gott hergestellte Harmonie stillschweigend oder ausdrücklich voraussetzt, begnügt sich KANT mit der Konstatierung dieser Apriorität und Evidenz. Genauer zugesehen zeigt es sich, daß ihm als eigentlicher Grund der Existenz solcher Kategorien und Anschauungsformen die Möglichkeit der Erfahrung und Erkenntnis erscheint. Wir ordnen das Erfahrungsmaterial in Kategorien, weil die "Einheit der transzendentalen Apperzeption", die Ichheit es so fordert, zugleich aber liegt das Motiv der Anwendung der Kategorien, der denkenden Betätigung des erkennenden Subjekts in der Notwendigkeit und dem Willen, Erfahrungen zu machen, zu sammeln, zu registrieren, sie zu Erkenntnissen zu verarbeiten. Es steckt in der kantischen Erkenntnistheorie der Keim zu einer  teleologischen  Auffassung der Erkenntnisformen, und in der Tat wurde er später von Anhängern der Evolutionstheorie zur Entfaltung gebracht, nicht ohne daß die Aprioritätslehre einen sonderbaren Anstrich erhielt. In anderer, dem Kritizismus adäquateren Weise, stellte schon FICHTE den Erkenntnisprozeß als einen teleologischen Vorgang dar. -

Dieser kurze Exkurs ber die Lehre vom Ursprung und der Geltung unserer Grundbegriffe war notwendig, um Klarheit über die Stellung zu verschaffen, die NIETZSCHE bezüglich dieses Problems einnimmt.

Wir sahen, daß ihm die Logik auf einer biologisch begründeten, rein subjektiven Verarbeitung des Gegebenen aufgebaut erscheint. Die Grundvoraussetzung aller Denkgesetze, meint er, ist die (irrtümliche) Annahme, daß die Wirklichkeit aus beharrenden Dingen besteht. Es wird eine Gleichheit von Dingen, eine Identität desselben Dinges auf der Grundlage ungenügender Erfahrung und durch eine phantasievolle Erdichtung vorausgesetzt. (4) Nichts zwingt aber zur Annahme, daß die logischen Axiome für die Wirklichkeit Geltung haben. So ist z. B. der  Satz des Widerspruchs  kein Kriterium der Wahrheit, er sagt nur aus, was uns als wahr gelten soll, bezeichnet nur unser subjektives Unvermögen, Ein und dasselbe zu bejahen und zu verneinen. (5) Es ist NIETZSCHE zuzugeben, daß die Denkgesetze als solche nichts anderes sind als  Normen  für unser Denken. Aber sie sind doch mehr als der Ausdruck "subjektiven Unvermögens", denn sie fordern, daß man sich in allen seinen Denkakten  treu bleibt,  weil infolge eines mangelhaften Gedächtnisses oder unzureichender Einsicht sich subjektiv häufig Widersprüche einstellen. Der Satz des Widerspruchs verlangt, wir sollen von einem einmal aufgestellten Begriff nichts aussagen, was seinem Inhalt zuwider ist, den Begriff wieder aufhebt. Folgten wir nicht ausschließlich diesem Denkgesetz und den damit eng verknüpften Sätzen der Identität und des Grundes, die alle darauf hinauslaufen, daß unser Denken  einheitlich, kontinuierlich, motiviert, konsequent  ist, so wären wir nicht imstande, den Zusammenhang der Erfahrungen in Urteilen und Begriffen nachzukonstruieren, d. h. Wahrheit, Erkenntnis zu gewinnen. Mit der Welt der "Dinge ansich haben die Denkgesetze allerdings nichts direkt zu schaffen, womit natürlich nicht gesagt ist, daß jene den logischen Gesetzen nicht konform sein können.

Wie die Gesetze der Logik, so führt NIETZSCHE auch die Erzeugnisse des Denkens, die  Begriffe  auf Mängel des Gedächtnisses, Fiktionen der Phantasie, Schematisierung zum Zweck der Lebenserhaltung und Tatsachenbeherrschung zurück.
    "Jedes Wort wird sofort dadurch Begriff, daß es eben nicht für das einmalige ganz und gar individualisierte Urerlebnis, dem es sein Entstehen verdankt, etwa als Erinnerung dienen soll, sondern zugleich für zahllose, mehr oder weniger ähnliche, das heißt streng genommen niemals gleiche, also auf lauter ungleiche Fälle passen muß. Jeder Begriff entsteht durch Gleichsetzen des Nichtgleichen. Das Übersehen des Individuellen und Wirklichen gibt uns den Begriff." (6)
Wir bilden Begriffe von Individuen, Arten, Gattungen und meinen, die Wirklichkeit sei so beschaffen, wie wir sie schematisieren. Dem ist aber nicht so, denn der Gegensatz von Individuum und Gattung ist anthropomorphisch. NIETZSCHE ist entschiedener  Nominalist die Begriffe sind rein subjektiv, in der Wirklichkeit gibt es nur einen kontinuierlichen Fluß des Geschehens, den wir mehr oder weniger willkürlich abteilen, gliedern, um dann die Teilungsstücke im Denken zu fixieren. Das ist aber schon, was NIETZSCHE nicht bemerkt, eine metaphysische Hypothese, denn die Erfahrung zeigt uns neben Veränderung und Werden auch Zustände der Ruhe, des Beharrens, des Seins. Erst allmählich lernen wir da, wo wir früher Ruhe, Beharren sahen, Veränderung kennen, aber um ein durchgängiges Werden anzunehmen, müssen wir die unmittelbare Erfahrung überschreiten; dann können wir behaupten, daß die Dinge in ihren Qualitäten nur zu beharren scheinen, in Wahrheit aber sich stetig verändern. Relatives Sein, als langsame, stetige Veränderung, bleibt auch dann neben dem Werden bestehen. Die Erkenntnistheorie findet eben, daß absolutes Sein und absolutes Werden Verabsolutierungen sind, denen in der empirischen Wirklichkeit nur ein relatives Sein, ein relatives Werden entspricht, wodurch der Gegensatz zwischen diesen beiden Grundbegriffen aufgehoben erscheint. Sehen wir vorläufig von ihnen ab, machen wir uns nur klar, daß der Inhalt unserer Begriffe als solcher, d. h. als Komplex abstrakter Eigenschaften, keine Sonderexistenz besitzt, daß jedoch die Begriffe insofern objektiv sind, da die Merkmale, die sie umspannen, sich an bestimmten Gruppen von Dingen vorfinden lassen. Jeder Begriff ist die Synthese und Fixierung einer Reihe von Merkmalen, für die es gleichgültig ist, ob sie diesem oder jenem Repräsentanten der Gruppe, der wir sie entnehmen, gehören. Daß die Gleichheit der Merkmale, derentwegen wir einen Begriff bilden, keine absolute ist, kommt hier nicht in Betracht. Logisch muß nur gefordert werden, daß diese Gleichheit der Merkmale, um derentwillen verschiedene Dinge oder Vorgänge in eine Klasse gereiht, unter einen Begriff gebracht werden, durch schärfste Wahrnehmung, genaueste Vergleichung, weitestgehende Analyse gesetzt wird. Die Realität unserer Begriffe, die ja nichts anderes als Niederschläge von Urteilen sind, besteht darin, daß die Wirklichkeit in einem empirischen Sinn, d. h. die Welt geordneter Erfahrungs- und Denkinhalte, wie sie durch strengste wissenschaftliche Forschung immer wieder erkannt wird, all jene Merkmale, die im subjektiven Begriff zusammengefaßt werden, an den Gegenständen der betreffenden Art aufweist. Da aber die Forschung beständig fortschreitet, und genötigt ist, bald neue Merkmale, die im subjektiven Begriff zusammengefaßt werden, an den Gegenständen der betreffenden Art aufweist. Da aber die Forschung beständig fortschreitet, und genötigt ist, bald neue Merkmale in die Begriffe aufzunehmen, bald alte, weil als unwesentlich, nicht wirklich allgemein und charakteristisch befunden, aus ihnen zu eliminieren, sind die Begriffe im Verhältnis zu den Vorstellungen zwar etwas Konstantes, Objektiveres, aber sie ermangeln, mit Ausnahme der Grundbegriffe alles Erkennens, der absoluten Beständigkeit und Starrheit. -

Die  Kategorien bemerkt NIETZSCHE, zeichnen sich durch eine besondere subjektive Gewißheit aus. Diese habe die Philosophie (Rationalisten, Kantianer) dazu verführt, zu schließen, daß die Kategorien nicht aus der Erfahrung, die nur Wahrscheinlichkeit, nicht unbedingte Notwendigkeit gewährt, stammen können; die ganze Empirie stehe zu ihnen in Widerspruch, daher suchte man die Quelle der Kategorien in einer  höheren,  überempirischen, präempirischen Welt. Statt dessen, meint NIETZSCHE, hätte man den Ursprung der Kategorien in eine  niedere  Welt verlegen sollen. (7) Schuld an der Bildung der Fundamentalbegriffe, in welche wir den Stoff der Erfahrung einkleiden, ist die primitive menschliche Natur mit ihrer rohen Psychologie, ihrem Glauben an das Seelending, das Ich. So entstammen die Kategorien aus der mythenbildenden Phantasie, die in alles Erlebte ein Ich hineinlegt, alles nach menschlicher Art deutet. Indem die Sprache der Zeit dieser rohen Weltauffassung entstammt, überträgt sie all die Grundirrtümer unserer "Vernunft" auf die Objekte des Erkennens. Das primitive Denken sieht überall Täter und Tun, es glaubt an den Willen als Ursache überhaupt, hält das Ich für ein Sein, eine Substanz; damit schafft es erst den Begriff "Ding" (8). In Interpretationen, Metaphern, Wertungen wurzeln die Kategorien  Ding (Substanz),  Sein, Kausalität, Zweck ... Erst fingieren wir, infolge ungenügender Wahrnehmung und Analyse in uns selbst ein Ich, dann projizieren wir es in die Außenwelt, und nun erscheint sie uns als ein Komplex von Substanzen. (9) Eine solche Welt von Ichs und von Dingen entspricht unseren Wünschen, unserem Verlangen nach einer Welt des Bleibenden, in der wir unser Glück finden, wenn unser Wille zur Macht dem Werden nicht gewachsen ist. (10) Unter vielem Tasten und Herumgreifen haben sich die Kategorien durch eine  relative Nützlichkeit  bewährt, bewiesen sie sich als lebenbedingend. Später faßte man sie zusammen und befahl sie als gültig, sie wirkten nun als befehlend und galten von jetzt an als a priori, als jenseits der Erfahrung, als unabweisbar. Und doch drücken sie wohl nichts aus als eine bestimmte Rassen- und Gattungs-Zweckmäßigkeit, ihre Nützlichkeit ist ihre "Wahrheit". (11)

Eine weiter eingehende Kritik können wir der Kategorienlehre NIETZSCHEs erst dann zuteil werden lassen, wenn wir seine Deduktion der einzelnen Grundbegriffe kennengelernt haben werden. Hier sei nur bemerkt, daß diese Lehre einen richtigen Gedanken enthält, nämlich daß durch di Anwendung der Kategorien auf die Objekte des Erkennens diese zu  Ich-artigen Wesen  gemacht, daß sie nach Analogie des eigenen Ichs gedeutet werden. In und mit den Kategorien  projizieren  wir unser Innensein auf die Gegenstände der Außenwelt, wir bereichern so die äußere Erfahrung um den Befund der inneren (12). Die  Funktion  der Kategorien ist, im Bewußtseinsimmanenten ein  Transzendentes  zu setzen, die Objekte zu  Subjekten  zu gestalten. Das Für-uns-sein der Dinge erhält so eine Stütze in deren Für-sich-sein. Die volle Unabhängigkeit der Dinge von unserem Ich wird durch die Kategorien postuliert. In zwei Punkten müssen wir NIETZSCHE entgegentreten. Erstens ist die Motivierung der Anwendung der Kategorien durch die Erfahrung viel mehr zu betonen als dies von NIETZSCHE geschieht, der ja geradezu eine  Inkongruenz  der Kategorien und der Erfahrungstatsachen behauptet. Zweitens ist die innere Erfahrung, methodisch und mittels Analyse weitergeführt, unmittelbare Erkenntnis, ihr Inhalt ist so, wie er erfahren wird und wird erfahren, wie er ist. Aus diesem zweiten Moment folgt, daß, wenn die Anwendung der Kategorien auf die Objekte der äußeren Erfahrung sich als berechtigt erweist, mit ihre eine zumindest mittelbare Erkenntnis des Ansich der Dinge möglich ist. Dann ist also die Deutung der Objekte nach Analogie des Ich, des "Innensein", weit entfernt, die Erkenntnis zu verfälschen, das einzige Mittel zur (metaphysischen) Erkenntnis.


1. Ding. Substanz. Sein.

Daß wir ein Sein annehmen, an eine Welt beharrender Dinge, Substanzen glauben, hat nach NIETZSCHE seinen Grund darin, daß unsere mangelhaften Sinne, unser vergeßliches Gedächtnis das beständige Werden nicht erfassen. Die Lücken unserer Wahrnehmung und Vorstellungen füllt die Phantasie aus, sie verbindet die Inhalte des Bewußtseins, fingiert ein Seiendes, während doch die schärfere Wahrnehmung und Analyse immer genauer den Fluß des Geschehens erkennt. (13)  Biologisch  ist die Umdichtung des Werdens zum Sein, die Fiktion einer festen, beständigen Seinswelt notwendig und nützlich, sie gibt uns die erforderliche Ruhe, ermöglicht ein begriffliches Zusammenfassen, Ordnen, Orientieren - aber das hindert nicht, daß auf diese Weise die Wirklichkeit verfälscht wird. Aufgabe der Erkenntniskritik wird es folglich sein, die allzumenschlichen Seins-Irrtümer aus der Wissenschaft zu eliminieren, um nun auch dem mittlerweile stark gewordenen Willen nach Erkenntnis Genüge zu leisten.

Schon in den niederen Organismen, meint NIETZSCHE, ist allmählich der Hang entstanden, an die Identität der Dinge zu glauben, weil sie nur das Gleiche, das sie Interessierende sehen und die Veränderung nicht bemerken. So ist der Glaube an Substanzen ein ursprünglicher, alter Irrtum alles Organischen (14). In die Vorgänge der Außenwelt wird das "bewegte Ding" "hineinphantasiert", da unsere Organe nicht fein genug sind, überall die Bewegung wahrzunehmen, und uns etwas Beharrendes vorspiegeln, während es im Grunde kein "Ding", kein Verharrendes gibt. (15)

Wir kennen nur ein  vorstellendes  Sein. Das beharrende Ich, das vorstellt, und der beharrende Inhalt, der vorgestellt wird, das ist nichts als der Gegensatz gegen den Vorgang der Vorstellung selber, ein biologisch und "logisch" notwendiger Gegensatz, weil ein Erkennen des völlig Fließenden unmöglich ist. Wir müssen, um zu existieren, dem Wirklichen die Eigenschaft des Seins andichten.  "Es braucht kein Subjekt und kein Objekt zu geben,  damit das Vorstellen möglich ist, wohl aber  muß  das Vorstellen an beide  glauben."  Unser Intellekt, der aus Bildern stammt, ist von Natur aus nicht zum Begreifen des Werdens eingerichtet, er strebt daher die allgemeine Starrheit zu beweisen, die er zum Denken und Leben braucht (16). Unser Bewußtsein hinkt dem wirklichen Geschehen nach und beobachtet wenig auf einmal, daher glaubt es an ein Ich, an Dinge. (17)

Woher könnten wir wissen, daß es Dinge gibt, da unsere Erfahrung uns eine solche nicht wirklich zeigt und wir über unsere Erfahrung nicht hinaus können? Die "Dingheit" ist eine von uns  geschaffene  Kategorie. Es ist möglich, daß es nur Subjekte gibt, zumindest ist nur das (nicht als Substanz!) beweisbar; das Objekt ist vielleicht nur ein  modus  des Subjekts,  eine Art Wirkung von Subjekt auf Subjekt  (18). Der Ding- und Substanzbegriff ist eine Folge des Subjektbegriffs, nicht umgekehrt. Das Maß unseres "Seins" finden wir im Grad unseres Lebens- und Machtgefühls, danach bemessen wir auch die Realität fremder Wesen (19).  Unter Subjekt  ist nicht das Gleiche, Bleibende, sondern die  lebendige Tätigkeit,  das Gleichsetzen, Zurechtmachen zu verstehen; es ist keine Substanz, sondern etwas, das nach Verstärkung strebt und sich erhalten, sich überbieten will, es ist Streben nach Macht (20). Nur die Gewohnheit, all unser Tun als Folge unseres Willens zu betrachten, postuliert geistige und körperliche Substanzen; aber es gibt keinen "Willen" als Vermögen, der "Wille" ist in Wahrheit ein kompliziertes Phänomen (21). Subjekte und Objekte im Sinne von "Dingen" sind nicht anzunehmen, sondern Komplexe des Geschehens, die im Hinblick auf andere Komplexe scheinbar dauerhaft (durch eine Verschiedenheit des Tempos des Geschehens ...) sind. Wir sind es, deren Wille zur Macht das Werden fest macht, fälscht, ins Seiende umdeutet (22). Schuld daran trägt auch die Sprache, der treue Ausdruck nicht des Wirklichen, sondern unserer menschlichen Auffassung desselben.

Dies verrät auch der Begriff  Sein  und dessen Ausdruck. "Denn  esse  heißt ja im Grunde nur  atmen:  wenn es der Mensch von allen anderen Dingen gebraucht, so überträgt er die Überzeugung, daß er selbst atmet und lebt, durch eine Metapher, das heißt durch etwas Unlogisches, auf die anderen Dinge und begreift ihre Existenz als  atmen  nach menschlicher Analogie. Nun verwischt sich aber bald die originale Bedeutung des Wortes: es bleibt aber immer so viel übrig, daß der Mensch sich das Dasein anderer Dinge nach Analogie des eigenen Daseins, als anthropomorphisch, und jedenfalls durch eine unlogische Übertragung, vorstellt." (23) "Sein" ist nur eine Verallgemeinerung des Begriffs "Leben", "beseelt-sein", "wollen, wirken, werden" (24). Eigentlich gibt es also keinen Gegensatz zwischen sein und Werden, es muß nur der naive und primitiv-philosophische Seinsbegriff umgewertet werden (25). Dies führt zu der Einsicht, daß das  Werden  das einzig Seiende ist.

Auf diese Umwertung der Begriffe  Ding, Substanz, Sein  scheint es NIETZSCHE gerade in dem (nicht ausgearbeiteten) Positives bietenden Werk "Der Wille zur Macht" abzuzielen. Man wird leicht sehen, daß sie teilweise im Sinne der modernen Naturwissenschaft und zum Teil auch der neueren Psychologie erfolgte. Damit erfahren aber auch NIETZSCHEs Angriffe gegen die Kategorien schon bei ihm selbst eine bedeutende Abschwächung. -

Es ist richtig, daß wir die Inhalte unserer Sinneswahrnehmung zu "Dingen" machen. Was heißt das aber? Uns selbst lernen wir auf zweierlei Weise kennen: als Objekte unter Objekten, als Vorgestelltes, und als Subjekt, als vorstellend-fühlend-wollendes Tun, als einen Zusammenhang psychophysischer Handlungen. Zugleich wissen wir uns als Subjekt identisch mit unserem Ich als Objekt, als Leib. Wollen wir eine Bewegung ausführen, so nehmen wir uns durch innere Erfahrung als strebend, durch äußere Erfahrung als bewegend und bewegt war. Unser ganzer Leib zeigt sich uns in seinen Veränderungen als unmittelbarer Ausdruck unseres Ichs. d. h. der Einheit unseres Bewußtseins, unserer "Psyche". Da wir nun gewohnt sind, eine Bewegung, die wir hervorbringen, als Äußerung eines "Innenseins", eines Triebes, Wollens vorzufinden, geschieht es, daß wir die Bewegung der fremden Objekte nicht anders auffassen, als nach Analogie unseres Ichs. Ohne zu schließen oder zu urteilen, rein infolge einer natürlichen, instinktartigen Assoziation in der Form der "Assimilation" (26), deuten wir den sinnlich wahrgenommenen Gegenstand als ein Ichartiges Wesen, d. h. wir legen in ihn ein dem unsrigen gleichartiges Innensein, ein Fühlen und Streben hinein, also eine Ichheit, eine Subjektivität. Dadurch haben wir aus dem bloßen Vorstellungsobjekt ein Subjekt gemacht, ein "Ding", das uns nun genau so einheitlich, selbständig, unabhängig, kraftvoll erscheint, wie wir uns selbst unmittelbar erleben. Daß die Kinder, die Naturmenschen ihre Umgebung beleben, beseelen, ist bekannt. Sie legen den Objekten nicht nur ein dem unsrigen analoges, gleichartiges, sondern sogar ein  gleichwertiges  Sein bei, glauben an gute oder schlechte Willensmeindungen, an Schadenfreude, Neid, Haß, Zorn der Dinge. Von dieser allzumenschlichen Betrachtungsweise der Objekte entfernt sich allmählich das wissenschaftliche Denken mit vollstem Recht. Es achtet immer genauer auf die Unterschiede zwischen "toten" und organischen Dingen, zwischen Menschen, Tieren, Pflanzen, kurz es gelangt schließlich dazu den Ursprung des Kraftbegriffs vergessend, nur im allgemeinen von (ansich unbekannten) "Kräften" der Dinge zu reden, und auch diese sucht eine neue Richtung der Physik zu eliminieren, um an deren Stelle den Begriff der "Energie", der Arbeitsleistung, Wirkungsfähigkeit zu setzen.

Damit wendet man sich von den transzendenten Faktoren ab und den Tatsachen der (wirklichen und möglichen) Erfahrung zu. Die Dinge als Subjekte gehen nun die Naturwissenschaft nichts mehr an, nur mit den Objekten, mit objektiven, erfahrbaren und denkbaren Eigenschaften, Leistungen hat sie es zu tun. Statt der Kräfte und materiellen Substanzen bedient sie sich  gedachter Raumpunkte als Ausgänge und Zentren der Energien.  Die "Dinge" sind nur nichts anderes als  Komplexe von Energien,  durch das Bewußtsein zur Einheit zusammengefaßt, wo sie in relativer Konstanz und Stetigkeit der Veränderung sich zusammen vorfinden oder gedacht werden müssen. Alles Metaphysische, das in der älteren Naturwissenschaft in Gestalt hypothetischer Begriffe sich breit machte, er scheint dadurch ausgemerzt.

Gehen wir auf die Anschauung des naiven Erkennens zurück. Weder sind die Objekte desselben Dinge, die von der Vorstellung total verschieden sind - ein Schließen von der Vorstellung aufs Objekt kommt im naiven Bewußtsein nicht vor, sondern der Inhalt der Vorstellung ist es, der wegen seiner Unabhängigkeit vom Wollen des Subjekts, wegen seiner Konstanz und Selbständigkeit gegenüber anderen Vorstellungsinhalten als Objekt erfaßt wird - noch sind sie bloß Bewußtseinsinhalte. Sondern schon im ursprünglichen Dingbegriff stecken zwei Faktoren: ein immanenter und ein transzendenter. Das Immanente an den Dingen ist die Tatsache, daß Empfindungen verschiedener Sinnesgebiete, deren "Zusammen" uns aufgedrungen wird, zu einer Einheit zusammengefaßt, als ein Ganzes apperzipiert werden. Durch wiederholte Erfahrung und durch die Tätigkeit der begriffsbildenden Abstraktion unterscheiden wir allmählich den eigentlichen Gegenstand von dessen bloßer Wahrnehmung oder Vorstellung. Diese ist uns zwar immer noch während des Aktes des Vorstellens eins mit dem Gegenstand, wir trennen das Gegebene nicht in zwei Bestandteile; sobald wir uns aber besinnen, was wir denn eigentlich Gegenstand nennen, findet sich, daß wir unter diesem einen reicheren Komplex von Qualitäten und Beziehungen verstehen, als uns momentan in der Vorstellung vorliegt. Jetzt hat die Vorstellung für uns "gegenständliche Bedeutung", sie "vertritt" uns den, nur begrifflich erfaßbaren Gegenstand der Außenwelt, dieser tritt in einer Reihe von Einzelvorstellungen auf, als deren Quelle er betrachtet wird.

Ist nun auf dieser fortgeschrittenen Stufe des Erkennens, auf der vor allem die Wissenschaft steht, ein Unterschied zwischen Vorstellung und Objekt vorhanden, so ist doch das "Objekt" noch immer nichts Transzendentes, sondern nur eine weitere, allgemeingültigere, konstantere Synthese solcher Qualitäten und Verhältnisse, wie sie die äußere Erfahrung und das in und mit dieser arbeitende Denken aufweisen. Aus dem erkennenden Bewußtsein kommen wir nicht heraus, solange wir die Objekte als Objekte des Erkennens betrachten. Die Erkenntnis der Naturwissenschaft ist daher eine bewußtseins-immanente, alle ihre Aussagen beziehen sich zwar auf die wirklichen Dinge, treffen aber nicht deren Ansich- oder Innensein.

Aber die Dinge sind, wie bemerkt, von Anfang an mehr als objektive Qualitätskomplexe, sie haben  transzendente Faktoren,  d. h. wir schreiben ihnen ein lebendiges Wirken und Sein gleich dem unsrigen zu, verführt durch die Ähnlichkeit ihres äußeren, wahrnehmbaren Verhaltens mit dem unseres Leibes. Wir deuten die Objekte als Dinge, als Substanzen, das bedeutet aber nichts anderes, als daß wir sie für ebenso einheitlich, dauernd, identisch, kraftvoll halten wie wir es sind. Die Kategorie der "Dingheit" ist nichts anderes als die auf die Objekte der Außenwelt übertragene Urkategorie der Ichheit. "Etwas ist ein Ding" - damit meinen wir, es hat ein nicht wahrnehmbares, hineingeschautes inneres Verhalten, es ist ein Ich-Analogon. Verändert sich das Objekt jetzt noch so sehr, bleibt nur hierbei eine gewisse Stetigkeit der Veränderungen bestehen, so sind wir überzeugt, daß es doch ein Ding ist und bleibt, weil der transzendente Faktor, der "Träger" der Zustände des Objekts in sich bestehen bleibt. So deuten wir die Dinge als  Substanzen,  wir unterscheiden den festen, beharrenden Kern der Objekte von deren wechselnden Zuständen, Akzidenzen [Zufälligkeiten - wp]. Durch Abstraktion entsteht sodann der Begriff des Identischbleiben, Beharrens, kurz des  Seins,  von dem man verschiedene Grade annimmt bis hinauf zum absolut Seienden, zur Substanz im allgemeinen, die ewig in sich ist und bleibt.

Dieses starre Sein, diese unveränderliche Substanz entsteht wohlgemerkt erst in den Köpfen der  Philosophen (27). Für das naive Erkennen ist die Substanz das Einzelding selbst, sofern es einen transzendenten Faktor enthält, der relativ, im Verhältnis zu den Eigenschaften und zu anderen Dingen permaniert [bleibt - wp]. Absolute materielle Substanzen (Atome und dgl.) postuliert das Denken, wenn es die Veränderlichkeit und Relativität der Objekt bemerkt und doch von der Seinskategorie nicht los kann. Das Denken bedarf eines Substrats der Erscheinungen, ein  Hypokeimenon [das vom Erkennen unabhängige Sein - wp], einen "Träger", ein "Subjekt" der Vorgänge. Ursprünglich ist dieses "Subjekt" wirklich etwas Subjektives, Seelisches, jetzt wird es in der Form des Objekts, materiell (als ausgedehnt, schwer etc.) gedacht. Nun wird der so gebildete Substanzbegriff zurück auf das Subjekt, das Ich übertragen, dieses gilt jetzt auch als eine Substanz gleich der der Dinge. Später wächst die Einsicht heran, daß alles, was wir von den Körpern als Körpern aussagen können, keine Transzendenz haben kann. Der transzendente Faktor wird nun  immateriell  gedacht, immer noch aber als Substanz, als einfaches, unveränderliches Seelending, als "Monade", und auch die Seele soll jetzt eine Monade sein, verschieden von den Monaden, welche den Leib zusammensetzen. Schließlich erkennt man, daß das Ich zwar eine einheitliche, relativ beharrende, mit sich identisch bleibende Aktion, nicht aber ein absolut einfaches, unveränderliches Sein, keine starre Substanz ist. Auch die materiellen Substanzen werden, in geläuterter Form, wieder zu dem, was sie eigentlich von Anfang an waren,  relativ beharrende,  in Wahrheit aber zugleich durch und durch  dynamische  Einheiten. Die Kategorie des  Werdens  kommt jetzt zu ihrem Recht, das "Sein" erweist sich nun als einer Natur mit ihm, es ist mehr oder weniger ein permanierendes Werden, beharrliche Tätigkeit, die sich selbst durch ihr Wirken und im Konflikt mit fremder Tätigkeit als seiend setzt.

Das (psychophysische) Ich ist das Urbild aller Substanz, und als relativ beharrende, sich in allen Aktionen wiederfindende Einheit bleibt es auch auf der höchsten Stufe des philosophischen Denkens eine "Substanz" im Ursinn des Wortes, d. h. eine  sich im Dasein erhaltende Aktivität.  Die Physik hat es nur mit dem Objektiven zu tun, was die Dinge ansich sind, braucht sie nicht zu bekümmern, denn sie kann diese nur in Symbolen denken, die der Erfahrung entlehnt sind. Sobald die Physik aber den Versuch macht, sich in die allgemeine Weltanschauung einzureihen, sobald es sich darum handelt, das Dasein der Objekte selbst zu begreifen, den Grund ihrer Unabhängigkeit von unserem Wollen, die Bestimmtheit und Gesetzmäßigkeit ihres Auftretens und ihrer Verbindungen in Raum und Zeit zu erfassen, muß die Außenwelt als ein System von Substanzen, d. h. von Objekten gedacht werden, in welchen überall einfache oder zusammengesetzte, im Konflikt mit anderen sich erhaltende Kräfte, Aktionen sich manifestieren. Erst die Metaphysik führt die "Energien" des Physikers und Chemikers auf  wirkliche Zentren  des Geschehens, auf  Subjekte  zurück, die dem Subjekt in uns analog zu denken nicht verwehrt werden kann. Im Gegenteil: alles treibt den Philosophen dazu, ein "Innensein", eine Lebendigkeit der Natur anzunehmen, die er als Vorstufe des organischen Lebens und Empfindens, zuletzt des menschlichen Geistes für den Aufbau einer widerspruchslosen und einheitlichen Weltanschauung bedarf.

NIETZSCHEs positive Resultate stimmen, wie man sieht, so ziemlich mit den hier dargelegten Anschauungen überein. Die Kategorie der Dingheit, der Substanz, des Seins muß kritisch verwendet werden; die Starrheit des Seins erweist sich dann als unbegründet, ebenso die Hypothese eines Seelendings. Darum büßen die genannten Kategorien noch nicht ihren Wert als  Denkmittel  ein. Ohne  Subjekte  des Geschehens ist für uns ein Denken nicht möglich. Wir selbst wissen uns unmittelbar als solche Subjekte, insofern erfassen wir uns, wie wir wirklich, unabhängig von den Zutaten der Sinne und der reflektierenden Vernunft sind. Denn "sein, wirklich sein" ist ja im Grunde nichts anderes als den Wert, die Realität eines Subjekts, nicht eines bloßen Objekts für das Erkennen haben. Das Subjekt ist das zwar nur in und mit den seelischen und leiblichen Vorgängen Gegebene, aber doch nicht restlos in der Summe der Einzelheiten des Bewußtseins Aufgehende, es ist der ideale und zugleich reale - beides fällt hier zusammen - Punkt, von dem alles individuelle Tun ausgeht und in den es mündet, zu dem es sich zusammenschließ. Das Subjekt steckt schon im primitivsten Bewußtsein; das Selbstbewußtsein aber ist schon etwas Sekundäres, schon ein Produkt psychischer Entwicklung. Durch das Permanieren der Subjektivität erhält das Ich den Charakter einer relativen Substanz, einer substantiellen "Form". Das Ich ist also substantielles Tätigsein, es verhält sich das Subjekt zu seinen Erlebnissen wie die Substanz zu ihren Akzidentien, denn dieses Verhältnis ist ja schon dem unmittelbar in uns gefundenen nachgebildet.

Die Anwendung der Kategorien  Ding - Substanz - Sein  bewahrt ihren guten Sinn, verfälscht die Wirklichkeit nicht, macht die Objekte nicht zu Erscheinungen (wie KANT meint), sondern gestaltet sie im Gegenteil zu Zeichen, Manifestationen, Wirkungen transzendenter Faktoren, verleiht den Dingen ein Innen-, ein  Eigensein,  während die Naturwissenschaft es nur mit den  Relationen  der Dinge untereinander und zu uns zu tun hat. Die transzendenten Faktoren sind der Grund, warum sich die Objekte als relative Substanzen darstellen müssen, sie sind "Substanzerzeugende Tätigkeiten" (28), nicht selbst wieder Dinge, aber doch auch selbst "substantiellen" Charakters, d. h. Subjekte, konstante Ausgangspunkte von Energien, mit bestimmten, mehr oder weniger umfangreichen Wirkungssphären. Wir selbst sind relative "Substanzen", "von außen" als Leib wahrgenommen, "von innen" als Ich, als relativ permanenter Zusammenhang von Erlebnissen, alle "getragen" vom Subjekt, d. h. von einem einheitlichen, identischen Tun, das als Urbild aller Substantialität keine Substanz (Qualitätenkomplex transzendenter Faktor) sondern ein solcher  Faktor selbst  ist.

Die "Außenwelt" hat eine dreifache Bedeutung.  Erstens  ist sie der Komplex aller Objekte, sofern sie Vorstellungsinhalte sind, aber wegen ihrer Unabhängigkeit vom Willen des erkennenden Subjekts, ihrer relativen Konstanz, des Widerstandes, den wir in ihnen erleiden, vom Subjekt und dessen Gefühlen und Strebungen wohl unterschieden. Achtet man auf die Zugehörigkeit dieser Objekte zur Welt der Erlebnisse des Ich, auf ihre Abhängigkeit vom Subjekt, kurz auf ihren Charakter als Bewußtseinsinhalt und sieht man davon ab, daß sie uns Dinge darstellen, so bilden diese Objekte, als Vorstellungen, den Gegenstand der Psychologie. Eben dasselbe also, was der naive Verstand als objektiv und physisch betrachtet, zeigt sich von einem anderen Standpunkt, dem der inneren Erfahrung, als psychisch. Als physische Objekte enthalten die Vorstellungen transzendente Faktorn, die anfangs als Willenskräfte, später als Kräfte schlechthin gedacht werden.  Zweitens  ist die Außenwelt die Welt des Physikers, ein System von Kräften oder von Energien, die erst als transzendent gelten, in Wahrheit aber doch nach Analogie des objektiv Gegebenen, des Immanenten gedacht werden. Die Objekte des naiven Erkennens sind dem individuell subjektiven Bewußtsein immanent, die Dinge des Physikers sind relativ, für das Individuum jeweilig transzendent, aber für das allgemeine, wissenschaftliche Bewußtsein immanent,  Symbole  der transzendenten Faktoren, aber nicht diese selbst (29). Drittens  ist die Außenwelt, vom Standpunkt des Philosophen, das System transzendenter Faktoren in ihrem Für-sich-sein, transzendent in Bezug auf alle objektive Erfahrung. Eine unmittelbare Erkenntnis dieser Faktoren ist nur bei uns selbst, durch innere Erfahrung, möglich; bei fremden Objekten nur auf dem Weg der Analogie, der Deutung, also mehr oder weniger hypothetisch und unbestimmt. Mit dieser Einschränkung ist immerhin zuzugeben, daß eine indirekte Erkenntnis des Ansich der Dinge möglich ist. Im Gegensatz zur naiv- und wissenschaftlich-empirischen (begrifflich, mathematisch, logisch verarbeiteten) Welt der  Objekte  ist die "metaphysische" Welt eine Welt der  Subjekte.  Etwas absolut Transzendentes, was auch noch hinter dem Subjekt liegt, anzunehmen, dazu haben wir keine Veranlassung, mit einem solchen Transzendenten könnten wir zudem nicht das Geringste anfangen. Was nicht schließlich in äußerer oder in innerer Erfahrung und in denkender Fortführung derselben wurzelt, das kann für uns nicht mehr sein als ein leeres Wort.

Erst dadurch, daß wir den fremden Objekten ein Innensein zuschreiben, machen wir aus ihnen wirklich von uns unabhängige, ansich existierende Wesen. Denn alles, was uns die äußere Erfahrung über die Objekte lehren kann, läßt sich als subjektiv mitbedingt darstellen,, ist erkenntnis-immanent. Gerade das aber, was sich an den Dingen nicht erfahren läßt, von dem man jedoch glaubt, es bestehe in ihnen, macht ihre transzendente, absolute Existenz aus. Die "Ichheit", das Innensein, ist für das Ich allein erfaßbar,  für jeden Fremden bleibt sie transzendent.  Ein fremdes Ich als Inhalt meines Bewußtseins, als mir immanent, ist geradezu ein Widerspruch. Sobald ein fremdes Innensein mein  Bewußtseinsinhalt  wäre, wäre es damit sofort  mein  Bewußtseinsinhalt, kein von meinem Ich zu unterscheidendes Subjekt. Ferner erlebt das fremde Ich Unzähliges - durch Mitteilung erfahre ich es - von dem sich in meinem Bewußtsein nicht das Geringste vorfindet. Damit ist erwiesen, daß das fremde Innensein tatsächlich nicht mein Bewußtseinsinhalt ist. (30) Daß durch die Annahme fremder Ichs und der Gewißheit des eigenen der Glaube an die Realität der Außenwelt gestützt wird, bemerkt auch NIETZSCHE.
    "Für einen einzigen Menschen wäre die Realität der Welt ohne Wahrscheinlichkeit, aber für zwei Menschen wird sie wahrscheinlich. Der andere Mensch ist nämlich eine Einbildung von uns, ganz unser Wille, unsere Vorstellung: und wir sind wieder dasselbe in ihm. Aber weil wir wissen, daß er sich über uns täuschen muß, und daß wir eine Realität sind trotz des Phantoms, das er von uns im Kopf trägt, schließen wir, daß auch er eine Realität ist trotz unserer Einbildung über ihn: kurz, daß es Realitäten außer uns gibt." (31)
Wenn NIETZSCHE behauptet, der Begriff "Subjekt" sei fingiert (32), so hat er Recht, wenn er damit meint, daß es eine Seele, ein Subjekt nicht gibt, das  außer dem Innensein,  der Ichheit, noch existiert. Ein solches "Subjekt ansich" kann höchstens in der begrifflichen Abstraktion einen Sinn haben, es ist das dem Psychischen immanente Subjektmoment für sich gedacht. Aber der Begriff  Subjekt,  als  konkretes  Ichbewußtsein, ist keineswegs eine Fiktion, sondern das Sicherste was es geben kann. Es ist in jedem Erlebnis, das uns widerfährt, als untrennbares Moment enthalten, eine Bedingung allen Erlebens.  Das Erleben weiß sich selbst als Subjekt, es ist ein sich auf sich selbst immer wieder beziehendes Tun.  Der "Täter" ist keine Substanz außerhalb des psychischen Geschehens, darin hat NIETZSCHE recht, aber er ist doch ein wirklicher, erfahrbarer Faktor. Das Ich ist zwar nichts Einfaches, aber doch eine  Einheit schaffende Tätigkeit,  damit aber selbst Einheit. Diese Einheit mag sich in eine "tausendfache Komplexität" (33) gliedern, das hindert nicht, daß durch die Stetigkeit des Zusammenhangs der psychischen Mannigfaltigkeit die Einheit des Subjekts sich beständig schaffen und erhalten kann. Das Ich  weiß  sich als eine Einheit und  ist  es damit auch, denn im Ich sind Bewußtsein und Sein identisch. Es ist also  cum grano salis [nicht ganz wörtlich - wp] aufzunehmen, wenn NIETZSCHE behauptet, wir seien jetzt "reichlich davon überzeugt, daß unsere Konzeption des Ich-Begriffs nichts für eine reale Einheit verbürgt." (34)

Den Begriff des "Ding ansich" bekämpft NIETZSCHE energisch. Entstanden sei der Begriff "Ding durch eine Übertragung des Glaubens an das Subjekt, das Ich, auf die Außenwelt. Da aber das Subjekt eine Fiktion ist, kann es auch kein Ding-ansich, d. h. ein "Subjekt ansich" geben. (35) Darauf ist zu bemerken, daß allerdings ein "Subjekt ansich" eine grundlose, unnötige Annahme ist, daß aber das empirische Subjekt (Ich) selbst, als Innensein, lebendiges Tun, Wollen, schon ein "Ansich", eine Realität ist, die für jedes fremde Wesen unabhängig ist. Dieses Ansich ist allerdings kein absolutes "Ansich" im Sinne KANTs, und nur dessen Lehre wird von NIETZSCHEs Angriffen getroffen. Das Ansich, von dem wir sprechen, ist zugleich ein "Für sich" (36), Bewußt-sein im  aktiven  Sinn. Nichts hindert daran anzunehmen, daß wir nicht das einzige Ansich, sondern entweder ein Teil des unendlichen Ansich, des Weltsubjekts, alleinen Ichs sind (Monismus) oder daß wir mit einer abgestuften Reihe von Einzelsubjekten (die aber nur als lebendiges Tun, nicht als starre Substanzen bestehen) zusammen das Universum bilden (Pluralismus). Es gibt also nur eine Welt von Dingen, aber diese sind, "von außen", d. h. durch äußere Erfahrung betrachtet, Körper mit materiellen Wirkungen, "von innen" gesehen, für sich selbst aber lebendige Kräfte, Subjekte niedrigster (einfachster) und höherer (zusammengesetzter) Art. Was NIETZSCHE am Begriff des Ding-ansich" aussetzt, gilt nur von der Annahme eines völlig unbekannten, unveränderlichen, absolut (metaphysisch) transzendenten Sein, das für die Erkenntnis weder im Sinne der Einzelwissenschaft noch in dem der Metaphysik in Betracht kommt (37). Nur gibt es nicht bloß die Realität der Dinge als Objekte, als Inhalte des Erkennens, sondern auch eine subjektive, eigene Wirklichkeit der Dinge (38). Die objektive Realität ist weit entfernt davon ein Schein zu sein, sie hat den Charakter einer objektiven Erscheinung, einer Äußerung der Tätigkeit der Dinge selbst, ihrer transzendenten Faktoren. Nur insofern das Innensein der Dinge vom Erkennen anderer völlig unabhängig ist, kann die "subjektive", transzendente Realität im Gegensatz zur objektiv-phänomenalen als "absolute" Realität bezeichnet werden. Eine andere Art Realität als die des Für sich- und Für-andere-Seins ist allerdings "völlig unnachweisbar"; die Kennzeichen, die man dem "wahren Sein" der Dinge gegeben hat, sind die "Kennzeichen des Nicht-Seins". Sicherlich entspringt der Glaube an eine solche Seins-Welt dem Verlangen nach Ruhe. (39) Die "wahre" Welt in einem absolut transzendenten Sinn ist in der Tat eine "überflüssig gewordene Idee". (40) Mit der "wahren" ist auch die "scheinbare" Welt abgeschafft (41), d. h. die empirische Welt subjektiv-transzendenter Faktoren nebst deren Beziehungen zueinander, die sich dem Erkennen als Welt von Objekten und objektiven Phänomenen manifestieren, gewinnt dadurch an Realität, an Wert. Die Welt ist jetzt zu einer (sich selbst) erscheinenden Wirklichkeit und zu einer wirklichen Erscheinung, d. h. zu einer einzigen Realität, die von zwei Gesichtspunkten betrachtet werden kann, geworden. Die Natur oder die materielle Welt bedeutet uns die Objektivation einer ansich geistigen, in lebendiger Entwicklung begriffenen Welt.


2. Kausalität

Die Kategorie der Kausalität, des Wirkens eines Dinges auf andere, entspringt nach NIETZSCHE dem Grundirrtum, daß unser  Ich  in seinem  Willen  eine "Ursache" ist. Wir meinen uns selbst als Täter, als Ursache von Vorgängen zu erfahren, "auf der Tat zu ertappen". (42) Die einzige Kausalität, die uns bewußt ist, ist die zwischen Wollen und Tun gesetzte, "diese übertrage wir auf alle Dinge und denken uns das Verhältnis von zwei immer beisammen befindlichen Veränderungen". "Die Absicht oder das Wollen ergibt die Nomina, das Tun die Verba." (43) Aber eine wirkliche Erfahrung von einer Ursache besitzen wir nicht, sondern nur die subjektive Überzeugung, daß wir Ursache sind, daß wir unseren Arm bewegen und dgl. Dies ist eine  Selbsttäuschung "Wir haben ein Gefühl von Kraft, Anspannung, Widerstand, ein Muskelgefühl, das schon der Beginn der Handlung ist, als Ursache  mißverstanden,  oder den  Willen,  das und das zu tun, weil auf ihn die Aktion folgt, als Ursache verstanden." (44)
    "Psychologisch nachgerechnet, so ist der Begriff  Ursache  unser Machtgefühl vom sogenannten Wollen, - unser Begriff  Wirkung  der Aberglaube, daß dieses Machgefühl die Macht selbst sei, welche bewegt."
Wir projizieren einen Bewußtseinszustand, der ein Geschehen in uns begleitet, schon eine Wirkung desselben ist, als zureichenden Grund des Geschehens (45). Alle "geistige Ursächlichkeit" ist aber eine Fiktion. (46) Nicht wir sind tätig, kausal, sondern in uns erfolgt kausales Geschehen, das wir auf einen Täter, auf ein Seiendes beziehen, weil uns der Glaube an wirkende Substanzen biologisch notwendig ist.
    "Die  innere Welt  ist voller Trugbilder und Irrlichter: der Wille ist eins von ihnen. Der Wille bewegt nichts mehr, erklärt folglich auch nichts mehr, - er begleitet bloß Vorgänge, er kann auch fehlen. Das sogenannte  Motiv:  ein anderer Irrtum. Bloß ein Oberflächenphänomen des Bewußtseins, ein Nebenher der Tat." (47)
Das "Ich" ist eine Fabel, es gibt keine geistigen "Ursachen", aber auch keine körperlichen, denn das "Ding" ist nur ein Reflex vom Glauben ans Ich als Ursache. (48) Das Ich ist in Wahrheit nicht die Stellung eines Wesens zu mehreren, sondern
    "das ego ist eine Mehrheit von personenartigen Kräften, von denen bald diese, bald jene im Vordergrund steht als ego und nach den anderen wie ein Subjekt nach einer einflußreichen und bestimmenden Außenwelt hinsieht. Der Subjektpunkt springt herum ... Das Nächste heißt ich, mehr als das Entferntere, und gewöhnt an die ungenaue Bezeichnung ich und alles andere (tu) machen wir instinktiv das Überwiegende momentan zum ganzen ego ..." (49)
Den  Willen  als ursächliche Einheit anzugeben, geht nicht an. Er ist etwas Kompliziertes, nur als Wort eine Einheit, den
    "in jedem Wollen ist erstens eine Mehrheit von Gefühlen, nämlich das Gefühl des Zustandes, von dem weg, das Gefühl des Zustandes, zu dem hin, das Gefühl von diesem weg und hin selbst, dann noch ein begleitendes Muskelgefühl." (50)
NIETZSCHE folgert aus diesen Voraussetzungen, der Begriff "Ursache" habe etwas  Fetischistisches  an sich. Daher soll man Ursache und Wirkung nicht verdinglichen, sondern als reine Begriffe, d. h. als "konventionelle Fiktionen" zum Zweck der Bezeichnung und Verständigung brauchen. Im "Ansich" aber
    "gibt es nichts von Kausalverbänden, von Notwendigkeit, von psychologischer Unfreiheit, da folgt nicht die Wirkung auf die Ursache, da regiert kein Gesetz. Wir sind es, die allein die Ursachen, den Zwang, die Zahl, das Gesetz, die Freiheit, den Grund, den Zweck, erdichtet haben; und wenn wir diese Zeichenwelt als ansich in die Dinge hineindichten, hineinmischen, so treiben wir es noch einmal, wie wir es immer getrieben haben, nämlich mythologisch." (51)
"Ansich" ist die Welt ein Chaos von Vorgängen, ein kontinuierlicher Fluß des Geschehens, in welchen nur wir Gesetze, Ursachen, Wirkung, Substanzen hineinsehen. Es gibt keine Zweiheit von Ursache und Wirkung, das sind von uns isolierte, fixierte Teile des Weltgeschehens. (52)

Die  mechanistische  Weltanschauung zeigt uns nur Folgen, noch dazu im Bild, denn "Bewegung" ist schon Vorstellung. Alle Voraussetzungen des Mechanismus: Stoff, Atom, Druck und Stoß, Schwere sind nicht "Tatsachen ansich", sondern Interpretationen mit Hilfe psychischer Fiktionen. (53) Die "Dinge" betragen sich nicht regelmäßig, es gibt keine Dinge und keinen Zwang, keine "Notwendigkeit". "Bewegung" ist schon ein Bild des Wirkens; daß "etwas" bewegt wird, ist eine Gewohnheit, zu der uns Sinne und Sprache verleiten. "Die Mechanik als eine Lehre der  Bewegung  ist bereits eine Übersetzung in die Sinnensprache des Menschen." (54) Die Mechanik hat außer diesem "Sinnen-Vorurteil" auch noch das "psychologische Vorurteil" der Annahme des Atoms (= Reflex der vermeintlichen Ich-Einheit) zu ihrer Voraussetzung.
    "Die mechanistische Welt ist so imaginiert, wie das Auge und das Getast sich allein eine Welt vorstellen (als bewegt), - so, daß sie berechnet werden kann, - daß ursächliche Einheiten fingiert sind, Dinge (Atome), deren Wirkung konstant bleibt ..."
Die Mechanik "formuliert Folgeerscheinungen, noch dazu semiotisch, in sinnlichen und psychologischen Ausdrucksmitteln: sie berührt die ursächliche Kraft nicht." (55)

Die Dinge (Atome) wirken nichts, weil sie gar nicht da sind. Aus einer notwendigen Reihenfolge von Zuständen folgt nicht deren Kausalverhältnis, die Kausalitäts-Interpretation ist eine Täuschung. Ein "Ding" ist nichts als die Summe seiner Wirkungen, synthetisch gebunden durch einen Begriff, durch ein Bild. In der Tat hat die Wissenschaft den Begriff  Kausalität  seines Inhalts entleert und ihn nur zu einer  Gleichnisformel  übrig behalten, "bei der im Grunde gleichgültig geworden ist, auf welcher Seite Ursache oder Wirkung. Es wird behauptet, daß in zwei Komplex-Zuständen (Kraftkonstellationen) die Quanten Kraft gleich bleiben." Nicht in der Regel, Notwendigkeit, Gesetzmäßigkeit liegt die Berechenbarkeit eines Geschehens, sondern in der "Wiederkehr identischer Fälle". (56)

Der angebliche  Kausalitäts-Trieb  ist nur "die  Furcht  vor dem Ungewohnten 
und der Versuch, in ihm etwas  Bekanntes  zu entdecken; ein Suchen nicht nach Ursachen, sondern nach Bekanntem." (57)

Knüpfen wir in der Kritik der Lehre NIETZSCHEs vom Ursprung und der Bedeutung des Kausalitätsbegriffes an den letzten Satz an. Es ist ganz richtig, daß das Suchen nach Ursachen auf primitiver Stufe des Lebens hauptsächlich durch starke Affekte, insbesondere durch Furcht, zuweilen auch durch Neugier veranlaßt wird. Der Kausalitätstrieb, der schon früh beim Kind auftritt, sich zuerst in einem sichtlichen Suchen nach der Veranlassung eines das Kind interessierenden Vorgangs, einer Veränderung, später in einem unablässigen Fragen nach dem "Warum" der Vorgänge äußert, ist sicherlich ein biologischer, Leben-erhaltender Faktor von höchster Bedeutung. Er ist geradezu die Grundlage allen Kennens und Erkennens, allen Forschens, aller Wissenschaft, aber auch des Mythos, der Religion, der Philosophie. Solche Gesellschaften, solche Individuen, bei denen der Trieb, kausal zu fragen entwickelter ist als bei anderen, haben  ceteris paribus [unter vergleichbaren Voraussetzungen - wp] einen großen Vorsprung im Kampf ums Dasein. Durch Vererbung, Übung usw. kann der Kausalitätstrieb nach und nach so erstarken, daß dann in einzelnen Individuen, Familien, Völkern der Drang nach einer Erforschung der Ursächlichkeit des Geschehens zu einer Blüte der Wissenschaft, der Philosophie, der Technik ... führt.

Wird aber auch der Kausalitätstrieb anfangs durch ein rein praktisches Interesse hauptsächlich ausgelöst, so fehlt ihm doch das Theoretische auch schon ursprünglich keineswegs. In unwillkürlicher, triebartiger Weise sucht der primitive Geist zu einer ihm für sich allein unbegreiflichen Veränderung irgendeinen Faktor. Durch das Finden oder Setzen eines solchen erfolgt eine Beruhigung, der Geist ist orientiert, das Ich hat einen Zusammenhang hergestellt, den es, wenn es einmal auf ein Geschehen aufmerksam geworden ist, braucht. Nur ist der Kausalitätstrieb des primitiven Menschen äußerst bald befriedigt, und dies führt leicht zu der irrtümlichen Annahme, als habe der Naturmensch noch keine Kausalitätskategorie. Gewiß hat er noch nicht den geringsten  Begriff  von Ursächlichkeit, aber implizit, in und mit seinem Denken kann er nicht anders, weil er eben ein Ich ist, als die Vorgänge der Außenwelt kausal zu deuten. Im Kausalbegriff liegen, wie in allen Kategorien, zwei Bestandteile: ein empirischer und ein apriorischer. Das empirische Element, das "Fundament" des Kausalbegriffs, der Anlaß, die Materie zur Anwendung der Kategorie, ist das Verhalten der Objekte selbst, d. h. die Tatsache, daß da, wo eben  Ruhe bestand, jetzt Veränderung eintritt.  Nun ist das  Ich  solange "ruhig", als nicht ein Motiv auftritt, das es zur Tätigkeit veranlaßt oder nötigt. Ich habe Lust mich zu bewegen, will mich bewegen - mein Leib bewegt sich. Ich will denken - meine Gedanken fügen sich zusammen. Ich will etwas in meiner Umgebung verändern - das Ding draußen wird anders. Ich bin nun so geartet, daß keine meiner Handlungen isoliert auftritt, jede hat ein Motiv, einen Grund, sie hängt mit anderen Handlungen, Zuständen zusammen.  Das Urbild aller Wirksamkeit, Kausalität, des Ursache-seins liegt in unserem Ich, (58) zu dessen Natur es gehört, einen Zusammenhang dar- und herzustellen, in welchem sich ein Glied unmittelbar als Abfolge eines anderen ankündigt. Die  Motivation  unseres (physischen und psychischen) Tuns gibt das Muster aller Kausalität ab. So hat die Kategorie der Kausalität wie die der Substanz in der inneren Erfahrung ihre Quelle, ist aber im Verhältnis zur äußeren a priori, da sie nicht aus dieser ihren Inhalt gewinnt und ferner, weil wir lange vor aller Induktion und Ratiocination [vernunftgemäßes Schließen - wp], mit subjektiver Gewißheit und Notwendigkeit die Kategorie anwenden. Aber die Kausalität ist nicht rein subjektiv, sondern sie ist objektiv bedingt, hat in der äußeren Erfahrung ihre Grundlage, die Stütze ihrer Anwendung. Denn wir sprechen in der Außenwelt von Kausalität, von Ursache und Wirkung nur, weil wir unsere "innere" Wirksamkeit und das Verhältnis von Motiv und Handlung, von Grund und Folge auf die Vorgänge der Außenwelt  übertragen  haben, ohne dessen mehr eingedenk zu sein. Aber diese Projektion, Introjektion unseres Ich-Verhaltens ist nicht willkürlich, nicht grundlos, sie beruth darauf, daß das empirisch erfaßbare, "äußere" Verhalten der Dinge dem an unserem leiblichen Ich wahrgenommenen sichtlich gleicht oder ähnelt. (59)

Die äußere Erfahrung zeigt uns rein als solche nur eine Abfolge von Vorgängen. Nirgends kann sie uns "Täter", "Ursachen" vorführen. Erst dadurch, daß wir in das Ding eine Kraft, ein Vermögen zur Ursächlichkeit legen, machen wir es zu einer wahren Substanz, zu einem wirkenden, wirkungsfähigen Wesen. Der primitive Mensch, das vorwissenschaftliche Bewußtsein sind aber deshalb so schnell mit ihrem Forschen nach Ursachen fertig, weil sie jedes auffallende Geschehen sofort auf den Willen, auf die Kraft eines Dinges zurückführen, höchstens daß noch einige wenige andere Dinge als an der Wirkung mitbeteiligt herangezogen werden. Das empirische Element der Kausalitätskategorie kommt hierbei noch nicht zu Ehren. Dafür der  transzendente Faktor,  der mit der kausalen Interpretation der Objekte in diese gesetzt wird; denn daß das Objekt wirkt, wirken kann, das liegt daran, weil es in sich etwas besitzt, was nicht erfahren, was transzendent, aber doch unserem Wollen, unserem Ich analog ist. Die Neugierde des Naturmenschen ist also bald befriedigt, denn da ihm das Ding, an dem eine Veränderung auftritt, eine Art Ich dünkt, so schreibt er dessen Willkür die Wirkung zu oder er nimmt irgendein anderes, mehr oder weniger willkürliches Ding in Verdacht, der Täter zu sein.

Der Fortschritt in der Anwendung des Kausalbegriffs liegt nun darin, daß man immer genauer, durch Induktion, Experiment, Schlußfolgerung, nicht nur irgendwelche Ursachen, sondern ganz  bestimmte  Ursachen sucht, solche, aus welchen sich das Auftreten einer Veränderung  im Sinne und in der Richtung  dieser Veränderung erklären läßt. Statt die Veränderung an einem Ding auf ein anderes Ding zurückzuführen, sie aus unbekannten Kräften abzuleiten, achtet man auf die Veränderungen dieses zweiten Dinges, d. h. man löst die Dinge in eine Summe von Wirkungen, Ereignissen auf, und sucht nun zu bestimmen, in welchem Ereignis  a  an einem Ding  A  das Ereignis  b  am Ding  B  begründet ist. Jetzt wird nun zwischen  Ursache  und  Bedingung  unterschieden, letztere besteht in den permanenten Objekten, Substanzen, Faktoren, erstere nur in deren Leistungen, sofern sie objektiv konstatierbar sind. So kommt eine gewisse  Geschlossenheit  des Kausalzusammenhangs zustande, Bewegung, Energie wird wieder mit Bewegung, Energie verknüpft (mechanische, energetische Naturbetrachtung). Zugleich sieht man ein, daß "Ursache" nur im Sinne von nächster Ursache, d. h. desjenigen Quantum und Quale von Geschehens, aus dem sich die Wirkung direkt berechnen läßt, zu nehmen ist, daß diese "Ursache" selbst wieder, in anderer Beziehung, "Wirkung" (bzw. ein Komplex von Wirkungen) ist.

NIETZSCHE macht darüber treffende Bemerkungen, die er nur, wie dies seine Art ist, oft so formuliert, daß der Subjektivismus übertrieben wird. Alle seine Angriffe richten sich im Grunde gegen einen methodisch schon überwundenen Standpunkt. Die heutige Wissenschaft betrachtet "Ursache" und "Wirkung" nur als Namen für Teilstücke des Geschehens, nicht als absolute Wesenheiten. Ja es wird sogar die Behauptung aufgestellt, der Begriff "Ursache", "Wirken" enthalte etwas Fetischistisches und er müsse daher "eliminiert" werden. Statt Ursächlichkeit wählt man lieber den Ausdruck "Abhängigkeit", ein Vorgang ist nun nicht mehr durch einen andern "bewirkt", sondern er ist nur eine "Abhängige", eine "Funktion" des anderen Vorgangs, Zustandes. Statt an ein Verursachtsein glaubt man jetzt nur an regelmäßige, gesetzmäßige, d. h. durch sorgfältige Beobachtung, Analyse, Induktion gefundene Zusammengehörigkeit, Abfolge, Regelmäßigkeit, Konstanz der räumlich-zeitlichen Verbindung. Dadurch hat man sich dem Standpunkt HUMEs und der übrigen Positivisten sehr genähert, man geht nun nicht mehr über die tatsächliche Erfahrung hinaus, hält diese frei von allen "metaphysischen" Zutaten. (60)

Zu gleicher Zeit schreitet man in der Analyse des Ichs fort. Es zeigt sich auch hier anstelle einer vermeintlichen Einfachheit die Kompliziertheit des Geschehens, statt beharrlichen Seins eine beständige Tätigkeit. Mit der psychischen Kausalität ist es nicht anders: statt als Ursache einer Handlung das "Ich", "den Willen" in Bausch und Bogen (oder als Substanz unbekannter Art) zu betrachten, sucht und findet man durch Analyse immer mehr Teilursachen des psychischen Geschehens. Anstelle des einfachen "Willen" tritt ein Komplex von Strebungen, zu denen unabtrennbar Gefühle und Empfindungen (bzw. Vorstellungen) gehören, aber a posteriori kann man doch von einer Willenshandlung sprechen, da erst durch das Element des Strebens das Dynamische, die Tätigkeit zum Abschluß kommt. Die Handlung ist nicht etwa vom Willen verschieden, sondern in jeder Handlung des Ichs steckt schon, als Moment, eine Abfolge von Gefühlen und Strebungen, deren gesamter Zusammenhang (nebst dazu tretenden Empfindungen) eben das ergibt, was eine Trieb- oder Willenshandlung genannt wird. So wie das Ich in seinem Bewußtsein gegeben ist, nicht außerhalb desselben als Substanz existiert, so ist auch der "Wille" (im Grunde mit der Ich-Tätigkeit identisch) kein unbewußter, transzendenter Faktor im Bewußtsein, sondern als Streben ist er der Willenshandlung immanent, als Willenstätigkeit ist er diese Handlung selbst. Das wirkliche psychische Geschehen ist eine Einheit, die sich erst für die Analyse (für die zerlegende Apperzeption) in Empfindung, Gefühl, Streben zerlegt, die aber als Ganzes ein "Willensvorgang" ist, weil das voluntarische Moment es erst zu einer Tätigkeit, einem wirkungsvollen Geschehen macht. Der "Wille" ist kein Aggregat von Empfindungen und Gefühlen, sondern der vollständige psychische Vorgang ist ein Willensvorgang, er ist insofern das Primäre, enthält schon als Momente Empfindung und Gefühl. Oder: Empfindung, Gefühl, Streben sind Abstraktionsprodukte, das konkrete, wirkliche Geschehen ist ein "Bewußtseinsvorgang", an und in welchem die Aufmerksamkeit bald diesen bald jenen Faktor mehr herausheben muß oder kann.

"Das Bewußtsein" und "der Wille" als abstrakte Gebilde, als hypostasierte [vergegenständlichte - wp] Vorgänge wirken nichts, sind vielmehr, wie NIETZSCHE richtig sagt, selbst schon Wirkungen. "Das Bewußtsein" ist die Summe, die Einheit, der Zusammenhang aller momentanen und potentiellen psychischen Vorgänge und Zustände, "der Wille" des Menschen nichts als die Totalität seiner einzelnen Willensvorgänge. Gleichwohl hat es seine Berechtigung, von psychischer Kausalität zu reden; nur ist die psychischen "Ursache" nicht, wie man früher meinte,  eine  Ursache, sondern läßt sich in einen  großen, nicht bis zum Ende verfolgbaren Zusammenhang von Vorgängen  zerlegen. Ein Komplex dieser aber weiß sich in seinem stetigen Zusammenhang und der daraus entspringenden Einheit und Identität des Handelns als ein Ich und als die direkte Quelle vieler Handlungen, es kennt sich, im Gegensatz zu erlittenen Einwirkungen, als Kraft, Agens, und es ist wirklich ein dynamischer Faktor, auch wenn die Reflexion die Überzeugung gewinnt, daß das Ich in seinem Tun sowohl durch die Außenwelt in verschiedenem Grad bestimmt als auch durch die Handlungen der Vorfahren, schließlich durch die ewige Gesetzmäßigkeit des Alls bedingt ist. Empirisch ist der Mensch durch sein Wollen doch "frei", d. h. er vermag dem äußeren und inneren Zwang Widerstand zu leisten, er kann "wählen", abwarten, hemmen, überlegen, entscheiden. Die psychische Kausalität, die ja die Quelle der Kausalitätstheorie ist, beruth also nicht auf einer Fiktion, sie ist wohl kritisch von allem Fetischismus und von den Irrtümern der Vermögenspsychologie zu reinigen, behält aber dann umso mehr ihre Gültigkeit, je weiter die Einsicht dringt, daß die Kette des physischen Geschehens eine geschlossene ist, sein muß, weil nur so ein stetiger Kausalnexus erreicht werden kann, innerhalb dessen eine Berechnung möglich ist. Das empirisch erhärtete Gesetz der "Konstanz der Energie" (das übrigens auch schon früher ein Postulat des Denkens war) verlangt, daß physische Energie aus physischer Energie abzuleiten ist, denn wenn eine Energie sich in eine andere restlos verwandelt, so muß die zureichende Ursache einer physischen Veränderung wieder in einem physischen Vorgang gesucht werden. Daher kann eine "Wechselwirkung" zwischen Psychischem und Physischem nicht angenommen werden, sondern als methodisches, heuristisches Prinzip muß, empirisch, ein "psychophysischer Parallelismus" gelten, d. h. ein Nebeneinandergehen physischer und psychischer Kausalität. Mit jedem psychischen muß ein physischer Vorgang verbunden gedacht werden und umgekehrt, der Reihe der physischen Kausalverbindungen entspricht ein psychischer Kausalzusammenhang. In jeder Reihe walten bestimmte Gesetze, aber es handelt sich in Wahrheit um ein und dieselbe Wirklichkeit, die einmal vom Standpunkt der äußeren Erfahrung als physisch, von dem der inneren Erfahrung aber als psychisch betrachtet und denkend behandelt wird. In den Assoziationen, Assimiliationen, Verschmelzungen, apperzeptiven Synthesen der Empfindungen und Vorstellungen bekundet sich jeder unbefangenen Analyse eine eigenartige Wirksamkeit, die rein physisch nicht interpretiert werden kann, für die es auf dem Gebiet des Körperlichen kein Analogon gibt; nur ein räumlich-zeitliches Zusammen von Gehirnprozessen ist es, was da den psychischen Verbindungen entspricht (61).

Wir können die Bestrebungen der modernen Physik und die mit ihnen übereinstimmende scharfe Kritik des Kausalitätsbegriffs seitens NIETZSCHEs gutheißen, ohne den Wert der Kausalitätskategorie in Frage zu stellen. Innerhalb der Naturwissenschaft mag man mit bloßen Abhängigkeitsverhältnissen zwischen Komplexen von Vorgängen auskommen. Wollen wir aber eine allgemeine, begreifliche Weltordnung, so können wir nicht umhin, die transzendenten Faktoren, die durch die Kausalitätskategorie schon auf primitivster Erkenntnisstufe in die Dinge hineingelegt werden, aufrechtzuerhalten. Das "Ansich" der Dinge gilt uns, in kritischer Weiterführung des "animistischen" Gedankens als ein dem unsrigen analoges Innensein, als Ichheit, Subjektivität. Wir können uns die Welt als einen  Zusammenhang von Willensfunktionen  denken, in welchen jedes Geschehen durch die Summe der übrigen Vorgänge, zunächst aber durch das Tun der Umgebung, bestimmt und bedingt ist. Jeder transzendente Faktor "nötigt" durch sein Tun andere zu einem bestimmten Handeln, so daß alles Geschehen im "Transzendenten" aus einer Totalität von  Reaktionen,  von "Ausgleichungen" einer durch andere Faktoren erlittenen Veränderung besteht. Die Objekte der Außenwelt verändern sich in einer von bestimmten anderen Objekten "abhängigen" Weise, weil die transzendenten Faktoren, die das eine Ding zusammensetzen, in eine Art "Konflikt" mit den Faktoren anderer Dinge geraten. Die Regelmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit, Notwendigkeit der Abfolge der empirisch erfaßbaren Vorgänge - mit der die Physik auskommt - beruth in letzter Linie, metaphysisch, auf einem (für uns) transzendenten Willenszusammenhang, auf einem System von Handlungen, in welchem jede Aktion mit Rücksicht auf die anderen erfolgt, sich nach der "Umgebung" "richten" muß, sei es von Anfang an in eindeutiger Weise, sei es erst als  Resultat von Anpassung und Entwicklung.  Das Objekt als Bewußtseinsinhalt, als bloß  gedachter  Faktor, "wirkt" nicht, tritt nur in bestimmter Verbindung mit anderen Objekten auf; der transzendente Faktor  als solcher,  in seinem "Fürsich-sein" ist durch und durch lebendige Aktion, Wirken, denn darin besteht sein "Sein". Das "Seiende" ist eben das,  was sich in seinem Wirken erhält,  was sich damit als permanierend [dauernd - wp] setzt. Je einfacher der transzendente Faktor, je gleichförmiger die Art seines Wirkens, desto dauernder ist sein Sein, sein sich Erhalten, so daß es vielleicht Willensatome, einfachste Subjekte in einfachstem Wirken gibt, die in allen Verbindungen, in die sie eingehen, ihr Wesen bewahren, unvergänglich sind. (62)

Die Mechanik ist, das geben wir NIETZSCHE zu, nur eine Symbolik für das wirkliche, sinnlich nicht wahrnehmbare kausale Geschehen. Aber sie ist mehr als eine individuell-subjektive Auffassung des transzendenten Wirkens, vielmehr kann sie sich immer mehr zu einem treuen Ausdruck der zwischen den transzendenten Faktoren bestehenden Beziehungen, Spannungsverhältnissen fortentwickeln. Es hat noch heute der Satz, den LEIBNIZ zum Motiv seiner Philosophie macht, seine Berechtigung, der Satz "la source de la mechanique est dans la metaphysique" [Die Quelle der Mechanik liegt in der Metaphysik. - wp]. (63) In den Gesetzen des physikalisch-chemischen Geschehens manifestiert sich ein Wirken, das dem bei uns durch innere Erfahrung gefundenen analog ist. Vom Fetischismus der Naturmenschen haben wir uns gleichwohl weit entfernt, an "Magie" glauben wir nicht, an gute oder schlechte Absichten der Naturgegenstände auch nicht, wir kennen schon Unterschiede zwischen Anorganischem und Organischem, schreiben nur diesem ein niederes oder höheres Bewußtsein, jenem nicht mehr als ein dumpfes Weben und Streben, einen Trieb in einfachster Form, noch nicht in Empfindung, Gefühl, Wille auseinandergetreten, noch undifferenziert, aber doch schon "psychisch", zu. Wir "erklären" vor allem nicht mehr die Naturerscheinungen aus Willens- oder anderen, geheimnisvollen Kräften, sondern wir setzen Erscheinung wieder zu Erscheinungen in Beziehung. Wir verstehen es, den Standpunkt der äußeren Erfahrung konsequent festzuhalten, dürfen aber nicht vergessen, daß dies mit dem Standpunkt der inneren, psychologischen Erfahrung gleichfalls der Fall sein muß - daran haben wir uns noch nicht recht gewöhnt - und daß schließlich eine umfassende, abschließende, einheitliche Weltanschauung die Ergebnisse der äußeren durch die Befunde der inneren Erfahrung ergänzen muß. Die "innere Welt" ist nur relativ "phänomenal", d. h. als unanalysiertes, an der Oberfläche betrachtetes Bewußtseinsgebilde. Durch eine psychologische Verarbeitung des Bewußtseins wird darin das Komplizierte vom Einfachen, das Produkt vom Faktor gesondert. Die dynamischen Faktoren, die man auf diese Weise findet, gehören allerdings nicht dem Reflexionsbewußtsein, dem Wissen an, denn dieses ist schon ein Entwicklungsprodukt primärer Faktoren. Der kausale Zusammenhang ist eben tiefer zu suchen, als man ihn oft vorzufinden glaubte, aber auch nicht allzu tief, d. h. hinter dem Bewußtsein. Denn das nicht apperzipierte, nicht gewußte, ins Selbstbewußtsein erhobene primäre psychische Geschehen hat immer noch den Charakter eines Bewußtseinsvorgangs, es ist Erlebnis, das ein Subjektmoment enthält, lebendige Funktion, die nur gewöhnlich so im Tun und Erleiden aufgeht, daß sie für sich allein, als selbständiger Faktor nicht zur Abhebung gelangt; erst die Analyse, die Reflexion holen ihn als solchen aus der Menge seiner Produkte, in denen er steckt, ans Licht hervor. Das "Innensein", das wir den Dingen zuschreiben, ist also gewiß nicht durchweg Bewußtsein im Sinn einer von sich wissenden und anderes von sich unterscheidenden Funktion, sondern eine lebendige, d. h. triebhafte Aktion, ein sich-erregt-fühlen und Streben bzw. Widerstreben, das gar nicht Zeit und Bedingungen hat, sich auszubreiten, zu fixieren und so sich selbst zu erfassen. Das primitive Innensein ist Bewußtsein, aber nicht Selbstbewußtsein, kein stetiger, einheitlicher psychischer Zusammenhang, sondern ein  Momentanbewußtsein. (64)

NIETZSCHE gebührt das Verdienst, zur Erschütterung des Glaubens an  absolute  Ursachen beigetragen zu haben. Immer mehr sehen wir ein, daß das Wirkliche ein unendlicher Zusammenhang von Vorgängen, ein Riesenprozeß ist, innerhalb dessen jeder Vorgang sowohl Ursache als auch Wirkung ist, so daß die "causa prima" eigentlich das  All  ist, das in seinen Gliedern wirkt. Je mehr die Einzeldinge von ihrer "Substantialität" im Sinne des starren Seins verlieren, umso substantieller, dynamischer wird das Weltganze, es nimmt den Charakter eines ungeheuren Kraftreservoirs, eine Ursubjekts, das schaffend und zerstörend in jedem seiner Teilkräfte wirkt. Immer neue Gruppierungen und Konstellationen von Kräften entstehen. Aus dem Gleichgewicht, das sich die Kräfte halten, geht das hervor, was wir Stoff,  Materie  nennen. Die Materie ist also weder ein Ding ansich, noch eine subjektive Erscheinung, sondern das  objektive Resultat der Spannungsverhältnisse der transzendenten Faktoren, symbolisiert in den Formen unerser Wahrnehmung und unseres Denkens.  Ansich entspricht der Materie nur die dynamische Beziehung zwischen den Kräften, sie läßt sich daher qualitativ in lauter Kräfte bzw. deren Leistungen oder Energien auflösen. Die Materie ist nichts wahrhaft Wirkendes, sondern schon Wirkung, Produkt, hat also wenigstens sekundäre Wirklichkeit. Nur die starre, unveränderliche, hypostasierte Materie ist ein "Irrtum". (65)

Ich stimme mit NIETZSCHE in der Ansicht überein, daß in den Kategorien etwas ist, was aus der inneren Erfahrung, aus der Wahrnehmung des Ichs und seiner Zustände und Handlungen, stammt. Aber es muß betont werden, daß die Übertragung des Innenseins des Subjekts auf die Objekte nicht unberechtigt ist, sofern sie  a)  nicht innerhalb der Naturwissenschaft (Physik),  b)  nach sorgfältigster kritischer Prüfung erfolgt. Ferner ist NIETZSCHEs Behauptung, die innere Erfahrung zeige uns nur eine phänomenale Welt, keine Wirklichkeit ansich, nur für das Stadium roher psychologischer Erkenntnis in gewissem Sinne wahr, gilt aber nicht für die analytisch-kritische Betrachtung des Bewußtseins, die keinen Grund zur Setzung eines hinter und außerhalb des Subjekts liegenden "Ansich" hat, daher man das Subjektsein selbst als "Ansich" und nicht als Erscheinung (im Sinne KANTs) zu betrachten braucht. Endlich sind "Ursache und "Wirkung" zunächst nur Teile des Geschehens, die wir denkend als voneinander abhängig betrachten, so daß beim Eintritt des gleichen Falls  A  das Auftreten des gleichen Falls  B  erwartet wird. Aber wenn die kausale Interpretation wirklich wissenschaftlich exakt durchgeführt wird, so ist anzunehmen, daß wir uns dadurch allmählich dem auch ansich bestehenden Abhängigkeitsverhältnis, den dynamischen Beziehungen der transzendenten Faktoren nähern.

Die  Überzeugung,  überall Ursache überhaupt anzutreffen, ist  a priori,  weil wir so organisiert sind, daß wir etwas Isoliertes nicht begreifen, zu jedem Geschehen ein Motiv, einen Grund suchen, fordern. Da aber die Erfahrung tatsächlich kausale Synthesen zuläßt, ja durch ihr unserem eigenen Verhalten änliches Sichgeben zur kausalen Interpretation herausfordert, so hat die Kategorie der Kausalität wie die der Substantialität ihr empirisches, objektives Fundament. Die  einzelnen  Kausalverbindungen, empirischen  Gesetze (Formel für Regelmäßigkeiten des Zusammens mehrerer Vorgänge) werden nicht a priori, sondern durch Beobachtung, Analyse, Induktion und Deduktion gefunden. Die "Naturgesetze" sind keine ehernen Notwendigkeiten, die gleichsam außerhalb der Welt schweben und den Dingen ihren Lauf vorschreiben, sondern sie sind der Welt  immanent,  d. h. die Dinge selbst befinden sich in einem lebendigen, dynamischen Zusammenhang, in welchem jeder Faktor in seinem Wirken eine bestimmte Sphäre hat, die er auszufüllen, vielleicht auch zu erweitern sucht, wobei er aber Widerstände seitens der Faktoren des "Milieu" erfährt, die gleicherweise nach Erhaltung ihrer Tätigkeit und auch nach Erweiterung ihres Wirkungsbereiches trachten. Durch eine immer größer werdende "Anpassung" der Faktoren und Faktorengruppen aneinander und damit an die "Umgebung" geht die (relativ) anfängliche "Unordnung" allmählich in "Ordnung", "Harmonie" über. Die Naturgesetze sind also als  Entwicklungsprodukte, als Resultanten des vereinigten Wirkens der Dinge  aufzufassen, wobei jede Wirkung  a priori durch den Zusammenhang des Ganzen bestimmt,  d. h. auf eine gewisse Richtung bzw. eine Mehrheit von Richtungen beschränkt ist.

LITERATUR - Rudolf Eisler, Nietzsches Erkenntnistheorie und Metaphysik,Leipzig 1902
    Anmerkungen
    1) HUME, Treatise III, § 14; Inquiry IV, 1, 11.
    2) PLATO, Phaedo 72E, 75B; Phaedr 249C; Meno 86A.
    3) KANT, Kritik der reinen Vernunft (hg. von KEHRBACH) Seite 95f, 671; Prolegomena § 30.
    4) Werke III 1, 12, Seite 30
    5) Werke XV, 271
    6) Werke X, Seite 166f
    7) Werke VIII, Seite 80
    8) Werke VIII 2, 5, Seite 80
    9) Werke XV, 273
    10) Werke XV, 285; Werke XV, 268f.
    11) Werke XV, 268
    12) Vgl. GEORG SIMMEL, Philosophie des Geldes, Seite 484, 507.
    13) Werke XI, 2, 5.
    14) Werke III 1, 18, Seite 38f
    15) Werke XI, 2, 31. Die Materie ist "ein uraltes, eingefleischtes Vorurteil", seit das Auge Spiegelflächen sieht und der Tastsinn zu stumpf ist. Wo man nämlich "widerstrebende Punkte fühlt, konstruiert man sich unwillkürlich widerstrebende kontinuierliche Ebenen" (Werke XI, 2, 31; 2, 5). - Vgl. Werke XII, 1, 15.
    16) Werke XII, 1, 7f
    17) Werke XI, 6, 239
    18) Werke XV, 275. "Das Stück Außenwelt, das uns bewußt wird, ist nachgeboren nach der Wirkung, die von außen auf uns geübt wird, ist nachträglich projiziert als deren Ursache" (Werke XV, 265).
    19) Werke XV, 277
    20) Werke XV, 277f.
    21) Werke XV, 277
    22) Werke XV, 280; Werke VIII 2, 5
    23) Werke X, Seite 58
    24) Werke XV, 289
    25) Mit SCHOPENHAUER erklärt NIETZSCHE: das Wesen der Wirklichkeit ist nur Wirken, keine andere Art des Seins (Werke X, Seite 29f).
    26) Vgl. meine Schrift "Das Bewußtsein der Außenwelt. Grundlegung zu einer Erkenntnistheorie" (Leipzig 1901)
    27) Bekanntlich waren es die Eleaten, die den Begriff des starren, unveränderlichen Seins geprägt haben.
    28) Im Sinne WUNDTs (System der Philosophie, zweite Auflage, Leipzig 1897). Doch scheint uns diese Tätigkeit, die den Substanzen zugrunde liegt, ganz wohl selbst als etwas "eminenter" substantielles bezeichnet werden zu dürfen.
    29) Dies darf die "energetische" Weltanschauung nicht vergessen.
    30) Vgl. WILHELM JERUSALEM, Einleitung in die Philosophie, Wien 1890.
    31) Werke XI, 6, 231
    32) Werke XV, 277, 280.
    33) Werke XV, 263
    34) Werke XV, 297. Er stimmt bezüglich des Ich- und Subjektsbegriffes mit HUME (Treatise IV, § 6), JOHN STUART MILL und anderen Vertretern der psychologischen Aktualitätstheorie (vgl. SPINOZA, Ethik II, prop. XV) überein. Zu diesen gehören auch FICHTE, HEGEL, SCHOPENHAUER, von HARTMANN, WUNDT, FECHNER, PAULSEN, RIEHL, JODL, SPENCER, HÖFFDING, MACH, JERUSALEM, RICHARD WAHLE u. a.
    35) Werke XV, 280
    36) Und doch nicht Erscheinung, wie KANT meint, denn das Subjekt weiß um sich ohne "inneren Sinn", der es verfälscht; es erfaßt sich ganz unmittelbar wie es ist, und ist so, wie es sich erfaßt.
    37) Werke III, 1, 9, Seite 27; Werke III, 1, 10, Seite 28; Werke III, 1, 16, Seite 35f
    38) NIETZSCHE selbst nimmt ja im "Willen zur Macht" ein "Innensein", eine Art "intelligiblen Charakter" der Dinge an.
    39) Werke VIII, 2, 5, Seite 80
    40) Werke VIII, 2, 5, Seite 83
    41) Werke VIII, 2, Seite 83
    42) Werke VIII 2, Seite 93
    43) Werke X, Seite 192f. "Einen Reiz als Tätigkeit zu empfinden, etwas Passives aktiv zu empfinden, ist die erste Kausalitätsempfindung. Der innere Zusammenhang von Sinnes-Reiz und -Tätigkeit übertragen auf alle Dinge ist Kausalität. An unseren Sinnesfunktionen denken wir uns die Welt, das heißt: wir setzen überall eine Kausalität voraus, weil wir selbst solche Veränderungen fortwährend erleben." (Werke X, Seite 193)
    44) Werke XV, 298
    45) Werke XV, 296
    46) Werke XV, Anhang III, 7, Seite 513.
    47) Werke VIII 2, Seite 94
    48) Werke VIII 2, Seite 94f
    49) Werke XI, 6, 157
    50) Werke VII, 1, 10
    51) Werke VII, 1, 21. Eine ganz ähnliche Auffassung der Kausalität findet sich außer bei HUME besonders bei JOHN STUART MILL (Logik I, deutsch von SCHIEL, Seite 386, 415; Examination, Seite 578), AVENARIUS, ERNST MACH (Die Mechanik ..., 1883, Seite 455; Populärwissenschaftliche Vorlesungen, 1896, Seite 215 und 296).
    52) Werke V, 109
    53) Werke XV, 296
    54) Werke XV, 297. Wir nehmen keine "Bewegung" wahr, sondern nur mehrere gleiche Dinge in einer gedachten Linie. Aus einzelnen Empfindungen bauen wir einen dauernden "Körper" auf. (Werke XI, 243f)
    55) Werke XV, 297. Die wahre Kraft ist der Wille zur Macht, der in allem tätig ist. Die Naturwissenschaft betrachtet schon die Resultate der Kräfte, nicht diese selbst (Werke XV, 302).
    56) Werke XV, 298. Vgl. dazu die Schriften von ERNST MACH und WILHELM OSTWALD.
    57) Werke XV, 298. - Der Gedanke, daß wir selbst erst die "Gesetze" in die Natur hineinlegen, stammt bekanntlich von KANT, der in den Skeptikern und Idealisten verschiedener Zeit seine Vorgänger hat. NIETZSCHE bemerkt dann auch: "Wenn Kant sagt, »der Verstand schöpft seine Gesetze nicht aus der Natur, sondern schreibt sie dieser vor«, so ist dies in Hinsicht auf den Begriff der Natur völlig wahr, welchen wir genötigt sind, mit ihr zu verbinden, welcher aber die Aufsummierung einer Menge von Irrtümern des Verstandes ist." (Werke III 1, 19, Seite 40f)
    58) Wie auch JODL bemerkt.
    59) Vgl. mein "Bewußtsein der Außenwelt". Den Ursprung der Kausalitätskategorie betonen BONNET, TETENS, MAINE de BIRAN, JACOBI, BENEKE, HEINRICH RITTER, WAITZ, DUBOC, ALOIS RIEHL, WILHELM JERUSALEM, GEORG SIMMEL u. a.
    60) Vgl. ERNST MACH, Populärwissenschaftliche Vorlesungen, Seite 215, 269.
    61) Vgl. WUNDT, Grundzüge der physiologischen Psychologie II, Seite 549. Grundriß der Psychologie, Seite 373. Philosophische Studien X, Seite 41f. ALOIS RIEHL, Der philosophische Kritizismus II, 2, Seite 178, 196, 37. FRIEDRICH JODL, Lehrbuch der Psychologie, Seite 57. HARALD HÖFFDING, Psychologie, C. 2, § 8. FRIEDRICH PAULSEN, Einleitung in die Philosophie, Seite 96.
    62) "Relativ dürfen wir von Atomen und Monaden reden: und gewiß ist, daß die kleinste Welt an Dauer die dauerhafteste ist" (Werke XI, 301).
    63) Werke herausgegeben von GERHARDT, Bd. III, Seite 607
    64) Vgl. WUNDT, System der Philosophie.
    65) Werke V, 109. Die Auflösung der Materie in lauter Energien, die Auffassung der Energie als alleinige Substanz des physischen Geschehens macht in der neuesten Physik Fortschritte. Auf diese Weise soll eine "hypothesenfreie" Naturwissenschaft ermöglicht werden. Diese "energetische" Weltanschauung hat ihren Begründer in WILHELM OSTWALD (Die Überwindung des wissenschaftlichen Materialismus, Leipzig 1895); Naturphilosophie, Leipzig 1902). Auch ERNST MACH will die Materie "eliminieren" (Die Analyse der Empfindungen, zweite Auflage, Leipzig 1902).